33. Sitzung - Deutscher Bundestag
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2694 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991<br />
tätigen will. Ich heiße dies nicht gut, aber ich sehe, daß<br />
die schmerzlich erwarteten Investitionsentscheidungen<br />
aufgeschoben werden.<br />
Es zeichnet sich ab, daß Deutschland als Standort<br />
der Energieerzeugung verlorengeht. Dies mag der<br />
rot-grünen Zielsetzung entsprechen. Was gewinnen<br />
wir aber, wenn die Anlagen jenseits unserer Grenzen<br />
errichtet werden, ohne daß sie dort unseren höchsten<br />
sicherheitstechnischen Anforderungen genügen müssen?<br />
Wir verlieren ein Stück Zukunft. Ist sich die Opposition<br />
überhaupt bewußt, welchen ungeheuren Schaden<br />
sie anrichtet? Daß die Gruppe PDS/Linke Liste mit<br />
dieser Aktuellen Stunde noch ihr destruktives politisches<br />
Süpplein daraus kochen will, ist so kläglich, daß<br />
man darüber besser schweigt.<br />
Dietmar Schütz (SPD): Wer bei der Durchsetzung<br />
von Recht und Rechtspositionen nur noch Verletzungen<br />
und Betroffenheit hinterläßt, hat entweder selbst<br />
etwas sehr falsch gemacht, oder aber das Umfeld der<br />
Rechtsakzeptanz ist schon so aufgewühlt, daß bei der<br />
Rechtsdurchsetzung nur noch Verwundungen auf treten.<br />
Die Rückführung der konditionierten radioaktiven<br />
Abfälle aus Mol zum Zwischenlager Gorleben und<br />
deren Begleitumstände zeigen, daß beides — Art und<br />
Weise der Rechtsdurchsetzung — zu weiteren Verhärtungen<br />
geführt haben und daß das politische Umfeld<br />
der Atompolitik nicht nur in Gorleben nicht oder<br />
nicht mehr akzeptiert wird. Viele von uns haben noch<br />
die quälenden Vernehmungen im Transnuklearatomskandal-Untersuchungsausschuß<br />
in Erinnerung. Wir<br />
erinnern uns an die Schlampereien in Mol, bei deren<br />
Konditionierungsarbeiten keiner wußte, ob die Abfälle<br />
aus X tatsächlich wieder dorthin zurückgingen.<br />
Wir haben alle um die Unvermeidbarkeit von Querkontaminationen<br />
in Mol erfahren. Auf dem Hintergrund<br />
dieser Erfahrung, die monatelang die bundesdeutsche<br />
Öffentlichkeit beschäftigt hat, ist deshalb<br />
mit diesen ersten Rückführungen von Atommüll aus<br />
Mol sehr sensibel umzugehen.<br />
Zur Sache. Die noch in den letzten Tagen der Albrecht-Regierung<br />
geänderten Verwaltungsbestimmungen<br />
zu den Aufnahmebedingungen für das Faß<br />
lager Gorleben kennen zwar keine Beschränkungen<br />
der einzulagernden Abfälle auf solche aus bundesdeutschen<br />
Kernkraftwerken mehr — was ich aus Akzeptanzgründen<br />
für äußerst problematisch halte —,<br />
gleichwohl war der Antrag der Lagergesellschaft<br />
-<br />
Gorleben<br />
ausdrücklich auf die Zulassung der Zwischenlagerung<br />
von konditionierten Mischabfällen aus den<br />
Kernkraftwerken Krümmel und Neckar-Westheim<br />
gerichtet. Ich halte es deshalb — vor allem angesichts<br />
der vergangenen Diskussion um die Atommüllschiebereien<br />
und angesichts der Akzeptanzsituation vor<br />
Ort — für mehr als legitim, daß das Umweltministerium<br />
in Hannover die Frage, woher die Mischabfälle<br />
kommen, gründlich prüfen wollte, bevor die endgültige<br />
Zwischenlagerung genehmigt wurde.<br />
Diese Forderung des Umweltministeriums nach einem<br />
lückenlosen Identitätsnachweis wird am 13. Juni<br />
