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33. Sitzung - Deutscher Bundestag

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2650 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991<br />

Dr. Dagmar Enkelmann<br />

Bürger im Umgang mit den neuen Gesetzlichkeiten,<br />

den Behörden, den Zuständigkeiten usw. als auch in<br />

den zahlreichen im Einigungsvertrag unzureichend<br />

gelösten Problemen begründet.<br />

(Beifall bei der PDS/Linke Liste)<br />

Oftmals haben sich die Bürgerinnen und Bürger vor<br />

dem Einschalten des Petitionsausschusses des <strong>Bundestag</strong>es<br />

bereits an andere staatliche Stellen oder parlamentarische<br />

Organe gewandt und dort entweder<br />

kein Gehör oder keine Abhilfe gefunden. Nach meinem<br />

Verständnis zeugen viele Petitionen von zwei<br />

sich nur scheinbar widersprechenden Erscheinungen:<br />

Sie zeugen von gewachsener Mündigkeit der Bürger<br />

gegenüber dem Staat und von wachsender Müdigkeit<br />

oder auch Verdrossenheit dem Staat gegenüber.<br />

Der Inhalt der Petitionen und die Stellungnahmen<br />

von betroffenen Behörden und Ämtern zeugen sehr<br />

oft von bürokratischem, engherzigem Handeln. Sie<br />

zeugen auch von dem Gefühl der Ohnmacht gegenüber<br />

einer allmächtigen Bürokratie und Staatsmaschinerie.<br />

Oftmals scheint der Petitionsausschuß die<br />

letzte Rettung zu sein,<br />

(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Na, na! —<br />

Zuruf von der CDU/CSU: Die letzte In<br />

stanz!)<br />

eine Hoffnung, die aber eben leider nur selten erfüllt<br />

werden kann.<br />

In diesem Zusammenhang ist es untragbar, wenn in<br />

einigen Stellungnahmen derer, über die Beschwerde<br />

geführt wird, Beklagte zu Klägern werden; Kollege<br />

Peter hat bereits auf Beispiele dafür hingewiesen.<br />

(Zuruf von der CDU/CSU: Ein Beispiel!)<br />

Wünschenswert wäre auch eine generelle unabhängige<br />

Begutachtung, die nicht nur rechtliche, sondern<br />

auch soziale, ethisch-moralische, einfach menschliche<br />

Aspekte des konkreten Einzelfalls berücksichtigen<br />

würde, also die Frage des Härtefalls.<br />

Meiner Auffassung nach sind aber gerade die Petitionen<br />

aus den neuen Bundesländern nicht selten ein<br />

Anzeiger dafür, daß manches, was in der Regierung<br />

bzw. im <strong>Bundestag</strong> quasi am grünen Tisch entschieden<br />

wurde, praktisch nicht funktionieren kann. Sie<br />

belegen in bezug auf eine Reihe von Kernproblemen<br />

die Inkompetenz und die fehlende Sachkenntnis dieser<br />

Bundesregierung.<br />

(Dr. Barbara Höll [PDS/Linke Liste]: Ge<br />

nau!)<br />

Oder sollte ich besser sagen: Sie sprechen - für die fehlende<br />

Bereitschaft der Bundesregierung, die tatsächlichen<br />

Probleme in den neuen Bundesländern zur<br />

Kenntnis zu nehmen?<br />

(Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!)<br />

Das betrifft meines Erachtens insbesondere Petitionen,<br />

deren Inhalt sich auf die Regelung offener Vermögensfragen,<br />

die Sicherung der medizinischen Versorgung,<br />

die Rehabilitierung und das Rentenrecht beziehen.<br />

Hier ist die Bundesregierung gefordert, konsequent<br />

und schnell zu reagieren. Das wird aber wohl<br />

