33. Sitzung - Deutscher Bundestag
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2696* <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991<br />
dafür genannt, wie mit Akzeptanz und Unterstützung<br />
der Bevölkerung die atomare Entsorgung vorangebracht<br />
werden kann.<br />
Solange die Entsorgungsstrategie der Bundesregierung<br />
unklar ist, solange sie auf Wiederaufarbeitung<br />
besteht, solange sie ihre Politik mit dem Knüppel der<br />
Weisung durchsetzen will, solange sie nicht klar und<br />
deutlich beschließt, daß sie eine dauerhafte Nutzung<br />
der Kernenergie ablehnt und auf den Zubau und Neubau<br />
von Atomkraftwerken verzichtet, solange wird sie<br />
die Akzeptanz der Bevölkerung für die notwendige<br />
Entsorgung radioaktiver Abfälle nicht gewinnen. Wer<br />
wirklich den Konsens will, wem wirklich daran gelegen<br />
ist, langfristig verläßliche Rahmenbedingungen<br />
für die Wirtschaft und für die Verbraucher zu schaffen,<br />
der muß in der Atomenergiepolitik den Weg zu Ende<br />
gehen, der in Wackersdorf und Kalkar schon eingeschlagen<br />
wurde, den Weg des Ausstiegs aus der Nutzung<br />
der Atomenergie.<br />
Wolfgang Ehlers (CDU/CSU): Eine von der Gruppe<br />
PDS/Linke Liste zu diesem Thema beantragte Aktuelle<br />
Stunde hat bei mir mehrere Fragestellungen hervorgerufen.<br />
Erstens. Warum stellt sich gerade diese Partei, die in<br />
der ehemaligen DDR vor der Wende jegliches Umweltbewußtsein<br />
vermissen ließ und sich nie ernsthaft<br />
mit den Umweltproblemen beschäftigte, jetzt in der<br />
Öffentlichkeit so dar, als wenn ohne ihr Zutun die<br />
Umwelt gefährdet würde?<br />
Zweitens. Ist die PDS nicht in der Lage, das zugegebenermaßen<br />
nicht einfache deutsche Umweltrecht<br />
erst einmal gründlich zu studieren, bevor sie der Bundesregierung<br />
ein Fehlverhalten vorwirft? Meine Fraktionskollegen<br />
haben bereits eindeutig und ausreichend<br />
dargelegt, daß der Einlagerung von schwachradioaktiven<br />
Abfällen aus dem belgischen Mol weder<br />
sachliche noch rechtliche Gründe entgegenstehen.<br />
Drittens. Oder wollte die PDS mit dieser Aktuellen<br />
Stunde auf die Mißstände innerhalb des rot-grünen<br />
Bündnisses in Hannover hinweisen? Dann jedenfalls<br />
könnte ich diese Debatte noch verstehen.<br />
Es ist in der Tat merkwürdig, wenn die jetzige Umweltministerin<br />
Niedersachsens vor einem Jahr auf einer<br />
Veranstaltung in Gorleben Hunderte von Kernkraftgegnern<br />
dazu aufrief, „das Mittel der Blockade<br />
aktiv zu nutzen" , und der grüne Landtagsabgeordnete<br />
Kempmann sich bereits auf „sehr schöne Blockaden"<br />
freute. Wurden damit nicht schon Konfliktsituationen<br />
vorprogrammiert? Da sich schon am vergangenen<br />
Freitag der grüne Umweltsstaatssekretär - und der<br />
bereits erwähnte Abgeordnete Kempmann unter die<br />
Demonstranten mischten, ist sicherlich die Frage gestattet,<br />
ob die Blockade nicht vorsorglich inszeniert<br />
worden ist.<br />
Wenn Sie, meine Damen und Herren der PDS, diese<br />
gewiß wichtigen Fragen beantwortet haben möchten,<br />
dann gebe ich Ihnen einen guten Rat: Wenden Sie<br />
sich bitte an die Regierung in Hannover.<br />
Noch einen Hinweis erlaube ich mir Ihnen zu geben,<br />
die Sie ja größtenteils aus den neuen Bundesländern<br />
kommen. Was der Bundesminister für Umwelt,<br />
