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33. Sitzung - Deutscher Bundestag

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2556 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991<br />

Hartmut Koschyk<br />

lichkeit der Individualbeschwerde bei Menschenrechtsverletzungen<br />

vorsieht, alsbald ratifiziert.<br />

(Beifall bei Abgeordenten der CDU/CSU, der<br />

FDP und der SPD)<br />

Auch hier hat die Bundesrepublik Deutschland einen<br />

Nachholbedarf.<br />

Meine Damen und Herren, die Verwirklichung des<br />

gesamteuropäischen Minderheitsschutzes ist natürlich<br />

mit der künftigen Frage der Struktur Europas und<br />

seiner Verfassung auf das engste verbunden. Deshalb<br />

muß die Verfassung der Europäischen Union auch<br />

einen entsprechenden minderheitenrechtlichen Teil<br />

beinhalten. Der europäische Einigungsprozeß verlangt<br />

nicht nur Abgabe von Souveränität nach oben,<br />

sondern auch Abgabe von Souveränität nach unten.<br />

Der international auch für die Menschenrechtspolitik<br />

der Bundesrepublik Deutschland wirkende Bonner<br />

Völkerrechtler Christian Tomuschat beschrieb zu Jahresbeginn<br />

als Aufgabe künftiger Menschenrechtspolitik<br />

Deutschlands, sich für ein notwendiges „Zwischenelement<br />

im Völkerrecht" einzusetzen, „wonach<br />

eine Volksgruppe zwar einen Status der politischen<br />

Autonomie, aber nicht völlig Loslösung aus dem bisherigen<br />

Staatsverband verlangen kann". „Für viele<br />

Länder" — so fährt Tomuschat fort; wir merken das ja<br />

im Hinblick auf Jugoslawien und andere Krisenherde<br />

— „würde es geradezu eine Erlösung bedeuten,<br />

könnte sie das Völkerrecht auf einen Mittelweg hinleiten,<br />

der kompromißhaft die nationale Integrität auf<br />

der einen Seite, die Wünsche bestimmter ethnischer<br />

Minderheitengruppen nach einem Mehr an politischer<br />

Selbstbestimmung unterhalb der kritischen<br />

Schwelle der Sezession andererseits zum Ausdruck<br />

bringt. "<br />

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und<br />

der SPD)<br />

Tomuschats Regensburger Kollege Otto Kimminich<br />

spricht in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit<br />

einer „polyethnischen Staatsorganisation"<br />

— ich finde das einen sehr guten Begriff —, um Minderheiten-<br />

und Volksgruppenprobleme dauerhaft befriedigend<br />

zu lösen.<br />

Wer den Volksgruppen und Minderheiten in Europa<br />

einen effektiven Schutz gewähren will — ich<br />

glaube, das muß immer eine besondere Förderung<br />

einschließen —, der muß ihnen auch ein Repräsentations-<br />

und Interaktionsorgan einräumen. Der Vertiefung<br />

des Minderheitenschutzes und ihrer Förderung<br />

dient es jedenfalls nicht, wenn auf KSZE-Ebene nur<br />

über Minderheiten und Volksgruppen geredet wird<br />

und sie nur am Rande dieser Tagungen - als sogenannte<br />

NGOs zu Wort kommen. Für die künftige<br />

Struktur Europas bedeutet dies auch, daß sich Heimatregionen<br />

von Minderheiten und Volksgruppen in<br />

irgendeiner institutionellen Form darstellen und ihre<br />

Interessen vertreten können. Hierbei kommt dem Regionalismus<br />

eine besondere Bedeutung zu, und die<br />

Initiative des bayerischen Ministerpräsidenten Streibl<br />

für die 1989 ins Leben gerufene Konferenz „Europa<br />

der Regionen" leistet hierzu einen sehr wertvollen<br />

Beitrag.<br />

Meine Damen und Herren, der heute zur Debatte<br />

stehende Antrag weist auch auf einen sehr wichtigen<br />

Punkt für die Weiterentwicklung eines europäischen<br />

Minderheitenschutzes und einer gezielten Förderungspolitik<br />

für Minderheiten hin: Die Schaffung sogenannter<br />

public funds, die Volksgruppen und Minderheiten<br />

in die Lage versetzen, unabhängig von der<br />

eigenen Wirtschaftskraft und auch unabhängig von<br />

der jeweiligen Gunst nationaler Haushälter ihre Institutionen<br />

zu unterhalten und ihre Förderungsprogramme<br />

duchzuführen.<br />

Auf die Notwendigkeit derartiger public funds für<br />

eine wirksame Minderheitenschutz- und effektive<br />

Minderheitenförderpolitik hat der bedeutende angelsächsische<br />

Völkerrechtler Lauterpacht bereits 1950 in<br />

seiner Schrift „International Law and Human Rights"<br />

hingewiesen. Deshalb sollte auch in Genf darüber<br />

nachgedacht werden, ob nicht auf europäischer<br />

Ebene ein Fonds geschaffen werden sollte, aus dem<br />

Institutionen von Minderheiten und deren Programme<br />

gefördert werden können. Ich denke beispielsweise<br />

daran, im Hinblick auf die schwierige volkswirtschaftliche<br />

Situation der Staaten Ostmittel-, Ost- und Südosteuropas<br />

auch die notwendigen Mittel für eine effektive<br />

Minderheitenförderpolitik aufzubringen. Es<br />

wäre sicher besonders wegweisend und, ich meine,<br />

auch wichtig, wenn aus einem solchen Fonds auch<br />

gemeinsame Programme von Minderheiten aus verschiedenen<br />

Staaten im Sinne eines Erfahrungsaustausches<br />

und einer Begegnung gefördert werden könnten.<br />

Die Achtung der Rechte von Minderheiten, deren<br />

Schutz und aktive Förderung können jedoch nicht nur<br />

Angelegenheit des Staates sein. In seiner Botschaft<br />

zum Weltfriedenstag mit den Leitwort „Um Frieden zu<br />

schaffen, Minderheiten achten" schrieb Papst Johannes<br />

Paul II. im Dezember 1988 — ich zitiere — :<br />

Die Verpflichtung, die Verschiedenheit anzunehmen<br />

und zu schützen, betrifft nicht nur den Staat<br />

oder die Gruppen. Jede Person als Mitglied der<br />

einen Menschheitsfamilie muß den Wert der Verschiedenheit<br />

unter den Menschen verstehen und<br />

achten und ihn auf das Gemeinwohl hinordnen.<br />

Ein offener Geist, der bestrebt ist, daß kulturelle<br />

Erbe der Minderheiten, dem er begegnet, besser<br />

zu begreifen, wird dazu beitragen, Haltungen zu<br />

überwinden, welche gesunde gesellschaftliche<br />

Beziehungen behindern.<br />

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Abgeordneter<br />

Koschyk, Ihre Redezeit ist zu Ende.<br />

Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Wenn Sie mich noch<br />

einen Satz aus dem sehr bemerkenswerten Papst<br />

Rundschreiben zitieren lassen. —<br />

Und an einer anderen Stelle schreibt der Papst:<br />

(Freimut Duve [SPD]: Das ist keine ganz faire<br />

Methode, die Redezeit mit dem Papst auszu<br />

dehnen!)<br />

— Das zeichnet unsere Fraktion aus, Herr Duve.<br />

Das wachsende Bewußtsein, das man heute auf<br />

allen Ebenen für die Lage der Minderheiten<br />

wahrnimmt, ist in unserer Zeit ein Zeichen begründeter<br />

Hoffnung für die neuen Generationen<br />

und für die Erwartungen dieser Minderheitsgrup-

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