33. Sitzung - Deutscher Bundestag
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2562 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991<br />
Dr. Peter Glotz<br />
als Friedensengel und Weltpolizisten große Erfolge<br />
feiern könnten.<br />
(Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Aber Herr Glotz,<br />
das geht zu weit!)<br />
— Ich habe doch gewußt, daß ich wenigstens eine<br />
Bemerkung mache, die nicht auf die volle Zustimmung<br />
des ganzen Hauses trifft.<br />
(Friedrich Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]:<br />
Das ist Ihr gutes Recht! — Weitere Zurufe von<br />
der CDU/CSU)<br />
Ich füge jetzt hinzu: An militärische Interventionen<br />
oder an pseudomilitärische Interventionen denkt niemand.<br />
Das ist unsere gemeinsame Auffassung.<br />
(Zuruf von CDU/CSU: Sehr richtig!)<br />
Wenn ich auf die jugoslawischen Konflikte schaue,<br />
dann möchte ich unterstreichen und mit Unterstützung<br />
zitieren, was heute der Außenminister der<br />
Tschechoslowakei in einem Interview, das in Deutschland<br />
veröffentlicht wurde, gesagt hat:<br />
Die Geschichte hat uns im Übermaß darüber belehrt,<br />
— sagt Herr Dienstbier —<br />
daß der ethnische und ideologisch fundierte Nationalstaat<br />
die Menschenrechte ebensowenig garantieren<br />
kann wie eine moderne Entwicklung.<br />
Nur die Idee der Menschenrechte und des<br />
citizenship können heute die Basis des Staates<br />
sein. Auf Jugoslawien bezogen: Es gibt doch<br />
nicht nur religiöse, kulturelle und politische Unterschiede.<br />
Es gibt auch ein starkes ökonomisches<br />
Gefälle. Daraus folgt die Notwendigkeit der Solidarität<br />
zwischen den verschiedenen Republiken.<br />
Meine Damen und Herren, ich halte diese Äußerung<br />
des tschechoslowakischen Außenministers für<br />
absolut richtig.<br />
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der<br />
FDP)<br />
Lassen Sie mich abschließend sagen: Die Europäische<br />
Gemeinschaft hat in diesen Prozessen, sowenig<br />
sie und ihre Mitgliedstaaten direkt involviert sind,<br />
eine große Verantwortung. Als Mitglied dieser Gemeinschaft<br />
sollten wir sagen: Wir sind am jugoslawischen<br />
Dialog interessiert. Wir verurteilen Menschenrechtsverletzungen.<br />
Der Weg nach Europa kann nur<br />
erfolgreich beschritten werden, wenn die Prinzipien<br />
der KSZE eingehalten werden. Aus diesem Grund<br />
ersuchen wir die Bundesregierung, im Europarat eine<br />
Initiative zu ergreifen und dafür zu sorgen, daß das<br />
jugoslawische Thema auf die Tagesordnung gesetzt<br />
wird.<br />
Herzlichen Dank.<br />
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der<br />
FDP sowie bei Abgeordneten der PDS/Linke<br />
Liste)<br />
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster hat das<br />
Wort der Abgeordnete Dr. Olaf Feldmann.<br />
Dr. Olaf Feldmann (FDP): Frau Präsidentin! Meine<br />
sehr verehrten Damen und Herren! Die Entwicklung<br />
in Jugoslawien macht uns als Europäern Sorge. Sie<br />
macht uns betroffen. Jugoslawien steht vor einer der<br />
schwersten Herausforderungen seiner jüngeren Geschichte.<br />
Wir haben hier im Hause in der Beurteilung<br />
der Situation eine große Übereinstimmung. Während<br />
in Europa die Zeichen der Zeit auf Einigung und Zusammenarbeit<br />
stehen, droht die jugoslawische Föderation<br />
auseinanderzubrechen. Jugoslawien hat in dieser<br />
schwierigen Situation einen moralischen und meines<br />
Erachtens auch politischen Anspruch auf unsere<br />
Hilfe und Solidarität. Diese Hilfe ist eine europäische<br />
Aufgabe.<br />
Unser Engagement für eine friedliche Lösung der<br />
Krise in Jugoslawien ist keine Einmischung. Die Vorredner<br />
haben darauf schon hingewiesen. Ich möchte<br />
das ausdrücklich auch für die FDP unterstreichen. Wir<br />
mischen uns auch nicht in die Auslegung der jugoslawischen<br />
Verfassung ein. Es hat da Irritationen gegeben.<br />
Wir können und wollen Jugoslawien nicht vorschreiben,<br />
welchen Weg es zur Lösung seiner Krise<br />
wählt. Unser wichtigstes Signal ist, daß wir Jugoslawien<br />
auf dem von seiner Bevölkerung gewählten Weg<br />
unterstützen, soweit dies ein gewaltfreier und demokratischer<br />
Weg ist und er die Selbstbestimmung und<br />
die Achtung der Menschenrechte garantiert.<br />
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten<br />
der CDU/CSU und der SPD)<br />
Meine Damen und Herren, dies ist keine Frage der<br />
Staatsform: Weder führt der zentralistische Staat automatisch<br />
zu Menschenrechtsverletzungen, noch lösen<br />
selbständige Republiken automatisch alle Probleme.<br />
Das ist wirklich keine Frage der Staatsform.<br />
Menschenrechte sind unteilbar. Die individuellen<br />
Menschenrechte sind mit dem Schutz der Minderheiten<br />
untrennbar verbunden. Ohne die Gewährung ihrer<br />
nationalen, ethnischen, kulturellen und religiösen<br />
Rechte kann es eine friedliche und dauerhafte Lösung<br />
der jugoslawischen Krise nicht geben.<br />
Minderheiten können in einem gemeinsamen Europa<br />
ein wichtiges Bindeglied zwischen den Staaten<br />
und Völkern sein. Wo die Minderheiten unterdrückt<br />
werden, entstehen Konflikte und erwachsen damit<br />
Gefahren für den Frieden. Der Schutz von Minderheiten<br />
ist — das ist auch schon in dem ersten Punkt der<br />
heutigen Tagesordnung zum Ausdruck gekommen —<br />
eine zentrale Aufgabe einer Friedenspolitik für Europa.<br />
Nicht nur die EG, sondern auch der Europarat und<br />
vielleicht mehr noch die KSZE sind die richtigen Gremien,<br />
um zu einer gewaltfreien und demokratischen<br />
Lösung der Krise beizutragen. Die FDP unterstützt<br />
deshalb die Forderung, in diesem europäischen Rahmen<br />
eine unparteiische Untersuchung der gegenseitigen<br />
Vorwürfe über Menschenrechtsverletzungen im<br />
Kosovo anzubieten, wie wir es in unserem Entschließungsantrag<br />
gemeinsam vorgeschlagen haben. Der<br />
Europarat und die KSZE sind gefordert, eine Plattform<br />
für einen Dialog zwischen den verfeindeten und meist<br />
sprachlosen Bevölkerungsgruppen zu bieten. Wir begrüßen<br />
ausdrücklich, daß sich die Außenministerkonferenz<br />
in Berlin mit der Krise in Jugoslawien befassen<br />
wird. Die demokratische Bewältigung der jugoslawi-