Die Agyptische Religion
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Aus der griechischen Zeit Agyptens. 231<br />
schiedener Jahrhunderte zu durchkreuzen pflegen; es ist der<br />
eleiche Unterschied, der bei uns den modernen Dom von<br />
einem mittelalterlichen scheidet. Und auch in kunstlerischer<br />
Hincicht konnte man wohl hier wie dort die. gleichen Mangel<br />
in den jungeren Nachbildungen finden: Ubertreibung der<br />
Formen und Uberladung mit Ornamenten.<br />
Ein anderer Punkt, in dem sich diese spaten Tempel<br />
von den alten unterscheiden, ist der Inhalt ihrer Inschriften.<br />
Wer in einem Tempel des neuen Reiches, etwa in Abydos,<br />
alle Inschrjften durchliest und alle Bilder genau betrachtet,<br />
der erfahrt aus alledem doch nur sehr wenig Tatsachliches:<br />
die Namen der verehrten Gotter, einzelne Zeremonien, eine<br />
Liste der Opfer und im besten Falle den Wortlaut des Rituals.<br />
Was sonst in den Tempeln vor sich ging (und in einem so<br />
groijartigen Institut mui3te doch manches vor sich gehen)<br />
wird uns verschwiegen oder vielmehr, es wird als selbst-<br />
cerstandlich oder gleichgultig nicht erwahnt. In dieser spaten<br />
Zeit ist das anders. Ihr ist es nicht mehr selbstverstandlich,<br />
wie man das Raucherwerk fur den Gott herstelit, denn<br />
drauijen, auijerhalb des heiligen Bezirkes, stellt es gewiD kein<br />
Spezereihanrllcr mehr so her. Und wenn man im Tempel<br />
die Feinde die neun Bogen nennt, so muij man erst lernen,<br />
welche Volker damit gemeint sind, denn in der Welt spricht<br />
man nur nochvon Griechen, Romern, Syrern und Persern. Man<br />
muij lernen, welche Bucher in der Ribliothek zu liegen haben<br />
und welche Gotterbilder der Tempel besitzt, wie man die<br />
Stunden und Tage nach alter Sitte benennt, und welche Ereig-<br />
nisse der Gotterzeit den Dingen im Tempel und um ihn her ihre<br />
Namen gegeben haben. Und nun erst all das Zeremoniell<br />
der groijen Feste und all die Finzelheiten des Kultus, wann<br />
man diese Treppe betritt und wer durch jene Ture schreitet<br />
und an welcher Stelle man beim Festzug zu rasten hat, all<br />
die Lieder, die man singt und die Formeln, die man betet.<br />
Mag das alles ursprunglich noch so gleichgultig gewesen sein.<br />
die Jahrhunderte haben es geheiligt, und die Nachkommen<br />
im Priestertume sollen auch im kleinsten nicht mehr davon<br />
abweichen. Es genugt nicht, es dem gebrechlichen Papyrus<br />
anzuvertrauen, es mui3 fur ewig in Stein gegraben werden.<br />
Daher sind die Wande der ptolemaischen Tempel bedeckt<br />
mit Inschriften, die uns alles mitteilen, was die Priester selbst<br />
wuoten, Heiliges und Geschaftliches, Wichtiges und Gleich -<br />
gultiges, eine inschriftliche Bibliothek des Tempelwesens.<br />
Und die Priester brauchten kaum zu furchten, daij Profane<br />
diese groijen Geheimnisse lasen, denn sie hatten an die Stelle<br />
der alten Hieroglyphen eine neue Art gesetzt, die sich so<br />
willkurlich handhaben liei3, daf3 sie nur fur Eingeweihte<br />
lesbar war. Auch die Sprache, die sie schrieben, konnte nie.