gestellt. Am 14. Juni wird deshalb eine bereits erteilte<br />
endgültige Genehmigung so lange zurückgenommen,<br />
bis ein Identitätsnachweis erbracht wird. Am<br />
gleichen Tag ordnet das Bundesumweltministerium<br />
dagegen eine Zulassung der Einlagerung bis zum<br />
nächsten Tag an. Durch ausdrücklich bundesaufsichtliche<br />
Weisung am Sonntag, dem 16. Juni, wird dies<br />
durchgesetzt.<br />
Dieser sehr verkürzt dargestellte Ablauf läßt für den<br />
Beobachter der Szene nur noch den Schluß zu, daß das<br />
Weisungsinstrumentarium aus Art. 85 GG hier nur<br />
noch im Muster Befehl und Gehorsam vom Feldwebel<br />
Töpfer zu den niedersächsischen Soldaten gebraucht<br />
wurde.<br />
Ist es unsinnig, darüber nachzudenken, ob es sinnvoll<br />
ist, einen Identitätsnachweis führen zu müssen,<br />
weil es eben auch sinnvoll ist, nur eigene bundesdeutsche<br />
Abfälle wieder aufzunehmen? Wäre es nicht vernünftig<br />
gewesen, eine vorläufige Unterbringung im<br />
Faßlager zu vereinbaren, um das Identitätsproblem zu<br />
erörtern und nicht nur per Verfügung miteinander<br />
umzugehen? Kann man bundesfreundliches Verhalten<br />
von Niedersachsen nachhaltig anfordern, wenn<br />
von einem länderunfreundlichen Verhalten des Bundes<br />
durch das scharfe Handhaben bundesaufsichtlicher<br />
Instrumente gesprochen werden muß?<br />
Die Art und Weise der Rechtsdurchsetzung hat<br />
überflüssige Verletzung erzeugt, die ein Rechtsstaat<br />
so nicht zufügen sollte.<br />
Von dem Umfeld der Rechtsakzeptanz habe ich<br />
noch gar nicht gesprochen. Ich frage mich, wie lange<br />
wir, wie lange unser Staat es durchhalten will, eine<br />
völlig ungeklärte Endlagersituation vor sich herzuschieben.<br />
Wie lange will er jeden Schritt, der in Beziehung<br />
zu einem Atomkraftwerk steht, mit Polizeigewalt<br />
durchsetzen?<br />
Die Akzeptanz der Atomenergie — das zeigen immer<br />
wieder die konkreten Situationen, das zeigen<br />
aber genauso die Umfrageergebnisse — ist und bleibt<br />
nicht vorhanden. Wir müssen deshalb dazu kommen,<br />
einen energiewirtschaftlichen Konsens zu erreichen,<br />
der auf der Grundlage des Ausstiegs aus der Atomenergie<br />
erreicht werden muß. Jedenfalls kann es aber<br />
keinen energiewirtschaftlichen Konsens bei Feldwebelattitüden<br />
geben. Wer den Konsens will, darf vorher<br />
nicht nur den Büttel spielen.<br />
Heinrich Seesing (CDU/CSU): Erstens. Da gibt es<br />
eine Partei, die hat einmal laut ihrer Sorge Ausdruck<br />
gegeben, daß CDU und CSU Hindernisse sein würden<br />
auf dem nun einmal notwendigen Weg, viel und sichere<br />
Energie zu schaffen. Gemeint war die Kernenergie.<br />
Gesprochen wurden solche und ähnliche<br />
Sätze im Deutschen <strong>Bundestag</strong> Ende der 50er Jahre.<br />
Die Redner gehörten der SPD-Fraktion an. Ich muß<br />
die SPD loben, die damalige SPD. Denn es ist damals<br />
gelungen, einen weitgehenden Konsens in der Energiepolitik<br />
zu finden. Eine herausragende Stellung<br />
nahm die Kernenergie ein. Wer zur Kernenergie ja<br />
sagt, hatte auch zur Wiederaufarbeitung und zur Endlagerung<br />
ja gesagt. Die tollsten Anlagen wurden mit<br />
der SPD gebaut. Viele Kernkraftwerke produzieren<br />
Strom. Hochtemperaturreaktoren und Schnelle Brüter<br />
stehen als Denkmäler dieser SPD-Ära in deutschen