Die Agyptische Religion
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272<br />
Zwolftes Kapitel.<br />
frammes Gebet, reinigt das Schiff und weiht es der Gottin. Man<br />
richtet seinen Mast auf und sein Segel und alles Volk schuttet<br />
Wohlgeruche hinein. Dann kappt man die Taue, die es noch<br />
halten, und wenn es forttreibt, so folgt man ihm mit denBlicken,<br />
bis es entschwunden ist. Der Zug kehrt dann zum Tempel zu-<br />
ruck und Priester und Geweihte treten in das Gemach der Gottin<br />
ein, wahrend die Menge drauflen harrt. Nach einer Weile<br />
aber tritt der Tempelschreiber hervor und verkundet Heil<br />
dem Kaiser, dem Senate, dem romischen Volke und Schiffern<br />
und Schiffen. Auf diese Kunde jauchzt die Menge, sie<br />
schmucken sich rnit Blumen, sie kussen einem Bilde der<br />
Gottin die Fui3e und dann zerstreuen sie sich.<br />
Wenn diese Schilderung etwas uberschwenglich klingt,<br />
so hat dies seinen guten Grund; Lucius, der Mann, der sie<br />
im Romane erzahlt, ist einer der Glucklichen, die der Gottin<br />
besonders nahe stehen; er hat Aufnahme gefunden in den<br />
innersten Kreis ihrer Glaubigen. Langst schon hat Isis, der<br />
er fur die Errettung aus langer Not Dank schuldet, ihn im<br />
Traume ermahnt, einer der ihren zu werden, .aber Mithras,<br />
der greise Hohepriester zu Kenchreae, wagt nicht ihn auf-<br />
zunehmen, denn noch hat er selbst keinen Befehl dazu von<br />
der Gottin erhalten. Als der endlich erfolgt, fuhrt er den<br />
glucklichen Neuling morgens in den Tempel. Dort nimmt<br />
er aus dern Allerheiligsten einige Bucher, die mit Tieren und<br />
wunderlichen Schnorkeln geschrieben sind ; daraus liest er<br />
ihm vor, was alles fur die Weihe notig ist. AIS Lucius das<br />
Notige gekauft hat, wird er in Begleitung der Frommen<br />
zum Bade gefuhrt und durch besprengen gereinigt. Nach-<br />
mittags dann im Tempel, zu Fui3en der Gottheit, wird ihm<br />
Geheimes gesagt, und es mird ihm aufgegeben, sich zehn<br />
Tage hindurch fleischlicher Nahrung und des Weines zu ent-<br />
halten. AIS diese Zeit abgelaufen ist, sammeln sich gegen<br />
Abend die Glaubioen; er legt ein schlichtes Linnenkleid an,<br />
und der Priester hhrt ihn in das Allerheiligste. Was dort<br />
geschehen ist, kann er uns nur andeuten: in das Totenreich<br />
ist er gekommen, und durch alle Elemente hin ist er zuruck-<br />
gekehrt; mitten in der Nacht hat er die Sonne leuchten<br />
gesehen, und die oberen und unteren Gotter hat er geschaut<br />
und angebetet 299). Als er dann rnorgens hervortritt, mufl er<br />
auf ein Gestell treten, das inmitten des Tempels vor dem<br />
Bilde der Isis aufgestellt ist; man kleidet ihn in bunte Kleider,<br />
die mit Tierbildern verziert sind, eine Fackel halt er in der<br />
Hand und sein Haupt ziert ein Kreuz von Palmblattern,<br />
die ihn wie Strahlen umgeben. Dann werden die Vorhange<br />
29) Man hat ihm also das unterweltliche Reich des Osiris und die<br />
Sonne, die nachts darin fahrt, gezeigt