Naturschutz und Reaktorsicherheit gerade für diese<br />
neuen Bundesländer geleistet bzw. eingeleitet hat<br />
— ich denke nur an das Aktionsprogramm Ökologischer<br />
Aufbau — , erreicht Größenordnungen, von denen<br />
wir, die sich bereits vor der Wende für Umwelt<br />
und Natur einsetzten, nur träumen konnten.<br />
Ich empfehle Ihnen, unterstützen Sie diesen umfangreichen<br />
Maßnahmenkatalog durch angemessene<br />
Mitarbeit, dann leisten sie einen wirklich sinnvollen<br />
Beitrag zur ökologischen Sanierung und zum Schutz<br />
der Umwelt.<br />
Dr. Jürgen Starnick (FDP): Der Bundesumweltmini<br />
ster hat erneut in einem die Kernenergie betreffenden<br />
Sachverhalt eine bundesaufsichtliche Weisung erlassen<br />
müssen, weil das Land Niedersachsen den Transport<br />
von Abfällen nach Gorleben abgelehnt hat. Diese<br />
Weisung war rechtmäßig, weil nach zutreffender Auffassung<br />
des Bundesumweltministeriums die Voraussetzungen<br />
für den Transport und die Einlagerung der<br />
deutschen radioaktiven Abfälle, die aus dem belgischen<br />
Mol wieder zurück nach Deutschland kommen,<br />
rechtmäßig sind.<br />
Es geht um deutsche Abfälle, die als Altlasten des<br />
Transnuklearskandals hinreichend bekannt sind. Wie<br />
auch die Arbeit des Transnuklear-Untersuchungsausschusses<br />
im Deutschen <strong>Bundestag</strong> gezeigt hat, ist dieser<br />
Hanauer Nuklearskandal im einzelnen aufgearbeitet<br />
worden. Das trifft für den Deutschen <strong>Bundestag</strong>,<br />
aber auch für die Bundesregierung zu, die umfassende<br />
Konsequenzen gezogen hat — wie Entflechtung<br />
der deutschen Nuklearindustrie. Zur Lösung der<br />
Probleme, die aus diesem Skandal entstanden sind,<br />
gehört auch die Rücknahme deutscher radioaktiver<br />
Abfälle, die seinerzeit nach Belgien gelangt sind und<br />
von dort auch wieder in das Ursprungsland zurückkehren<br />
müssen. Der Grundsatz, daß Abfälle möglichst<br />
dort entsorgt werden, wo sie entstanden sind, gilt auch<br />
für die Bundesrepublik Deutschland gegenüber anderen<br />
Staaten.<br />
Für die Behauptung Niedersachsens, daß der lükkenlose<br />
Nachweis dafür, daß die Abfälle nicht aus<br />
Deutschland stammen, nicht erbracht sei, gibt es<br />
keine ernst zu nehmenden Hinweise. Der TÜV-Bericht<br />
verweist vielmehr ausdrücklich darauf, daß diese<br />
Abfälle kundenspezifisch in Mol gelagert wurden und<br />
ihre Sortierung getrennt erfolgte.<br />
Da die BRD für die deutschen Abfälle die volle Verantwortung<br />
trägt, erwarte ich von dem Bundesland<br />
Niedersachsen, daß es nicht nur, wie jetzt geschehen,<br />
der Weisung des Bundesumweltministers zur Aufhebung<br />
des Einlagerungsstopps für die radioaktiven Abfälle<br />
aus Mol folgt, sondern daß auch künftig die Landesregierung<br />
Niedersachsens den ihr nach Recht und<br />
Gesetz obliegenden Verpflichtungen insoweit nachkommt.<br />
Erneut drängt sich der Eindruck auf, daß hinter dem<br />
hier ausgetragenen Streit zwischen der Bundesregierung<br />
und der niedersächsischen Landesregierung das<br />
Kernproblem der unterschiedlichen Auffassung zum<br />
Einsatz der Kernenergie steht. Abermals agiert dabei<br />
eine rot-grüne Koalition etwas abseits der Rechtsstaatlichkeit.<br />
Ausstieg aus der Kernenergie rechtfertigt<br />
nicht jedes Mittel. Jedenfalls ist es rechtsstaatlich