33. Sitzung - Deutscher Bundestag
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2644 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991<br />
Konrad Weiß (Berlin)<br />
Ich danke Ihnen.<br />
(Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE und bei der<br />
SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU<br />
und der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [PDS/<br />
Linke Liste])<br />
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster hat der<br />
Abgeordnete Martin Göttsching das Wort.<br />
Martin Göttsching (CDU/CSU): Frau Präsidentin!<br />
Meine Damen und Herren! Genau heute vor einem<br />
Jahr, zeitlich etwas günstiger, wandte ich mich an die<br />
Bürgerinnen und Bürger der Noch-DDR, um ihnen als<br />
Vorsitzender des Petitionsausschusses der Volkskammer<br />
über die Tätigkeit dieses Ausschusses seit den<br />
ersten demokratischen Wahlen zu berichten. Heute<br />
nun, wie gesagt, nach einem Jahr, wende ich mich für<br />
meine Fraktion nicht nur an die ehemaligen Bürger<br />
der DDR, sondern an alle Bürgerinnen und Bürger im<br />
vereinten Deutschland. Ich möchte etwas zu ebenjenem<br />
zur Zeit diskutierten Bericht des Petitionsausschusses<br />
sagen.<br />
Dieser Bericht verdeutlicht nicht nur ein weiteres<br />
Mal die umfangreiche Arbeit des Petitionsbüros und<br />
der Ausschußmitglieder — meine Vorredner haben<br />
darauf intensiv hingewiesen — , sondern in Schwerpunkten<br />
wird auch auf die vielen Sorgen und Nöte der<br />
Bundesbürger eingegangen, die sich eben an diesen<br />
Petitionsausschuß im <strong>Bundestag</strong> richten.<br />
Wenn man den Bericht des Ausschusses liest, so hat<br />
man den Eindruck — ich habe diesen Eindruck —, daß<br />
er ein Spiegelbild all derjenigen ungelösten politischen<br />
und sozialen Probleme ist, die uns gerade aktuell<br />
betreffen und die im vergangenen Jahr, als es zu<br />
jener politischen Veränderung in Deutschland kam,<br />
mit Nachdruck im Petitionswesen zu Buche schlugen<br />
— haben sich doch die Eingaben im vergangenen<br />
Jahr um eine stattliche Zahl erhöht. Wenn von rund<br />
16 500 Eingaben im vergangenen Jahr die Rede ist, so<br />
möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß während meiner<br />
Volkskammerzeit 12 980 Posteingänge beim Petitionsausschuß<br />
zu verzeichnen gewesen sind — für die<br />
kurze Zeit der frei gewählten Volkskammer.<br />
Gerade im Hinblick auf die Bürgerinnen und Bürger<br />
in den neuen Bundesländern sollte die heutige Debatte<br />
gleichzeitig auch dazu dienen, den Inhalt des<br />
Petitionsrechtes und die Zuständigkeiten des Deutschen<br />
<strong>Bundestag</strong>es darzustellen. Es ist nämlich für die<br />
Bürger der neuen Länder nicht unbedingt einsichtig,<br />
daß es ein Grundrecht, nach Art. 17 des Grundgesetzes<br />
ein verbrieftes Recht ist, daß sich jedermann einzeln<br />
oder in Gemeinschaft mit anderen -mit Bitten und<br />
Beschwerden auch an den Petitionsausschuß wenden<br />
kann, aber natürlich auch an die anderen Institutionen.<br />
Es sind Forderungen nach einem bestimmten<br />
Verwaltungshandeln oder Vorschläge zur Gesetzgebung,<br />
es sind Beanstandungen von Entscheidungen<br />
staatlicher Stellen, die ein Recht benennen, das es,<br />
jedenfalls in dieser Form, in der ehemaligen DDR<br />
nicht gab. Es gab zwar das Eingabengesetz seit 1975;<br />
dieses Eingabenrecht war jedoch nicht im entferntesten<br />
