33. Sitzung - Deutscher Bundestag
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2554 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991<br />
Hartmut Koschyk<br />
hen des Landes Brandenburg und des Freistaates<br />
Sachsen gibt, die Rechte der sorbischen Minderheit<br />
in diesen Ländern auch in den Landesverfassungen zu<br />
schützen, und sind Sie bereit, dieses Bemühen entsprechend<br />
zu würdigen und hier nicht zu unterstellen,<br />
daß diese beiden Länder, in denen Angehörige Ihrer<br />
Volksgruppe leben, nicht versuchen, den Rechten Ihrer<br />
Volksgruppe unter Berücksichtigung eines wirklich<br />
europäischen Standards Genüge zu tun?<br />
Angela Stachowa (PDS/Linke Liste): Ich gehe mit<br />
Ihnen konform. Die Länder Sachsen und Brandenburg<br />
bemühen sich. Ich glaube aber, es ist auch die Aufgabe<br />
des Bundes, nationale Minderheiten zu fördern<br />
und zu unterstützen.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der PDS/Linke Li<br />
ste und der SPD)<br />
Inwieweit kommt die Anerkennung des Rechts auf<br />
kollektive Ausübung von Individualrechten und die<br />
damit verbundene Gewährung der Teilhabe nationaler<br />
Minderheiten an politischen Entscheidungen auf<br />
kommunaler, regionaler und gesamtstaatlicher Ebene<br />
in der Praxis überhaupt zum Tragen? Der <strong>Bundestag</strong><br />
sollte die Bundesregierung auffordern, in regelmäßigen<br />
Abständen einen Minderheitenbericht vorzulegen.<br />
Ein solches Dokument würde uns auch erlauben,<br />
konkrete Vergleiche anzustellen und zu prüfen, wie<br />
die von der Parlamentarischen Versammlung des<br />
Europarates verabschiedeten Prinzipien zum Schutz<br />
der Rechte von Minderheiten in der Bundesrepublik<br />
tatsächlich verwirklicht werden.<br />
Meine Damen und Herren, auch in einem zukünftigen<br />
geeinten Europa ohne Grenzen werden die Bayern<br />
Bayern und die Sachsen Sachsen bleiben. Auch<br />
die nationalen Minderheiten sollen bleiben, was sie<br />
sind, nämlich unter anderem Bindeglieder, aber vor<br />
allem Gruppen von Menschen mit einer eigenen nationalen<br />
Identität.<br />
Zum Abschluß noch eine Bemerkung. Wenn heute<br />
diesem Antrag zugestimmt wird, so beantrage ich zugleich,<br />
daß die Bundesregierung nach der Sommerpause<br />
hier vor dem Hohen Hause einen Bericht über<br />
die Ergebnisse des Expertentreffens gibt und notwendige<br />
Schlußfolgerungen für den innerstaatlichen Umgang<br />
mit nationalen Minderheiten darlegt.<br />
Ich danke Ihnen.<br />
(Beifall bei der PDS/Linke Liste sowie bei<br />
Abgeordneten der SPD)<br />
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat jetzt<br />
Herr Staatsminister Helmut Schäfer.<br />
-<br />
Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen<br />
Amt: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!<br />
Das Expertentreffen über nationale Minderheiten, das<br />
am 1. Juli in Genf beginnen soll, kommt zur rechten<br />
Zeit. Es wurde von den Staats- und Regierungschefs<br />
der KSZE-Staaten bei ihrem Treffen in Paris im vergangenen<br />
November einberufen — ich zitiere —,<br />
„im Bewußtsein einer dringenden Notwendigkeit des<br />
Minderheitenschutzes". Ich gehe davon aus, daß die<br />
Bundesregierung im Anschluß an das Expertentreffen,<br />
Frau Kollegin, natürlich in den Ausschüssen berichten<br />
wird; das ist doch eine Selbstverständlichkeit.<br />
Denn über all diese Konferenzen wird anschließend<br />
zu sprechen sein.<br />
Akute Krisen sowie offene und latente Spannungen<br />
in einigen KSZE-Staaten belegen, wie notwendig das<br />
KSZE -Expertentreffen über nationale Minderheiten<br />
ist und wie zutreffend auch die Bewertung der Staatsund<br />
Regierungschefs im Hinblick auf die Einberufung<br />
dieses Treffens war. Sie belegen auch, daß ungelöste<br />
Minderheitenfragen große Probleme schaffen können.<br />
Meine Damen und Herren, Minderheitenschutz ist<br />
angewandte Menschenrechtspolitik.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der<br />
CDU/CSU)<br />
Der Schutz der Individualrechte allein, der zunächst<br />
beim Helsinki-Prozeß in den Mittelpunkt gerückt war,<br />
reicht nicht aus.<br />
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr rich<br />
tig!)<br />
Nur der besondere Schutz und die besondere Förderung<br />
von Minderheiten trägt dazu bei, historische<br />
Konflikte zu entschärfen und aus früheren Feinden<br />
Freunde zu machen.<br />
Hier ist wiederholt auf das Beispiel Dänemark und<br />
Deutschland verwiesen worden. Wir könnten noch<br />
einige andere Beispiele nennen; Herr Irmer hat es<br />
getan. Aber ich glaube, dieses Beispiel macht besonders<br />
deutlich, wie Minderheiten miteinander bzw.<br />
Mehrheiten mit ihren jeweiligen Minderheiten umgehen<br />
können.<br />
Ich darf auch sagen, daß sich dank unserer beharrlichen<br />
Ostpolitik — hier kann man ja nun eigentlich<br />
alle Parteien mit einbeziehen, Herr Kollege Duve —<br />
die Situation der deutschen Minderheiten in den<br />
Staaten Mittel- und Osteuropas doch grundlegend<br />
verbessert hat. Ich hoffe, daß diese Entwicklung viele<br />
Angehörige der deutschen Minderheit auch zum Bleiben<br />
in ihren jeweiligen Staaten veranlassen wird<br />
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie<br />
bei Abgeordneten der SPD)<br />
und daß sie auch ermutigt werden, bei dem schwierigen<br />
Prozeß dort, nämlich Demokratie herzustellen<br />
und eine neue Wirtschaftsordnung zu schaffen, kräftig<br />
mit anpacken, wie sie in den vergangenen Jahrhunderten,<br />
kann man sagen, ja auch ganz wesentlich zum<br />
Lebensstandard, zur Entwicklung nicht nur der Kultur,<br />
sondern auch des Wohlstands der Länder beigetragen<br />
haben, in denen sie heute noch leben.<br />
Im deutsch-polnischen Vertrag über gute Nachbarschaft<br />
und freundschaftliche Zusammenarbeit werden<br />
wesentliche Bestimmungen des Kopenhagener<br />
Dokuments rechtlich verbindlich vereinbart. Dies ist<br />
auch ein konkreter wesentlicher Fortschritt und ein<br />
Beitrag zur Fortentwicklung des europäischen Minderheitenschutzes.<br />
Auf dem Genfer Treffen werden<br />
wir uns für weitere Verbesserungen des europäischen<br />
Minderheitenstandards einsetzen.<br />
Ich habe schon gesagt: Minderheitenschutz und<br />
Schutz der Menschenrechte gehören eng zusammen.<br />
Eine Minderheit kann ihre Identität nur wahren, wenn<br />
sie ihr Anderssein als Gruppe und mittels der Gruppe