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33. Sitzung - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991 2629<br />

Jutta Braband<br />

nicht alle rechtlichen und politischen Mittel zur Verhinderung<br />

der Einlagerung ausschöpfte. Angesichts<br />

der Brisanz des Themas und des Anspruchs der niedersächsischen<br />

Koalition hätten wir etwas mehr Widerstandsgeist<br />

erwartet.<br />

Ich frage: Was wäre denn geschehen, wenn Niedersachsen<br />

der Anweisung des Atomministers nicht<br />

Folge geleistet hätte? Hätte Herr Töpfer womöglich<br />

eine Erzwingungshaft für Frau Griefahn erwirkt?<br />

Wahrscheinlich nicht. Die Sache wäre vor dem Bundesrat<br />

verhandelt worden, und hier hätte sich die SPD<br />

nun endlich zu ihrer Forderung nach dem Ausstieg<br />

aus der Atomenergie praktisch bekennen können und<br />

müssen.<br />

Der Polizeieinsatz im Wendland offenbart: Atomenergie<br />

ist nicht nur umweltunverträglich, sondern<br />

auch sozial unverträglich und demokratiefeindlich.<br />

Hier zeigt sich, daß statt Abbau der Mitwirkungsrechte<br />

des und der einzelnen, z. B. im Verkehrswege<br />

Beschleunigungsgesetz, gerade der Ausbau dieser<br />

Rechte dringend nötig ist. Nur der Ausbau dieser<br />

Rechte ist eine Garantie dafür, daß Proteste von Bürgerinnen<br />

und Bürgern nicht kriminalisiert werden<br />

können, ebenso wie dafür, daß die Lösung von Problemen<br />

der ganzen Gesellschaft nicht mit polizeistaatlichen<br />

Mitteln erfolgt. Denn was Atomminister Töpfer<br />

hier versucht hat, ist offensichtlich eine Delegierung<br />

des Problems an die Landespolizei von Niedersachsen.<br />

Statt sich hierfür mißbrauchen zu lassen, sollte die<br />

Polizei nicht nur von der Landesregierung, sondern<br />

vor allem von der Bundesregierung eine politische<br />

Lösung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger dieses<br />

Landes verlangen, die — ich sagte es schon einmal —<br />

zu 70 % den Ausstieg aus der Atomenergie fordern.<br />

Ich möchte hier noch einmal daran erinnern, daß<br />

sich der, der hier in diesem Hause ständig von der<br />

friedlichen Revolution in der DDR redet und die F riedlichkeit<br />

der Veränderungen begrüßt, auch daran erinnern<br />

möge, daß die Friedlichkeit durchaus darin bestanden<br />

hat, daß Menschen gegen eine Regierung<br />

demonstriert haben, daß sie Blockaden gemacht, Kerzen<br />

angezündet haben usw. Stellen Sie sich endlich<br />

dieser Situation!<br />

Ich danke Ihnen.<br />

(Beifall bei der PDS/Linke Liste und dem<br />

Bündnis 90/GRÜNE)<br />

Vizepräsident Helmuth Becker: Frau Braband, wir<br />

haben Ihre Redezeit verlängert, weil es eingangs hier<br />

nicht ruhig war. Ich will Sie nur darauf aufmerksam<br />

machen.<br />

-<br />

Nächster Redner ist jetzt unser Kollege Klaus Harries.<br />

Klaus Harries (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine<br />

sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon ein<br />

starkes Stück: Wir haben Störfälle und reden seit Jahren<br />

in aller Öffentlichkeit, verehrte Frau Braband, darüber.<br />

Sie haben in der früheren DDR bei uns nicht<br />

genehmigungsfähige Kraftwerke gehabt, die wir<br />

durch Entscheidung unseres Bundesumweltministers<br />

erst abstellen mußten. Darüber konnte bei Ihnen nie<br />

mals geredet werden. Über diesen Unterschied sollten<br />

Sie bitte einmal nachdenken.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)<br />

Daß bei der Fraktion der PDS das Bewußtsein für<br />

unsere verfassungsmäßige Ordnung, für unseren<br />

Rechtsstaat noch nicht ausgeprägt ist, meine Damen<br />

und Herren, das kann ich beinahe noch nachvollziehen,<br />

daß es aber Lücken in der Beachtung und Anwendung<br />

der Rechtsnormen bei der niedersächsischen<br />

Landesregierung gibt, halte ich für bedenklich.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP —<br />

Zurufe von der SPD)<br />

Meine Damen und Herren, wenn wir dazu kommen,<br />

daß ein Bundesland auf Grund von Bundesgesetzen<br />

nur noch dann tätig wird, wenn eine Weisung ergeht<br />

oder wenn das Bundesverfassungsgericht entscheidet,<br />

dann ist das auf die Dauer unerträglich und bekommt<br />

unserem Verfassungsstaat nicht gut. Auch<br />

darüber bitte ich Sie einmal nachzudenken.<br />

(Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP<br />

— Dr. Paul Laufs [CDU/CSU]: Aufkündi<br />

gung der Bundestreue ist das!)<br />

Es bedurfte erst einer rechtmäßigen Anweisung des<br />

Bundesumweltministers, um die Rückführung radioaktiver<br />

Abfälle aus Belgien in das genehmigte Zwischenlager<br />

Gorleben zuzulassen. Erst auf Weisung<br />

des Bundesumweltministers hat die niedersächsische<br />

Landesregierung die rechtswidrige und eine Nötigung<br />

darstellende Blockade von etwa 100 bis 150 Jugendlichen<br />

in Lüchow beseitigt.<br />

Dank sage ich an dieser Stelle, meine Damen und<br />

Herren, der Polizei, die beispielhaft und vorbildlich<br />

gehandelt hat und gegen diesen Rechtsbruch vorgegangen<br />

ist. Dank sage ich den Tausenden von Einwohnern<br />

des Kreises Lüchow-Dannenberg, die keineswegs<br />

alle für die Kernenergie sind, aber sich an<br />

rechtswidrigen Maßnahmen nicht beteiligt haben,<br />

sondern ohne Hyste rie und mit Gelassenheit das Vorgehen<br />

und die Vorgänge, glaube ich, sehr, sehr kritisch<br />

verfolgt haben.<br />

Der Bundesumweltminister hat mit seiner Weisung<br />

im Rahmen der Gesetze gehandelt. Die Abfälle aus<br />

Mol waren bedenkenlos nach Gorleben zu bringen,<br />

und zwar einfach deswegen, weil der Herkunftsort<br />

völlig unstrittig war.<br />

(Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Das ist<br />

leider nicht wahr!)<br />

Neckarwestheim und Krümmel waren die Lieferanten.<br />

Es war überhaupt kein Rechtsgrund gegeben, um<br />

den Transport in der Polizeikaserne zu stoppen.<br />

Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik<br />

Deutschland war auf Grund bestehender Verträge<br />

nicht nur zur Abnahme dieser überschaubaren Atommülltransporte<br />

verpflichtet. Sie ist auch verpflichtet, in<br />

Zukunft ohne Störung, regelmäßig und auch sicher all<br />

die Fässer aus Mol zurückzunehmen, zu deren Abnahme<br />

wir vertraglich verpflichtet sind.<br />

Wir reden immer mehr, wir reden intensiv und mit<br />

Recht vom europäischen Wirtschaftsraum. Dazu gehören<br />

auch immer mehr Absprachen zur Behandlung

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