33. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991 2709*<br />
- Bei strukturellen Verbesserungen im Besoldungs<br />
und Versorgungsrecht fehlt es nach unserer Auffassung<br />
seit langem an einem Gesamtkonzept. Der von<br />
der Bundesregierung in der vergangenen Wahlperiode<br />
vorgelegte Bericht zur strukturellen Entwicklung<br />
des öffentlichen Dienstrechtes verdient diesen<br />
Namen eigentlich nicht. Er beschränkt sich auf einige<br />
punktuelle Maßnahmen und klammert wesentliche<br />
Probleme aus.<br />
Selbstverständlich muß anerkannt werden, daß im<br />
Augenblick zweifellos der Aufbau leistungsfähiger öffentlicher<br />
Verwaltungen in den neuen Bundesländern<br />
und in den Gemeinden stark im Vordergrund steht.<br />
Dies kann aber wiederum nicht bedeuten, daß wir die<br />
notwendige sachgerechte Fortentwicklung der Strukturen<br />
des öffentlichen Dienstes in den alten Ländern<br />
vernachlässigen dürfen. Beide Aufgaben — die Entwicklung<br />
des öffentlichen Dienstes in Ost und West —<br />
müssen im Zusammenhang gesehen werden. Deshalb<br />
erscheint es mir sinnvoll, daß die Bundesregierung in<br />
einem Bericht die gegenwärtige Situation des öffentlichen<br />
Dienstes einmal umfassend darstellt.<br />
Darüber hinaus muß der Strukturbericht mit Vorschlägen<br />
zur Fortentwicklung des öffentlichen Dienstrechtes<br />
in dieser Wahlperiode fortgeschrieben werden.<br />
Nach unserer Auffassung muß das Bezahlungs<br />
-<br />
und Laufbahnrecht im Rahmen eines Gesamtkonzeptes<br />
anforderungs- und funktionsgerechter ausgestaltet<br />
und die Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen<br />
Dienstes im Vergleich zur Wirtschaft, die heute vielfach<br />
nicht mehr gewährleistet ist, hergestellt werden.<br />
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einmal<br />
das Stichwort Wettbewerbsfähigkeit aufgreifen und<br />
ein Problem ansprechen, was offensichtlich einen<br />
dringenden Handlungsbedarf aufzeigt. In den sogenannten<br />
Ballungsräumen scheint es immer schwieriger<br />
zu werden, Bedienstete für den öffentlichen<br />
Dienst zu bekommen und damit auch dem Sicherstellungsauftrag<br />
gerecht zu werden. Die öffentliche Seite<br />
ist zunehmend in Gefahr, ihre Wettbewerbsfähigkeit<br />
auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere in den von mir<br />
angesprochenen Ballungsräumen, zu verlieren.<br />
Ich bin mir darüber im klaren, daß eine Schwierigkeit<br />
darin liegt, den Begriff Ballungsraum korrekt und<br />
eingrenzend zu definieren. Allerdings denke ich, sollten<br />
wir trotzdem vor diesen Herausforderungen nicht<br />
die Augen verschließen und uns gemeinsam bemühen,<br />
in diesem Bereich Lösungsvorschläge zu erarbeiten.<br />
Selbstverständlich kann dies nicht ungeachtet der<br />
Tatsache geschehen, daß hier insbesondere mit den<br />
betroffenen Ländern und Gemeinden eine Absprache -<br />
gefunden werden muß, zumal damit ein erheblicher<br />
finanzieller Aufwand auch für sie verbunden wäre.<br />
Wir sollten den öffentlichen Dienst als Dienst für<br />
den Bürger durch den Bürger künftig stärker im öffentlichen<br />
Bewußtsein verankern. Wie gerade ein<br />
Blick in die neuen Länder zeigt, hängen der Wohlstand<br />
der Bürger und die Qualität ihres Lebens heute<br />
ebenso von Gemeinschaftseinrichtungen ab wie von<br />
privaten Einkommen und Konsum. Nicht ein anonymer<br />
Staat hat Bedürfnisse, sondern die Bürgerinnen<br />
