33. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991 2659<br />
Dr. Heinrich L. Kolb<br />
Erhaltung des bewährten deutschen Vergabesystems.<br />
Die Voraussetzungen dafür wurden in mühsamen<br />
Verhandlungen auf EG-Ebene geschaffen. Mit erheblichen<br />
Anstrengungen war es möglich, daß die Bundesrepublik<br />
durchsetzte, die EG- Überwachungsrichtlinie<br />
auch auf den Einsatz außergerichtlicher Rechtsbehelfe<br />
auszudehnen, so daß man mit einer Beschwerde<br />
nicht mehr zwingend vor Gericht gehen<br />
muß, sondern sie an dafür eingerichtete Überprüfungsstellen,<br />
vergleichbar mit unseren früheren<br />
Schiedsstellen, richten kann.<br />
Nun sehen wir heute erneut Anlaß, unseren politischen<br />
Willen deutlich zu machen und diese mühsam<br />
bewahrte Möglichkeit zur Beibehaltung des deutschen<br />
Vergabewesens auf nationaler Ebene zu nutzen.<br />
Das heißt, die Umsetzung der EG-Überwachungsrichtlinie<br />
muß im Wege des Haushaltsrechts<br />
erfolgen. Ein eigenes Vergabegesetz lehnen wir ab.<br />
Damit sprechen wir uns nicht gegen einen wirksamen<br />
Wettbewerb aus. Im Gegenteil, wir wollen Wettbewerb<br />
auch auf den Beschaffungsmärkten öffentlicher<br />
Auftraggeber. Wir sind aber überzeugt, daß die<br />
juristischen Bedenken, die gegen die haushaltsrechtliche<br />
Lösung gelegentlich erhoben werden, auch bei<br />
sorgfältiger Prüfung und Abwägung nicht schwer genug<br />
wiegen, um von diesem erfolgreichen Weg abzugehen.<br />
Betroffene, Wirtschaftsfachleute und Gutachter<br />
sind mit uns dieser Meinung.<br />
Es ist bei den früheren Debatten zu diesem Thema<br />
schon zutreffend ausgeführt worden, daß zunehmend<br />
die Gefahr besteht, daß EG-Regelungen zu einer<br />
Überbürokratisierung führen. Das kann und darf nicht<br />
im Sinne eines lebendigen, vielfältig strukturierten<br />
und wirtschaftlich aktiven Europa sein. Natürlich ist<br />
es auch unser Ziel, im Sinne des europäischen Binnenmarktes<br />
den Marktzugang über die Grenzen hinweg<br />
zu gewährleisten. Dazu gehören selbstverständlich<br />
auch Kontroll- und Beschwerdemöglichkeiten. Es besteht<br />
aber kein Grund, sich von einem seit 60 Jahren<br />
funktionierenden System, wie es in der Bundesrepublik<br />
Deutschland besteht, ohne zwingende Notwendigkeit<br />
zu trennen, wenn — und davon sind wir überzeugt<br />
— der Zweck der EG-Regelungen auch mit unserem<br />
bestehenden Regelwerk vollkommen erreicht<br />
wird.<br />
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der<br />
SPD)<br />
Ein Gesetzentwurf zur Umsetzung der EG-Richtlinie<br />
über das Haushaltsrecht ist in den Ministerien<br />
bereits erarbeitet worden. Unser gemeinsamer Antrag<br />
nimmt darauf Bezug. Mit einer solchen Regelung soll<br />
Bietern, die sich durch einen Verstoß gegen die Vergaberegelungen<br />
benachteiligt fühlen, wirksamer<br />
Rechtsschutz gewährt werden. Die Einschaltung von<br />
Gerichten zur regelmäßigen Überprüfung von Vergabeverfahren<br />
wird aber vermieden.<br />
Mit einem Vergabegesetz wären dagegen zwangsläufig<br />
Gerichtsverfahren verbunden, und diese würden<br />
sich im Falle großer Aufträge besonders problematisch<br />
auswirken. Für diese soll die zu suchende<br />
