33. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991 2605<br />
Parl. Staatssekretär Hans-Peter Repnik<br />
des. Dazu dienen quantitative Kriterien, z. B. der Anteil<br />
der Militärausgaben an den staatlichen Ausgaben<br />
insgesamt und das Verhältnis von Militärausgaben<br />
zur Summe der Ausgaben für Gesundheit und Bildung.<br />
Dabei geht es um das relative Gewicht der Militärausgaben<br />
im Vergleich zum Entwicklungsstand des<br />
Landes und um das proportionale Gewicht im Vergleich<br />
zu anderen Ländern einer Region. Die quantitativen<br />
Daten können dann in eine qualitative Prüfung<br />
eingebracht werden. Hier spielt der Militarisierungsgrad<br />
eines Landes vor dem Hintergrund seiner<br />
Sicherheitsinteressen eine wichtige Rolle. Ein weiteres<br />
Kriterium ist die Bereitschaft des Landes, sich an<br />
internationalen Vereinbarungen über Rüstungskontrolle<br />
und insbesondere über den Verzicht auf Massenvernichtungswaffen<br />
zu beteiligen.<br />
Die Bundesregierung sieht es zwar nicht als ihre<br />
Aufgabe an, für die Entwicklungsländer eine Politik<br />
der Rüstungsbegrenzung zu definieren — sie bleibt<br />
souveräne Entscheidung der einzelnen Staaten —,<br />
dennoch hält die Bundesregierung es für geboten, bei<br />
ihrer Entscheidung über Art und Umfang der Entwicklungszusammenarbeit<br />
mit den jeweiligen Staaten<br />
Rüstungsausgaben als ein Element zu berücksichtigen.<br />
Darüber hinaus hat der Zusammenhang zwischen<br />
Rüstung und Entwicklung in den Politikdialog zwischen<br />
Geber- und Nehmerländern sowohl auf bilateraler<br />
als auch auf multilateraler Ebene bereits Eingang<br />
gefunden. Dabei wächst auch in den Partnerländern,<br />
in den Entwicklungsländern zunehmend die<br />
Einsicht, daß durch Einsparungen auf dem Gebiet der<br />
Rüstung Mittel für den Entwicklungsprozeß freigemacht<br />
werden müssen.<br />
Vizepräsident Hans Klein: Herr Abgeordneter, eine<br />
Zusatzfrage.<br />
Jürgen Augustinowitz (CDU/CSU): Herr Staatssekretär,<br />
vielen Dank für die ausführliche Beantwortung<br />
der Frage. Aber ein Punkt ist für mich offengeblieben:<br />
Wann, zu welchem Zeitpunkt ist mit der Vorlage dieser<br />
Kriterien zu rechnen?<br />
Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Ich habe<br />
darauf hingewiesen, daß wir diese Kriterien unter Zuhilfenahme<br />
wissenschaftlichen Rates erarbeiten. Die<br />
ersten Ansätze, die wir schon erarbeitet haben, finden<br />
bereits Anwendung bei der Erarbeitung der Rahmenplanung,<br />
die wir derzeit vornehmen. Wir sind also<br />
bereits dabei, einen Teil dessen, was wir erarbeitet<br />
haben, umzusetzen.<br />
Vizepräsident Hans Klein: Zweite Zusatzfrage.<br />
Jürgen Augustinowitz (CDU/CSU): Könnten Sie<br />
sich vorstellen, daß wir im Ausschuß für wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit derzeit bei der Beratung des<br />
Haushalts 1992 eine Liste Ihres Hauses bekommen,<br />
aus der hervorgeht, bei welchen Ländern es auf<br />
Grund übermäßig hoher Rüstungsausgaben zu einer<br />
Kürzung gekommen ist?<br />
Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Wir werden<br />
uns auf alle Fälle bemühen, auch diese Frage im<br />
Rahmen der Haushaltsberatungen transparent zu machen.<br />
Ich bin zu gegebener Zeit, wenn die Beratungen<br />
anstehen, selbstverständlich bereit, im Ausschuß für<br />
wirtschaftliche Zusammenarbeit Rede und Antwort zu<br />
stehen.<br />
Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage des Kollegen<br />
Bindig.<br />
Rudolf Bindig (SPD): Ich begrüße zunächst, daß Sie<br />
den Versuch unternehmen, das Kriterium „übermäßige<br />
Rüstungsausgaben" zu operationalisieren, nachdem<br />
von der Bundesregierung jahrelang die Auffassung<br />
vertreten worden ist, das sei nicht möglich. Sie<br />
haben soeben gesagt, das solle bei der Entwicklungshilfe<br />
nach Art und Umfang berücksichtigt werden. In<br />
welche Richtung denken Sie, wenn Sie von Berücksichtigung<br />
sprechen? Denken Sie in Richtung auf eine<br />
Kürzung von Entwicklungszusammenarbeit mit diesen<br />
Ländern, oder denken Sie in der Richtung, die<br />
Zusammenarbeit nur noch auf bestimmte Projekte<br />
auszurichten?<br />
Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege<br />
Bindig, Sie kennen als erfahrener Entwicklungspolitiker<br />
ja den breiten Ansatz der Instrumente, die<br />
uns zur Verfügung stehen.<br />
Das erste — und da sind wir schon mitten in der<br />
ersten Phase der Implementierung dieser Gedanken<br />
— ist der Politikdialog. Es ist zuerst einmal wichtig,<br />
daß wir alle unsere Partner im Süden für dieses<br />
Thema sensibilisieren. Sie wissen selbst, daß entsprechende<br />
Erkenntnisse bei vielen unserer Partner noch<br />
längst nicht Allgemeingut sind. Daher ist der Politikdialog<br />
der erste Einstieg. Sie müssen wissen, daß wir<br />
dieses Kriterium bei der Erarbeitung unserer Länderkonzepte<br />
und — als Ausfluß dessen — bei der Zusage<br />
bestimmter Mittel verstärkt heranziehen werden. Ich<br />
glaube, wir müssen unseren Partnern die Chance geben,<br />
sich darauf einzustellen.<br />
In weiteren Schritten wird eine Verweigerung im<br />
Rahmen dieses Dialogs Konsequenzen haben. Dies<br />
kann ein Einschränken der Entwicklungszusammenarbeit<br />
sein; dies kann eine Umwidmung der Mittel<br />
sein; dies kann bedeuten, daß man stärker versucht,<br />
über Nicht-Regierungsorganisationen die Probleme<br />
vor Ort zu lösen. Das Instrumentarium ist vielfältig.<br />
Wir werden keine Facette auslassen.<br />
Vizepräsident Hans Klein: Nächste Zusatzfrage,<br />
Herr Kollege Grünbeck.<br />
Josef Grünbeck (FDP) : Herr Staatssekretär, ist der<br />
Handlungsspielraum der Bundesregierung bei der<br />
Reduzierung von Rüstungspotential in Entwicklungsländern<br />
nicht durch unsere bestehenden Kooperationsverträge<br />
eingeengt, und müßte man nicht ein Ziel<br />
der Bundesregierung darin sehen, daß bei künftigen<br />
Kooperationsverträgen auf die Entwicklungsländer<br />
besondere Rücksicht genommen wird, damit kooperative<br />
Rüstungsproduktionen für Entwicklungsländer<br />
reduziert werden?<br />
Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege<br />
Grünbeck, wir müssen hier differenzieren. Gegenstand<br />
der bisherigen Fragen war die Rüstungsent-