Die Agyptische Religion
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212 Neuntes Kapitel.<br />
Epoche findet man Sarge und Ausstattungen jeder Art.<br />
Auch die Arten der Mumisierung unterscheiden sich durch<br />
ihren Preis, und Herodot berichtet anschaulich, wie der Balsa-<br />
mierer, ehe er die Besorgung einer Leiche ubernahm, den Be-<br />
stellern drei hblzerne Modelle von Mumien vorlegte, die deren<br />
Herrichtung in den verschiedenen Preislagen zeigteii6):<br />
Denselben geschaftsmaijigen Zug finden wir dann auch bel<br />
den Leuten, denen die Obhut der Graber oblag, den Nach-<br />
folgern der alten Totenpriester, die \vir mit ihrem griechischen<br />
Namen Choachyten zu nennen pflegen. Aus den Jahr-<br />
hunderten der griechischen Herrschaft liegen uns zahl-<br />
reiche Urkunden vor, die uns die geschaftlichen Trans-<br />
alirtionen in den Familien dieser Leute kennen lehren. Da<br />
sehen wir denn, daB fur diese Leichenbesorger jeder Tote<br />
einfach ein Kapital ist, das ihnen eine bestimmte Rente<br />
abwirft. Der eine hat es ubernommen, fur den Psenasychis,<br />
seine Frau und seine Kinder die Gebete und Opfer regel-<br />
maoig abzuhalten und bezieht dafur in irgend einer Weise<br />
eine dauernde Bezahlung; diese PAicht und ihr Entgelt ist<br />
ein Vermogensobjekt wie jedes andere, er vermacht es<br />
seinen Kindern oder verkauft es an einen anderen aus der<br />
Gilde 7). Auch Geld konnte er sich darauf leihen, und<br />
vielleicht sind es diese Verhaltnisse, die zu der sonderbaren<br />
Nachricht Anlaij gegeben haben, die sich bei Herodotg)<br />
findet, der oft wiederholten Geschichte, daiij die Agypter<br />
die Leichen ihrer Vater versetzen konnten. Wie dem nun<br />
sein mag, jedenfalls wollen wir uns huten, aus einer solchen<br />
Sitte und aus dem geschaftsmaiijigen Betriebe der Cho-<br />
achyten irgendwie auf die wirklichen Gefuhle des Volkes<br />
seinen Toten gegenuber zu schlieflen. Wir, die wir diese<br />
Dinge nur aus der Ferne sehen, uber mehr als zwei Jahr-<br />
tausende hinweg, laufen stets Gefahr, nach den AuBer-<br />
lichkeiten zu urteilen, die wir aus der Entfernung noch er-<br />
blicken. Wir sehen die Graber und ihren Apparat und<br />
sehen ihre professionellen Huter bei ihrer Arbeit und ihrem<br />
Geschaft; aber wer dies richtig auffassen will, muij dabei<br />
auch an anderes denken, was uns keine Inschrift lehrt und<br />
kein Bild. An das, was Herodot in Agypten gesehen hat,<br />
an den lauten Jammer des Todestages, wo die Weiber<br />
sich den Kopf mit Erde beschmieren und wo sie heulend<br />
und sich schlagend durch die Stadt laufen, und an die<br />
stille Trauerzeit, wo man Haar und Bart wachsen IaBts), als<br />
wolle man sich scheiden von den frohlichen Menschen, und<br />
6) Herodot I1 86. 7) Eine Probe solcher Urkunden ist in dem<br />
Handbuch ,,Aus den Papyrus der Konigl. Museena S. 103 ff. mitgeteilt.<br />
8, Herodot I1 136. 9) Herodot I1 Sj, 36.