Regelung gerade gelten. Solche großen Aufträge sind<br />
gekennzeichnet durch eine Aufgliederung des Gesamtprojekts<br />
in zahlreiche Teillose. Die Klage gegen<br />
ein im Sinne des Baufortschritts grundlegendes Los<br />
müßte zwangsläufig dazu führen, daß das gesamte<br />
Projekt gestoppt würde. Terminverzug oder auch<br />
Schadenersatzforderungen derjenigen Auftragnehmer,<br />
deren Lose ohne eigenes Verschulden gestoppt<br />
würden, stellten ein besonderes Risiko für die öffentlichen<br />
Auftraggeber dar.<br />
Der von mir beschriebene Fall brächte überdies die<br />
Gefahr mit sich, daß Auftraggeber, die die EG-Richtlinie<br />
beachten müssen, aus Sorge vor Verfahrensverzögerungen<br />
künftig überwiegend Generalunternehmer<br />
beauftragen würden. Das hätte gravierende Auswirkungen<br />
vor allen Dingen für den Mittelstand; denn<br />
im Baugewerbe sind zu 90 % mittelständische Betriebe<br />
tätig. Hier bin ich der Meinung, daß wir als<br />
gewählte Parlamentarier eines Landes, das zu Recht<br />
und mit Stolz die wirtschaftliche Bedeutung seines<br />
Mittelstandes betont, gut beraten sind, diese Bedrohung<br />
ernst zu nehmen.<br />
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der<br />
SPD)<br />
Meine Damen und Herren, der interfraktionelle Antrag<br />
dient dazu, unseren gemeinsamen politischen<br />
Willen noch einmal deutlich zu machen. Wir wollen<br />
miteinander am Europa der Zukunft bauen, nicht aber<br />
miteinander prozessieren.<br />
Ich danke Ihnen.<br />
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der<br />
SPD)<br />
Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Parlamentarische<br />
Staatssekretär beim Bundesminister für<br />
Wirtschaft, unser Kollege Klaus Beckmann.<br />
Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister<br />
für Wirtschaft: Herr Präsident! Meine sehr<br />
verehrten Damen! Meine Herren! Einmal mehr verursacht<br />
uns die Umsetzung von EG-Richtlinien in nationales<br />
Recht erhebliche Schwierigkeiten. Die sogenannte<br />
Überwachungsrichtlinie legt fest, welche<br />
Rechte die Mitgliedstaaten Bietern einräumen müssen,<br />
die sich gegen Form- und Rechtsverstoß bei der<br />
Vergabe öffentlicher Aufträge zur Wehr setzen wollen.<br />
Dieses Thema ist für uns Deutsche deshalb so<br />
schwierig, weil wir unsere Vergabegrundsätze aus<br />
alter Tradition im internationalen Vergleich zwar vorbildlich<br />
entwickelt, zugleich aber auch Wert darauf<br />
gelegt haben, die Rechtsform von innerdienstlichen<br />
Weisungen beizubehalten. Freilich sind das keine<br />
Weisungen üblicher Art. Sie werden vielmehr in Verdingungsausschüssen<br />
mit der Wirtschaft bis in alle<br />
Details diskutiert, und zwar in der Regel so lange, bis<br />
ein Konsens gefunden ist. Durch ihre amtliche Veröffentlichung<br />
zeigt dann die Exekutive, daß sie diese<br />
Regeln als für ihr Verwaltungshandeln verbindlich<br />
anerkennt.<br />
Um dieses System auch nach der EG-Harmonisierung<br />
in etwa beibehalten zu können, ist es dem Bundeswirtschaftsminister<br />
in enger Zusammenarbeit mit<br />
dem Bundesbauminister in langwierigen Brüsseler<br />
Verhandlungen gelungen, zu erreichen, daß eigentlich<br />
speziell für den deutschen Gebrauch eine Son-