33. Sitzung - Deutscher Bundestag
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2684 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991<br />
Dr. Uwe Holtz<br />
densplanes mit Wahlkampfaktivitäten begonnen worden<br />
ist. Außerdem sollte sie den deutschen Botschafter<br />
in Marokko zur Ordnung rufen, der kürzlich vor<br />
der Presse in Marokko zugunsten eines positiven Ausgangs<br />
des Referendums für Marokko Stellung bezog<br />
und damit, wie ich meine, die diplomatisch gebotene<br />
Zurückhaltung vermissen ließ.<br />
Außerdem fordern wir in dem interfraktionellen Antrag<br />
die Bundesregierung auf, ihre Beziehungen zur<br />
marokkanischen Regierung dahin gehend zu nutzen,<br />
daß diese mit der UNO-Mission in der Westsahara<br />
kooperiert und wie die Frente Polisa rio förmlich erklärt,<br />
jedes mögliche Resultat des Referendums akzeptieren<br />
zu wollen. Wir begrüßen die Erklärungen<br />
hochrangiger Vertreter der Frente Polisa rio, daß diese<br />
für ein offenes, demokratisches und politisch rechenschaftspflichtiges<br />
System steht und sich den universell<br />
akzeptierten Prinzipien der Menschenrechte verpflichtet<br />
weiß.<br />
Wir Sozialdemokraten bedauern, daß es nicht möglich<br />
war, in diesem gemeinsamen interfraktionellen<br />
Antrag folgende zwei klare Aussagen aufzunehmen,<br />
nämlich die, daß jede Ausstattungs- bzw. Ausrüstungshilfe<br />
an Marokko zumindest so lange einzustellen<br />
ist, bis der UNO-Friedensprozeß in der Westsahara<br />
zum Abschluß gekommen ist, und daß sich die<br />
Bundesregierung nicht länger offiziellen Kontakten<br />
mit der Frente Polisario verschließt. Es ist mit der von<br />
der Bundesregierung immer wieder dargestellten<br />
Neutralität in diesem Konflikt unvereinbar, wenn sie<br />
die marokkanische Seite mit Ausrüstungs- oder gar<br />
Militärhilfe unterstützen würde.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des<br />
Bündnisses 90/GRÜNE)<br />
Wir können nur hoffen, daß sie hier internationales<br />
Verantwortungsgefühl an den Tag legt und die Finger<br />
davon läßt.<br />
Nach den 15 Jahren Krieg braucht das geschundene<br />
Land nicht nur Frieden, sondern auch eine Zukunftsperspektive.<br />
Dazu gehört, daß sich die internationale<br />
Gemeinschaft wie auch die Bundesrepublik<br />
Deutschland an dem Wiederaufbau beteiligt.<br />
Wir Abgeordneten sollten selbst versuchen, einen<br />
Beitrag zu leisten, um sicherzustellen, daß durch offizielle<br />
Beobachterdelegationen sowohl auf <strong>Bundestag</strong>s-<br />
als auch der Ebene der Parteien, die in die Westsahara<br />
entstandt werden, dazu beigetragen wird, daß<br />
das freie und faire Referendum dann wirklich auch so<br />
ablaufen kann.<br />
Ich bitte alle hier im Saal um Zustimmung zu dem<br />
Antrag.<br />
-<br />
Besten Dank.<br />
(Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und<br />
dem Bündnis 90/GRÜNE)<br />
Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächster hat<br />
das Wort Herr Dr. Köhler.<br />
Dr. Volkmar Köhler (Wolfsburg) (CDU/CSU): Frau<br />
Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine<br />
Herren! Wir sprechen über ein Gebiet, dessen Besiedlung<br />
noch etwas dünner ist als die Anwesenheit im<br />
Deutschen <strong>Bundestag</strong> an diesem Abend bei der Behandlung<br />
dieses Gegenstandes.<br />
(Beifall des Abg. Ulrich Irmer [FDP])<br />
Wir sprechen über einen Antrag, dem auch meine<br />
Fraktion zustimmt, obwohl, verehrter Kollege Holtz<br />
— das wird Sie nach den vielen Jahren, in denen wir<br />
dieses Thema miteinander traktiert haben, nicht verwundern<br />
—, ich mindestens in einigen Nuancen nicht<br />
dem folgen kann, was Sie hier im einzelnen gesagt<br />
haben. Trotzdem glaube ich, daß die Intention überwiegend<br />
so ist, daß wir die Sache gemeinsam tragen<br />
können.<br />
Der Friedensplan der Vereinten Nationen vom<br />
29. April 1991 hat in der Tat allseitige Zustimmung<br />
gefunden. Er soll und muß durchgeführt werden.<br />
Dazu gehört auch ein freies und faires Referendum.<br />
Ich möchte das Augenmerk noch darauf lenken, daß<br />
eine der entscheidenden Fragen dabei ist, von welcher<br />
Bevölkerungszählung, also von welcher Zahl der<br />
Stimmberechtigten, man ausgeht. Dafür sollte sich<br />
auch die Bundesregierung noch speziell interessieren.<br />
(Dr. Uwe Holtz [SPD]: Vom spanischen Zen<br />
sus 1974! Das hat die UNO so vorgeschlagen!<br />
Ist akzeptiert!)<br />
— Ja.<br />
Dieser Krieg verzehrt seit 16 Jahren eine Fülle von<br />
Kräften — seit dem grünen Marsch 1975 ist das so —,<br />
die dringend für wirklich andere Aufgaben genutzt<br />
werden müßten — im gesamte Raum des Maghreb.<br />
Auch wenn die Bundesregierung — das gilt für alle<br />
Bundesregierungen — stets eine formale Neutralität<br />
in dieser Angelegenheit betont hat, meine ich doch,<br />
daß jetzt alles durch uns und die Europäische Gemeinschaft<br />
getan werden sollte, um diese unerträgliche<br />
Belastung der Situation des Maghreb endlich zu beseitigen.<br />
Deswegen teile ich auch ausdrücklich die<br />
Forderung nach einer aktiven Unterstützung des Referendums<br />
und der Mission der Vereinten Nationen,<br />
die ich wie Sie begrüße; denn es wird dringend Zeit,<br />
daß ein größerer Maghreb aufgebaut wird und die<br />
Störfaktoren fallen. Der Ballast dieses Sahara-Krieges<br />
ist in höchstem Maße überflüssig und anachronistisch<br />
und muß fallen.<br />
(Beifall des Abg. Ulrich Irmer [FDP])<br />
Wir haben es in Wahrheit mit Ländern und Völkern<br />
zu tun, in denen über 50 % der Menschen jünger sind<br />
als 20 Jahre. Für sie ist entscheidend, wie sie Behausung<br />
bekommen, Ausbildung bekommen, wie sie Arbeit<br />
bekommen. Darauf haben sich alle Anstrengungen<br />
zu konzentrieren. Das hat auch uns zu interessieren;<br />
denn die Wanderungsbewegung von dort führt<br />
nicht nur an unsere Pforten in Europa, sondern sie ist<br />
schon in Spanien, Frankreich, Italien spürbar. Deswegen<br />
geht uns das eine ganze Menge an. Es geht nicht<br />
nur um das soziale Problem dieser jungen Generation,<br />
sondern auch um die Frage unseres Zusammenlebens<br />
an beiden Küsten des Mittelmeeres. Wir werden reagieren<br />
müssen und dürfen uns dem nicht länger entziehen.<br />
Marokko, so fordert dieser Antrag, soll voll und<br />
ganz kooperieren. Die Polisa rio habe dies zugesagt.