33. Sitzung - Deutscher Bundestag
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2568 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991<br />
Helmut Sauer (Salzgitter)<br />
Man sucht das Gespräch mit uns Deutschen, mit<br />
allen Europäern. Ob es der Parlamentspräsident, Vertreter<br />
der Parteien, die evangelische und die katholische<br />
Kirche oder die Gewerkschaft waren, alle haben<br />
uns immer wieder diese Bitte nach verstärkten Kontakten<br />
vorgetragen. Sie erläuterten uns dabei auch die<br />
Arbeitsweise schon bestehender baltischer Informationsbüros<br />
in skandinavischen Ländern.<br />
Man bat also darum, ein solches Büro auch hier in<br />
Bonn in der Bundesrepublik Deutschland einzurichten.<br />
Dieses Büro soll der Vermittlung, der Förderung<br />
und Aufrechterhaltung von Kontakten zwischen Institutionen<br />
und Organisationen, Wirtschaftsunternehmen<br />
und kulturellen Einrichtungen bei uns und den<br />
entsprechenden Stellen im Baltikum dienen. Dadurch<br />
sollen Informationen und Kontakte in beide Richtungen<br />
möglichst direkt vermittelt werden. Sie können<br />
dies den <strong>Bundestag</strong>sdrucksachen 12/164 und 12/166<br />
entnehmen.<br />
Wir haben darüber in den zuständigen Gremien<br />
lange debattiert. Denn es waren ja auch diplomatische<br />
und völkerrechtliche Fragen hierbei zu erörtern. Wir<br />
sind dabei zu einer großen Gemeinsamkeit gekommen,<br />
und zwar nicht nur hinsichtlich der Errichtung<br />
eines solchen baltischen Büros hier bei uns, sondern<br />
auch hinsichtlich der Einrichtung eines Goethe-Instituts<br />
dort in den baltischen Staaten. Diese Vorhaben<br />
entnehmen Sie bitte der <strong>Bundestag</strong>sdrucksache<br />
12/673.<br />
Wir haben uns fraktionsübergreifend für diese<br />
Schritte entschieden und bitten die Bundesregierung,<br />
Herr Schäfer, diesen Forderungen des Parlaments<br />
nachzukommen.<br />
Wir sind der Auffassung, daß im Geist der KSZE-<br />
Akte, nach den Prinzipien von Helsinki und der<br />
Charta von Paris die baltische Frage keine innere<br />
Angelegenheit der Sowjetunion ist,<br />
(Beifall bei der CDU/CSU)<br />
auch wenn sich die Sowjetunion über 50 Jahre lang<br />
permanent und häufig gewalttätig in die inneren Angelegenheiten<br />
der baltischen Staaten eingemischt<br />
hat.<br />
Die Unabhängigkeit der baltischen Staaten und<br />
ihre Zukunft sind nach wie vor und bleiben weiterhin<br />
internationale Probleme. Gerade wir Deutschen sollten<br />
mithelfen, Freiheit, Demokratie, Menschenrechte,<br />
Selbstbestimmungsrecht und Gerechtigkeit auch für<br />
die Menschen in Litauen, Lettland und Estland zu<br />
erreichen.<br />
Darum bitte ich namens der CDU/CSU-Fraktion um<br />
Annahme dieser gemeinsamen Beschlußvorlage gemäß<br />
Drucksache 12/673.<br />
Ich danke Ihnen.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)<br />
Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort<br />
hat die Abgeordnete Frau Dr. von Teichman.<br />
Dr. Cornelie von Teichman (FDP): Herr Präsident!<br />
Meine Damen, meine Herren! Heute treten wir ein<br />
weiteres Mal zusammen, um das Thema Baltikum zu<br />
erörtern. Aus unserer historischen Verantwortung für<br />
die baltischen Völker sprechen wir heute über eine<br />
Form der Zusammenarbeit und Mithilfe, die ihnen<br />
ermöglichen soll, sich im Ausland darzustellen und zu<br />
artikulieren. Dabei stehen wir im Spannungsfeld zwischen<br />
einer Sowjetunion, die um ihre geschichtliche<br />
Rolle und um ihre nationale Existenz ringt, und einem<br />
Teil Europas, der uns kulturell und menschlich auf<br />
besondere Weise verbunden ist.<br />
Unserer Unterstützung der baltischen Völker bei<br />
ihrem Streben nach Freiheit und Unabhängigkeit<br />
liegt nicht zuletzt auch die Verantwortung zugrunde,<br />
die gerade uns Deutschen durch die geheimen Zusatzprotokolle<br />
zum Hitler-Stalin-Pakt vom August<br />
1939 auferlegt ist. Genauso wie dieser Pakt für uns<br />
eine ganz bittere Hypothek aus dunkler Geschichte<br />
ist, belastet dieses Erbe die heutige Sowjetunion, die<br />
sich um Rechtsstaatlichkeit, um Demokratisierung<br />
und um Liberalisierung bemüht. Diese Erblast müssen<br />
wir gemeinsam bewältigen. Sie verpflichtet sowohl<br />
die Sowjetunion als auch die Bundesrepublik, gemeinsam<br />
für die Folgen der Vergangenheit zu haften<br />
und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.<br />
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie<br />
des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch]<br />
[SPD])<br />
Die Lösung der deutschen Frage war ohne die Sowjetunion<br />
nicht möglich. Auch die baltische Frage<br />
kann nicht gegen, sondern nur mit der Sowjetunion<br />
gelöst werden.<br />
(Zustimmung bei der FDP)<br />
In diesem Sinne sollten alle Anstrengungen unternommen<br />
werden, ernsthafte Verhandlungen zwischen<br />
gewählten Vertretern der baltischen Völker<br />
und den politischen Kräften der Zentrale in Moskau<br />
zu fördern. Ziel sollte eine Lösung sein, die eingebettet<br />
ist in eine Gesamtentwicklung eines demokratischen,<br />
eines friedlichen und eines freiheitlichen Europas.<br />
(Zustimmung bei der FDP)<br />
Manche mögen meinen, daß die Geduld der Balten<br />
überstrapaziert sei. Es hilft aber wenig, meine Damen<br />
und Herren, historischen Entwicklungen ungeduldig<br />
vorzugreifen. Brachialgewalt nützt niemandem. Wir<br />
verurteilen sowohl den Einsatz des sowjetischen Militärs<br />
im Baltikum als auch radikale Maßnahmen von<br />
baltischer Seite gegen sowjetische Institutionen.<br />
(Zustimmung bei der FDP)<br />
Grundlage für jeden Fortschritt, Grundlage für jede<br />
Annäherung ist gegenseitige Information. Auch die<br />
Sowjetunion sollte an objektiven Informationen aus<br />
dem Baltikum ein Interesse haben. Umfassende Informationen<br />
sind Teil des Veständigungsprozesses, in<br />
den alle eingebunden werden müssen. Daher halten<br />
wir die Einrichtung baltischer Informationsbüros für<br />
sinnvoll und wünschenswert. Sie fördern den politischen,<br />
den wirtschaftlichen, den kulturellen und sozialen<br />
Dialog, und daran, meine Damen und Herren,<br />
muß uns allen gelegen sein.<br />
Es muß aber nicht Aufgabe der Bundesregierung<br />
sein, derartige Informationsbüros zu finanzieren. Wir<br />
Liberale würden es begrüßen, wenn nicht nur Forde-