33. Sitzung - Deutscher Bundestag
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2630 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991<br />
Klaus Harries<br />
der Energie im weitesten Sinne. Zuverlässigkeit und<br />
Berechenbarkeit sind gerade auf diesem Gebiet nötig.<br />
Wir haben geschlossene Verträge einzuhalten. Da<br />
kann man vor Ort nicht so eine kleinkarierte — entschuldigen<br />
Sie diesen Ausdruck — rechtswidrige<br />
Politik machen.<br />
(Jutta Braband [PDS/Linke Liste]: Sie nen<br />
nen die Reaktion der Bevölkerung kleinka<br />
riert?)<br />
Ich habe den Skandal in Hanau keineswegs vergessen.<br />
Der <strong>Bundestag</strong> hat sich durch einen von ihm eingesetzten<br />
Untersuchungsausschuß<br />
(Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Den<br />
Sie nicht wollten!)<br />
über drei Jahre mit Vertretern aller Fraktionen eingehend<br />
mit diesem Skandal befaßt. Dabei ist nichts unter<br />
den Teppich gekehrt worden. Alles ist aufgedeckt,<br />
alles ist diskutiert worden.<br />
(Zuruf vom Bündnis 90/GRÜNE: Aber nichts<br />
unternommen worden!)<br />
Die Ursachen sind beseitigt. Die Ursachen sind behoben.<br />
Der Bund hat gehandelt. Die Rechtsgrundlage ist<br />
da, um in Zukunft die Entsorgung vorzunehmen.<br />
Meine Damen und Herren, vergessen Sie nicht<br />
— ich richte diesen Appell insbesondere an die niedersächsische<br />
Landesregierung — : Bei der Entsorgung<br />
sitzen wir — ganz egal, wie wir zur Kernenergie<br />
stehen — in einem Boot. Das sollte uns zu einer gemeinsamen<br />
Verantwortung und zu einem gemeinsamen<br />
Handeln auch in Zukunft bringen. Dagegen hat<br />
man in Niedersachsen verstoßen.<br />
Schönen Dank.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)<br />
Vizepräsident Helmuth Becker: Als nächster Redner<br />
hat unser Kollege Arne Fuhrmann das Wort.<br />
Arne Fuhrmann (SPD): Herr Präsident! Meine Damen<br />
und Herren! Herr Kollege Har ries, ich würde<br />
schon Wert darauf legen, daß Sie sich nicht darauf<br />
beschränken zu sagen — so kenne ich das aber von<br />
Ihnen, und wir kennen uns aus dem Wahlkreis gut<br />
genug — , 150 junge Leute — wenn ich Sie richtig interpretiere,<br />
haben Sie nur vergessen dazuzusetzen:<br />
„Randalierer" — waren in Gorleben.<br />
(Heinrich Seesing [CDU/CSU]: Das sagen<br />
Sie!)<br />
-<br />
Herr Harries, in Gorleben waren 250 Menschen. Davon<br />
war mindestens ein Drittel älter als 60 Jahre.<br />
(Klaus Harries [CDU/CSU]: Das ändert<br />
nichts an der Nötigung!)<br />
Ich bitte, irgendwann einmal zur Kenntnis zu nehmen,<br />
daß es sich hier nicht um einzelne junge Leute handelt,<br />
sondern um den Querschnitt der Bevölkerung<br />
aus der Region.<br />
(Beifall bei der SPD — Dr. Paul Laufs [CDU/<br />
CSU]: Verteidigen Sie jetzt die Blockierer<br />
und die Nötigung?)<br />
Mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, würde ich<br />
gerne ein Zitat aus dem heutigen „General-Anzeiger"<br />
verlesen:<br />
Mir Hilfe starker Polizeikräfte sind gestern drei<br />
Atommüll-Container in das Zwischenlager Gorleben<br />
eingelagert worden. Am selben Tag wurde<br />
die Plutonium-Verarbeitung in Hanau vorläufig<br />
eingestellt. In einem Gutachten wurden Zweifel<br />
an der Sicherheit des Atomkraftwerkes Stade geäußert.<br />
Die Verwirrung der Bürger ist komplett. Aber wir wissen<br />
ganz genau: Es bringt uns nicht ein Stück weiter,<br />
wenn wir alle verwirrt in der Gegend herumgucken.<br />
Wir müssen vielmehr tatsächlich etwas tun.<br />
In der niedersächsischen Gemeinde Gorleben im<br />
Landkreis Lüchow-Dannenberg wird einfach häufiger<br />
demonstriert, verweigert und blockiert als sonst irgendwo<br />
in der Bundesrepublik. Aber die Betroffenheit<br />
der Menschen in dieser Region kann nur derjenige<br />
begreifen und nachvollziehen, der immer wieder<br />
mit den Bürgern vor Ort spricht, sich mit ihnen auseinandersetzt<br />
und versteht, daß a) ein atomares Zwischenlager,<br />
b) die Erkundung und Vorbereitung eines<br />
atomaren Endlagers und c) die Baustelle für eine Pilotkonditionierungsanlage<br />
auch hartgesottene Kernkraftbefürworter,<br />
Herr Har ries, als Bedrohung des eigenen<br />
Lebensraumes und Gefahrenquelle ganz<br />
realen Ausmaßes erkennen.<br />
(Klaus Harries [CDU/CSU]: Sie wissen doch,<br />
daß das alles nicht stimmt! — Lachen bei der<br />
SPD)<br />
—Herr Harries, wir können uns gerne darüber nochmals<br />
persönlich unterhalten.<br />
(Dr. Paul Laufs [CDU/CSU]: Aber es ist wirk<br />
lich Unsinn!)<br />
Aber an dieser Stelle werde ich einfach weiterfahren<br />
in meinen Ausführungen.<br />
(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Gehen Sie<br />
einmal darauf ein!)<br />
—Bevor Sie so etwas sagen, empfehle ich Ihnen, den<br />
Kopf und nicht nur den Kehlkopf zu benutzen, Herr<br />
Kollege.<br />
(Beifall bei der SPD — Dr. Paul Laufs [CDU/<br />
CSU]: Ich bin sehr oft in Gorleben gewesen<br />
und habe mir das angesehen! — Harald<br />
B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Verschärfen<br />
Sie nicht die Debatte, Herr Laufs!)<br />
Ich hätte gerne den Bundesumweltminister angesprochen.<br />
Er beweist zwar seine Chemiebeständigkeit,<br />
indem er durch den Rhein kreuzt, und er erschreckt<br />
die letzten Seehunde durch unangebrachte<br />
Ausflüge ins Wattenmeer, aber die Sorgen und Ängste<br />
der Frauen, Kinder und Männer im Kreis Lüchow<br />
Dannenberg sind ihm nur aus Fernsehen, Funk und<br />
Presse bekannt. Ich nehme an, er ist äußerst selten da.<br />
Ich habe ihn dort bisher jedenfalls noch nie gesehen.<br />
Der Gebrauch der Weisungsbefugnis im Fall der<br />
drei Container, von denen die Herkunft des einen<br />
noch immer nicht zweifelsfrei geklärt ist, mag zwar<br />
rechtlich so in Ordnung sein — das ist gar nicht die