33. Sitzung - Deutscher Bundestag
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2612 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991<br />
Albrecht Müller (Pleisweiler)<br />
missen wir bei Herrn Stoltenberg und der Bundesregierung<br />
insgesamt.<br />
(Walter Kolbow [SPD]: Sehr richtig!)<br />
Wir haben die heutige Debatte zum Stationierungskonzept<br />
der Streitkräfte beantragt, weil die Gefahr<br />
besteht, daß durch Stümperei, Nachlässigkeit und<br />
Konzeptionslosigkeit die Chance vertan wird, die Abrüstung<br />
auch in den Herzen der betroffenen Menschen<br />
zu verankern. Abrüstung ist eine große Chance.<br />
Was haben Sie daraus gemacht?<br />
Die Bundesregierung hat zunächst einmal viel Zeit<br />
vertan. Schon Mitte der 80er Jahre war klar, daß man<br />
sich auf Abrüstung vorbereiten kann. Ich habe im Mai<br />
1989 die Bundesregierung nach einem Sonderprogramm<br />
zur Konversion gefragt und habe die klassische<br />
Antwort einer verschlafenen Bundesregierung<br />
bekommen. Man hat mich nämlich wissen lassen, es<br />
bestehe kein Anlaß, insbesondere nicht zu einer regionalpolitischen<br />
Flankierung. Das war im Mai 1989;<br />
das muß man sich einmal vorstellen!<br />
(Walter Kolbow [SPD]: Hört! Hört!)<br />
Das war es dann, und da ist es kein Wunder, daß die<br />
Bundesregierung bei dieser Frage bis heute nicht an<br />
der Spitze der Bewegung, sondern am Rockschoß der<br />
Geschichte hängt.<br />
(Walter Kolbow [SPD]: Leider wahr!)<br />
Sie haben nicht rechtzeitig informiert. Sie haben die<br />
Planungsarbeit am Ressortkonzept wie eine geheime<br />
Kommandosache behandelt. Sie haben dem Verteidigungsausschuß<br />
Information und Kooperation versprochen<br />
und die Information dann über die Presse<br />
lanciert. Sie haben einseitig die Koalitionsparteien informiert<br />
und mit ihnen das Konzept besprochen,<br />
(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Das<br />
stimmt doch gar nicht! Sie sind doch gar nicht<br />
dabeigewesen!)<br />
aber zugleich versäumt, es mit Ländern und Gemeinden<br />
abzustimmen.<br />
(Zuruf von der SPD: So ist es!)<br />
Sie haben die betroffenen Gemeinden mit Ihrer Forderung<br />
nach Verkauf von Grundstücken zum Verkehrswert<br />
— allenfalls minus 15 % — hingehalten<br />
und Unruhe geschaffen. Sie schreiben mit Ihrem Konzept<br />
überwiegend veraltete Strukturen fort. Ex-General<br />
Schmückle nannte dieses Reduzierungskonzept<br />
eine schlampige Arbeit und eine Zumutung für Kommunen<br />
und Truppe.<br />
(Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/<br />
GRÜNE)<br />
Sie haben in einigen besonders strukturschwachen<br />
Räumen die Reduzierung der Bundeswehr ohne<br />
Rücksicht auf die angekündigte Reduzierung alliierter<br />
Truppen oben draufgepackt.<br />
Bei allen diesen Ungereimtheiten und Versäumnissen<br />
zeigt sich: Hier ist eine Bundesregierung am<br />
Werk, die weder handwerklich noch konzeptionell in<br />
der Lage ist, schwierige Fragen unserer Zeit rechtzeitig<br />
und gut zu lösen.<br />
Wir fordern Sie erstens auf, endlich parallel zur Abrüstungsplanung<br />
ein Konversionssonderprogramm<br />
vorzulegen, das den wirtschaftlichen Folgen von Abrüstung,<br />
Truppenreduzierung und Standortauflösung<br />
Rechnung trägt.<br />
(Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/<br />
GRÜNE)<br />
Wir fordern Sie zweitens auf, die dafür notwendigen<br />
Verhandlungen mit den Ländern und den betroffenen<br />
Gemeinden zu führen und am 30. September 1991<br />
abzuschließen.<br />
Wir fordern Sie drittens auf, Sozialpläne zu entwikkeln<br />
und ein schlüssiges Konzept zur Überwindung<br />
der Auswirkungen auf die Zivilbeschäftigten vorzulegen,<br />
ein Konzept, das auch wirklich weiterträgt.<br />
Wir verlangen viertens von der Bundesregierung,<br />
daß sie endlich Schluß macht mit der absonderlichen<br />
Vorstellung, die Strukturerneuerung in den strukturschwachen<br />
Regionen sei vom Markt allein zu leisten.<br />
Da bedarf es wirklich einer massiven besonderen Anstrengung<br />
und auch besonderer Rahmenbedingungen.<br />
Fünftens. Wir fordern die Bundesregierung auf,<br />
endlich eine großzügige Regelung über die Abgabe<br />
von Grundstücken an die Gemeinden vorzulegen.<br />
(Karl Stockhausen [CDU/CSU]: Das ist alles<br />
im Fluß!)<br />
Wir fordern, die Grundstücke altlastenfrei und verbilligt<br />
abzugeben, mit einem Rabatt von bis zu 80 %, in<br />
besonderen Fällen kostenlos.<br />
(Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/<br />
GRÜNE — Zuruf von der CDU/CSU:<br />
110 %!)<br />
Wir verlangen zugleich auch Klarheit und Durchsichtigkeit<br />
dieser Regelungen.<br />
Sechstens. Wir fordern eine bessere Abstimmung<br />
des Bundeswehrkonzeptes mit der Planung der Alliierten.<br />
Siebtens. Wir fordern die Bundesregierung auf,<br />
endlich bei der Beschaffung, insbesondere bei Großprojekten,<br />
rigoros zu streichen. Die dort bisher verschwendeten<br />
Mittel werden dringend gebraucht.<br />
(Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/<br />
GRÜNE)<br />
Achtens. Wir unterstützen Sie bei allem, was sozialen<br />
Sinn für die betroffenen Menschen und Weitsicht<br />
erkennen läßt. Dahin bewegen müssen Sie sich allerdings<br />
schon selbst.<br />
(Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/<br />
GRÜNE)<br />
Vizepräsident Helmuth Becker: Meine sehr verehrten<br />
Damen und Herren, bevor ich dem nächsten Redner<br />
das Wort erteile, noch ein kurzer Hinweis zur Fragestunde:<br />
Es ist eine Unklarheit aufgetreten, was<br />
denn mit den heute nicht beantworteten Fragen geschieht.<br />
Sie alle werden natürlich schriftlich beantwortet,<br />
weil wir in dieser Woche keine Fragestunde