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33. Sitzung - Deutscher Bundestag

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2656 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991<br />

Dr. Hermann Schwörer<br />

der EG im Bundesrecht. Zur Vermeidung von Diskriminierungen<br />

von Bietern bei der Vergabe öffentlicher<br />

Aufträge hatte die Kommission 1988 die obengenannten<br />

Richtlinien vorgelegt mit dem Ziel, ein eigenes<br />

Vergabegesetz für diesen Zweck zu erreichen.<br />

In den Verhandlungen setzte sich die deutsche Delegation<br />

dafür ein, erstens die angestrebten Ziele der<br />

Richtlinien durch die Angleichung von VOB und VOL<br />

an den Inhalt der Richtlinie zu verwirklichen und damit<br />

unser bewährtes deutsches Vergabesystem zu behandeln<br />

und zweitens die Nachprüfung einer Entscheidung<br />

der ersten Instanz nicht durch ein Gericht,<br />

schon gar nicht durch ein Verwaltungsgericht, sondern<br />

durch eine gerichtsähnliche Instanz im Verwaltungswege<br />

zu erreichen.<br />

Dieser deutsche Sonderweg wurde in Brüssel akzeptiert,<br />

vor allem nachdem sich der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />

einstimmig für die Erhaltung des deutschen<br />

Vergabeverfahrens ausgesprochen und sich das Europäische<br />

Parlament der deutschen Position angeschlossen<br />

hatte.<br />

Nun hat sich die Bundesregierung darangemacht,<br />

diese Richtlinie durch eine Novelle zum Haushaltsgrundsätzegesetz<br />

in deutsches Recht umzusetzen. Sie<br />

liegt nun im Rohentwurf vor und ist zwischen den<br />

Behörden des Bundes und der Länder fachlich abgestimmt.<br />

Plötzlich gibt es Schwierigkeiten. Durch ein Schreiben<br />

der Europäischen Kommission wurde das früher<br />

Abgesprochene und im Gesetzgebungsverfahren Abgeschlossene<br />

aus rechtlichen Gründen in Frage gestellt.<br />

Die Arbeiten kamen ins Stocken. Die heutige<br />

Debatte soll dafür sorgen, daß die Umsetzung weitergeht,<br />

daß also das von der Bundesregierung ausgearbeitete<br />

Gesetz dem <strong>Bundestag</strong> auch vorgelegt wird.<br />

Ich möchte mich nun mit den rechtlichen Bedenken<br />

befassen, die hiergegen vorgebracht werden und die<br />

nach meiner Meinung unbegründet sind.<br />

Das erste Argument: Die Kommission verlange ein<br />

Vergabegesetz, um damit einen subjektiven Anspruch<br />

im Sinne eines Klagerechts zu verwirklichen.<br />

Diese Forderung der Kommission gab es. Das ist richtig.<br />

Aber bereits in einer früheren Phase, nämlich bei<br />

der Beratung in den europäischen Gremien, ist diese<br />

Richtung der Kommission für die Bundesrepublik fallen<br />

gelassen worden, wie ich schon dargestellt habe.<br />

Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie diese Richtung<br />

nun plötzlich wieder einbringen will. Ich bin der Meinung,<br />

sie muß bei der früher erklärten Haltung bleiben.<br />

Damit kann sie diese Forderung jetzt nicht mehr<br />

stellen.<br />

-<br />

Das zweite, die Berufung auf den EuGH, den Europäischen<br />

Gerichtshof: Dieser wolle ein Klagerecht vor<br />

ordentlichen Gerichten. Auch dieses Argument zieht<br />

nicht. Ein subjektiver Anspruch nach EG-Recht verlangt<br />

nicht unbedingt ein Gerichtsverfahren in der<br />

zweiten Instanz. Es muß nur sichergestellt werden,<br />

daß ein Verstoß gegen Vergaberichtlinien rasch und<br />

wirksam abgestellt wird. Das ist auch im Rahmen des<br />

Haushaltsrechts möglich, so wie es jetzt vorgesehen<br />

ist. Der Europäische Gerichtshof überläßt es nach seiner<br />

bisherigen Rechtsprechung jedem Mitgliedstaat,<br />

wie er die Überprüfung von Rechten, die aus umge<br />

setzten Richtlinien erwachsen, ausgestalten wird. Das<br />

ergibt sich aus seiner bisherigen Rechtsprechung zu<br />

§ 77 des EWG-Vertrages. Auch die Kommission hat<br />

bei der Verabschiedung der Richtlinie durch den Ministerrat<br />

am 21. Dezember 1989 nicht Bedenken aus<br />

der Rechtsprechung des EuGH geltend gemacht.<br />

Das dritte Argument. Es wird behauptet, ohne ein<br />

Vergabegesetz komme es zu einem Durcheinander<br />

von Rechtsbehelfen. Auch das ist nicht richtig. Zwar<br />

ist der Rechtsweg durch die haushaltsrechtliche Lösung<br />

nicht ausgeschlossen. Es ist aber wenig wahrscheinlich,<br />

daß dieser zusätzlich eingeschlagen wird.<br />

Es ist auch heute schon möglich, neben dem VOB-<br />

Verfahren ein Gerichtsverfahren zu erzwingen. Trotzdem<br />

ist es nicht zu einem Durcheinander gekommen.<br />

Warum sollte es in Zukunft so sein, wenn eine funktionierende<br />

Überwachungs- und darüber hinaus eine<br />

unabhängige Instanz existiert?<br />

Viertens. Es wird behauptet, der Bieter könne auf<br />

Grund Art. 19 des Grundgesetzes das Eingreifen eines<br />

Verwaltungsgerichts fordern. Auch das ist nicht richtig.<br />

Die Rechtsweggarantie nach Art. 19 Abs. 4 des<br />

Grundgesetzes gilt nur für Rechtsverletzungen durch<br />

die öffentliche Gewalt. Die Vergabe öffentlicher Aufträge<br />

ist jedoch keine hoheitliche, sondern eine fiskalische<br />

Tätigkeit.<br />

Zusammengefaßt: Die vorgesehene haushaltsrechtliche<br />

Lösung ist rechtlich nicht zu beanstanden und<br />

für jeden seriösen Bieter sogar ein Vorteil. Sie schafft<br />

eine Beschwerdeinstanz, die mit Fachleuten des Vergaberechts<br />

besetzt ist. Diese werden für eine schnelle<br />

Abwicklung der Streitigkeiten sorgen — und gerade<br />

diese zügige Erledigung von Differenzen ist ein Erfordernis<br />

unserer Zeit. Alle Bauverwaltungen können ein<br />

Lied davon singen, wieviel Mehrkosten aus Steuermitteln<br />

- aufgebracht werden müssen infolge monate<br />

oder gar jahrelanger Verzögerungen durch zeitraubende<br />

Verwaltungsgerichtsverfahren bei Planfeststellungen.<br />

Wenn diese Verzögerungen auch bei der<br />

Vergabe noch möglich werden, dann wäre eine zügige<br />

Baudurchführung wichtiger öffentlicher Bauvorhaben<br />

überhaupt nicht mehr möglich. Deshalb unterstützt<br />

der Wirtschaftsausschuß, der für diese Mate rie<br />

federführend ist, das Petitum des Bauausschusses, die<br />

begonnene Umsetzung fortzuführen.<br />

Diesem Vorstoß parallel läuft ein Antrag des für<br />

diese Materie im Bundesrat federführenden Landes<br />

Baden-Württemberg. Dort wird verlangt, VOB und<br />

VOL weiterhin beizubehalten und Verwaltungsverfahren<br />

für die Überwachung einzurichten. Dort wird<br />

auch verlangt, die abgesprochenen Arbeiten für die<br />

haushaltsrechtliche Umsetzung umgehend fortzusetzen<br />

und das Gesetzgebungsverfahren einzuleiten.<br />

Dieser Forderung schließe ich mich vollinhaltlich an.<br />

Die Bundesregierung sollte den ausgearbeiteten Entwurf<br />

fertigstellen und umgehend dem Parlament zur<br />

Beschlußfassung vorlegen.<br />

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)<br />

Vizepräsident Hans Klein: Frau Abgeordnete<br />

Gabriele Iwersen, Sie haben das Wort.

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