und Bürger. Sie und die Beschäftigten im öffentlichen<br />
Dienst können erwarten, daß sich Regierungen und<br />
politische Parteien zu ihrer Verantwortung für den<br />
öffentlichen Dienst bekennen.<br />
Viele Beschäftigte des öffentlichen Dienstes tun oftmals<br />
mehr als ihre Pflicht. Der öffentliche Dienst sollte<br />
nicht zum Prügelknaben der Nation gemacht werden.<br />
Den Beschäftigten gebührt unser Dank. Mehr noch:<br />
sie können erwarten, daß wir uns um ihre Probleme<br />
kümmern. Das wollen wir auch bei den Beratungen<br />
des anstehenden Gesetzentwurfes tun.<br />
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes<br />
minister des Innern: Mit dem Entwurf des Bundesbesoldungs-<br />
und -versorgungsanpassungsgesetzes<br />
1991 legt die Bundesregierung dem Hohen Haus die<br />
notwendigen und angemessenen Maßnahmen zur<br />
Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge in<br />
Bund und Ländern vor.<br />
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung übernimmt<br />
für die Beamten, Richter, Soldaten und Versorgungsempfänger<br />
das Ergebnis der Tarifverhandlungen<br />
vom 16. März 1991 mit demselben Erhöhungssatz<br />
von 6 v. H. Neben den auch bisher in die Linearanpassung<br />
einbezogenen Bezügebestandteilen sind diesmal,<br />
den Absichtserklärungen auch dieses Hauses<br />
entsprechend, bestimmte Stellenzulagen mit erhöht<br />
worden. Ich nenne insbesondere die allgemeine Stellenzulage,<br />
die Polizei- und Feuerwehrzulage sowie<br />
die Sicherheitszulagen.<br />
Die vorgeschlagene Anhebung um 6 % kann sich —<br />
auch im Verhältnis zur gewerblichen Wirtschaft —<br />
durchaus sehen lassen. Sie ist angesichts der Gesamtentwicklung<br />
als solide und bef riedigend anzusehen.<br />
Gemessen an der zu erwartenden Preissteigerungsrate<br />
ergibt sich für die Mitarbeiter des öffentlichen<br />
Dienstes ein deutlicher realer Einkommenszuwachs.<br />
Der öffentliche Dienst hält damit Anschluß an die positive<br />
allgemeine Entwicklung und wird nicht abgekoppelt.<br />
Die Linearanpassung berücksichtigt aber auch<br />
gleichzeitig die Situation der öffentlichen Haushalte<br />
besonders mit Blick auf den Wiederaufbau in den<br />
neuen Bundesländern. Nach dem Gesetzentwurf treten<br />
die Erhöhungen für Beamte, Richter, Soldaten und<br />
Versorgungsempfänger zwei Monate später, als es<br />
der Tarifabschluß für Arbeiter und Angestellte vorsieht,<br />
in Kraft, also nicht zum 1. Januar 1991, sondern<br />
zum 1. März 1991. Dieser Einsparungsbeitrag berücksichtigt,<br />
daß Arbeiter und Angestellte mit ähnlicher<br />
Wirkung durch die Veränderungen der Beitragssätze<br />
zur Sozialversicherung betroffen sind. Mit der zweimonatigen<br />
Verschiebung der Anpassung wird der<br />
Handlungsspielraum der öffentlichen Haushalte um<br />
weit mehr als 1 Milliarde DM erweitert. Beamte, Richter,<br />
Soldaten und Versorgungsempfänger leisten damit<br />
einen eigenständigen Beitrag für den wirtschaftlichen<br />
Aufbau in den neuen Bundesländern. Dies wird<br />
in den nächsten Jahren zu berücksichtigen sein.<br />
Mit dieser Lösung bleibt das bisherige Verhältnis<br />
der aktiven Nettoeinkommen im Besoldungs- und Tarifbereich<br />
grundsätzlich unverändert; Beamte und Arbeitnehmer<br />
werden also nicht auseinanderdividiert.<br />
Dadurch, daß Beamte bei den Nettozuwächsen nicht<br />
schlechter und nicht besser als Angestellte und Arbei-