auch in Zukunft eine Illusion bleiben, stellt doch selbst<br />

der vorliegende Bericht fest — ich zitiere —:<br />

... daß die Bundesregierung im Berichtsjahr<br />

1990 wiederum in einer Reihe von Fällen Berücksichtigungsbeschlüssen<br />

des <strong>Bundestag</strong>es nicht<br />

oder nicht im vollen Umfang gefolgt ist, obwohl<br />

diese Beschlüsse das Ersuchen des <strong>Bundestag</strong>es<br />

beinhalten, für Abhilfe zu sorgen.<br />

Was in diesem Be richt da so harmlos klingt, heißt im<br />

Klartext, daß 1990 z. B. von 90 Petitionen, die der Regierung<br />

zur Berücksichtigung überwiesen wurden, lediglich<br />

28 positiv erledigt wurden. Hier muß sich die<br />

Bundesregierung fragen lassen: Wie ernst nimmt sie<br />

eigentlich die Beschlüsse des <strong>Bundestag</strong>es, wie ernst<br />

nimmt sie die Abgeordneten dieses Hohen Hauses,<br />

wie ernst nimmt sie vor allem die Bitten und Beschwerden<br />

der Bürgerinnen und Bürger?<br />

Der Bericht macht deutlich, daß verstärkt darüber<br />

nachgedacht werden sollte, wie eine höhere Verbindlichkeit<br />

erreicht werden kann, daß also Berücksichtigungsbeschlüsse<br />

des <strong>Bundestag</strong>es eben auch Berücksichtigung<br />

durch die Regierung erfahren müssen. Petitionsausschuß<br />

und <strong>Bundestag</strong> sollten ihr Kontrollrecht<br />

gegenüber der Regierung mit mehr Nachdruck<br />

und Konsequenz wahrnehmen.<br />

Abschließend noch einige Bemerkungen aus aktuellem<br />

Anlaß. Am Freitag wird der <strong>Bundestag</strong> in zweiter<br />

und dritter Lesung das Rentenüberleitungsgesetz<br />

beraten. Gegen diesen Entwurf sind bereits eine<br />

Reihe von Petitionen und Unterschriftensammlungen,<br />

u. a. der Brandenburgischen Rentnerinitiative, eingegangen.<br />

Ihre Anliegen sollten vor der Entscheidung<br />

— —<br />

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Frau Abgeordnete<br />

Enkelmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten<br />

Nolting?<br />

Dr. Dagmar Enkelmann (PDS/Linke Liste): Ich habe<br />

noch einen letzten Satz, und den würde ich gern zu<br />

Ende führen.<br />

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Aber dann.<br />

(Günther Fried rich Nolting [FDP]: Aber dann<br />

darf ich die Frage stellen!)<br />

Dr. Dagmar Enkelmann (PDS/Linke Liste): Die Anliegen<br />

dieser Petitionen, dieser Unterschriftensammlungen<br />

sollten vor der Entscheidung sorgfältig geprüft<br />

und in die nötige Sachkompetenz einbezogen werden.<br />

Das jedenfalls würde dem Petitionsausschuß viel<br />

Arbeit im nachhinein ersparen.<br />

(Beifall bei der PDS/Linke Liste sowie bei<br />

Abgeordneten der SPD)<br />

Jetzt dürfen Sie.<br />

Günther Friedrich Nolting (FDP): Frau Kollegin, Sie<br />

haben gerade in Zweifel gezogen, daß die Bundesregierung<br />

die Voten des Petitionsausschusses berücksichtigt.<br />

Darf ich Sie fragen: Wie hat denn die SED-<br />

Regierung die Beschlüsse der Volkskammer berücksichtigt?<br />

Dies auch vor dem Hintergrund, daß Sie seit<br />

1977 Mitglied der SED sind.<br />

Dr. Dagmar Enkelmann (PDS/Linke Liste): Das<br />

Thema dieser Debatte ist der Bericht des Petitionsausschusses<br />

für das Jahr 1990, und zu dem habe ich hier

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