mit dem Recht nach Art. 17 des Grundgesetzes<br />
vergleichbar. Jeder weiß: Erwünscht waren gesellschaftlich<br />
nützliche und politisch genehme Eingaben.<br />
Ein positives Ergebnis für den Bürger war nur zu er<br />
warten, wenn die Aufdeckung von Mißständen im<br />
ideologischen Interesse der Staatsgewalt der SED lag.<br />
—So habe ich es vor einem Jahr in der Volkskammer<br />
gesagt.<br />
(Zuruf von der SPD: Herr Göttsching, es gab<br />
auch noch andere als die SED! — Horst Peter<br />
[Kassel] [SPD]: Streichen wir das!)<br />
— Streichen wir es.<br />
Zahlreiche Bürger der ehemaligen DDR hatten sich<br />
bereits vor dem Beitritt unmittelbar an den Petitionsausschuß<br />
des <strong>Bundestag</strong>es gewandt. Nach dem Beitritt<br />
gab es natürlich selbstverständlich einen weiteren<br />
Anstieg dieser Zahlen. Dies war ein Zeichen für die<br />
besondere Betroffenheit meiner Mitmenschen in den<br />
neuen Bundesländern durch die staatlichen Maßnahmen<br />
aus alten SED-Zeiten, aber auch durch Rechtsunsicherheiten,<br />
die aus den beiden großen Verträgen<br />
zwischen den Ländern des vergangenen Jahres in<br />
Deutschland herrührten. Sie waren aber auch ein Zeichen<br />
für die großen Erwartungen, die Möglichkeiten<br />
wahrzunehmen, ihrem Parlament ihre Sorgen und<br />
Nöte darzulegen.<br />
Einige Stichworte möchte ich nennen, um das gesamte<br />
Spektrum der Petitionen aus den neuen Bundesländern<br />
zu verdeutlichen. Ich wiederhole mich<br />
nicht und beziehe mich auf das, was zumindest der<br />
Vorsitzende Pfennig hier gesagt hat. Ich möchte auf<br />
eines hinweisen und es ergänzen, wenn es zum<br />
Thema „Vergangenheitsbewältigung" auch unter<br />
dem Stichwort „Lastenausgleich" etwas zu sagen gilt.<br />
Dieser Lastenausgleich betrifft etwa 1,5 Millionen<br />
Menschen in den neuen Bundesländern. Über<br />
600 Einzelpetitionen liegen vor. Der Ausschuß ist der<br />
Auffassung, daß die Petitionen für eine parlamentarische<br />
Initiative geeignet sind. Er hat daher die Eingaben<br />
den Fraktionen zur Kenntnis zugeleitet und erwartet<br />
hierzu entsprechende Initiativen.<br />
Es gibt andere persönliche Probleme, mit denen<br />
man sich an den Petitionsausschuß gewandt hat, die<br />
aber schon von meinen Vorrednern erwähnt worden<br />
sind. Wenn ich noch einmal darauf Bezug nehme,<br />
dann nicht, um den Be richt quasi zu ergänzen, sondern<br />
weil ich sehe, daß aus all dem ein Problem für die<br />
Arbeit des Petitionsausschusses entstehen könnte,<br />
denn dieser Ausschuß ist kein unpolitischer Ausschuß.<br />
Seine Mitglieder sind natürlich in die Willensbildung<br />
der Fraktionen eingebunden. Gerade im Petitionsausschuß<br />
weiß ich es zu schätzen, daß wir immer wieder<br />
bestrebt sind, einen Konsens zwischen den Fraktionen<br />
zu finden, wobei manchmal auch die Mehrheit<br />
der Regierungskoalition entscheidet.<br />
Sehe ich mir die Statistik an, so stelle ich fest, daß<br />
eine ganze Reihe von Petitionen zur Berücksichtigung<br />
überwiesen worden sind. Meine Damen und<br />
Herren, Sie wissen, der Berücksichtigungsbeschluß ist<br />
das stärkste Votum des Parlaments. Dies muß die Bundesregierung<br />
konsequenter umsetzen. Der Petitionsausschuß<br />
hat das Verhalten der Bundesregierung<br />
manchmal kritisiert, und zwar auch in den früheren<br />
Jahren. Jetzt hätte ich erwartet, daß der Kollege Peter<br />
intensiver zuhört. Im 9. Bericht wurde es kritisiert: