33. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991 2703*<br />
chungsausschusses, der sich mit den am Golf eingesetzten<br />
Kriegsführungsmethoden gegen Zivilbevölkerung<br />
und Umwelt auseinandersetzt.<br />
Nun zu den innenpolitischen Folgerungen: Hier legen<br />
wir besonderen Wert auf die Feststellung, daß es<br />
dringend erforderlich ist, gerade in der Energiepo litik<br />
mit dem sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie eine<br />
grundsätzliche Wende zu vollziehen und statt auf forcierten<br />
Energieverbrauch auf eine neue Energiepolitik<br />
der Einsparung und der Umstellung auf erneuerbare<br />
Energien zu setzen. Die PDS/LL unterstützt<br />
nachdrücklich die Forderung nach Annulierung des<br />
Stromvertrages der Energieversorgungsunternehmen<br />
Westdeutschlands, der nicht einfach nur die Rechte<br />
der Kommunen in der ehemaligen DDR beseitigt,<br />
sondern auch verhindert, daß dort mit Stadtwerken<br />
ein strukturell effizientes Energiesystem aufgebaut<br />
wird.<br />
Zu den innenpolitisch notwendigen Folgerungen<br />
gehören für die PDS/LL ebenso Konsequenzen für den<br />
Verkehrsbereich: Neben der vorrangigen Vermeidung<br />
von Verkehr kann nur der flächendeckend betriebene<br />
Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und<br />
der generelle Vorrang der Schiene vor der Straße im<br />
Güterverkehr gravierende Verringerungen im Treib<br />
stoffverbrauch und bei den Emissionen erreichen.<br />
Tempo 100 gehört für uns genauso zu den längst überfälligen<br />
Maßnahme wie ein Mineralölabgabengesetz.<br />
Als Mitglied der Völkergemeinschaft ist die BRD<br />
gefordert, sich für eine umfassende Schuldenstreichung<br />
der Länder Afrikas, Asiens, Osteuropas und<br />
Süd- und Lateinamerikas einzusetzen. Dieser Schuldenerlaß<br />
ist die Voraussetzung dafür, daß die betreffenden<br />
Länder überhaupt in der Lage sind, Verhältnisse<br />
zu schaffen, die für alle Menschen sozial und<br />
ökologisch vertretbar sind und z. B. die soziale Klimakatastrophe,<br />
die dort durch Armut droht, verhindern<br />
können.<br />
Ich hoffe, daß die inhaltliche Auseinandersetzung<br />
mit diesem umfangreichen Antrag nicht nur dazu führen<br />
wird, daß umweltpolitische Positionen revidiert<br />
werden, sondern daß auch solche Vorschläge wie die<br />
Befreiung von der Militärsteuer, deren Ablehnung<br />
noch einmal deutlich gemacht hat, wie bestimmte Politiker<br />
und Politikerinnen nicht zum Umdenken bereit<br />
sind, erneut auf die Tagesordnung kommen.<br />
Anlage 8<br />
Zu Protokoll gegebene Rede<br />
zu Tagesordnungspunkt 12 — Antrag betr. Erlassung<br />
der Schulden Nicaraguas gegenüber der DDR —<br />
Klaus Jürgen Hedrich (CDU/CSU): Die Streichung<br />
von Altschulden Nicaraguas gegenüber der ehemali<br />
gen DDR halten wir aus entwicklungspolitischer Sicht<br />
für berechtigt, ja notwendig. Allerdings darf die Pro<br />
-<br />
blematik von DDR-Schuldnern nicht auf ein Land reduziert<br />
werden. Deshalb fordern wir die Bundesregierung<br />
auf, ein Gesamtkonzept vorzulegen.<br />
Völlig unakzeptabel wäre allerdings eine Lösung,<br />
die zu Lasten des BMZ-Etats ginge.<br />
Einlassungen von Regierungsvertretern, der Erlaß<br />
von Schulden könnte mit erheblichen zusätzlichen<br />
Belastungen des Bundeshaushaltes verbunden sein,<br />
da die Betriebe und Banken ihre Forderungen an Entwicklungsländer<br />
durch eigene Mittelaufnahme refinanziert<br />
haben und diese Mittelaufnahme im Falle<br />
eines Forderungsverzichts abzulösen wäre, gehen an<br />
der Wirklichkeit vorbei. Glaubt jemand im BMF allen<br />
Ernstes, daß wir von den betroffenen Entwicklungsländern<br />
größere Beträge zurückerhalten? Beispiel<br />
Syrien: Die Gesamtschulden belaufen sich auf<br />
650,4 Millionen. Es scheint mir schon ein gewisser<br />
Widerspruch darin zu liegen, wenn man einerseits<br />
Rückzahlungen erwartet, andererseits aber seitens<br />
der Bundesregierung ein neuer Zweihundert-Millionen-Scheck<br />
überreicht wird.<br />
Der Antrag der PDS ist allerdings nicht ohne Ironie.<br />
Es ist für mich überhaupt nicht hinnehmbar, wenn<br />
hier gerade diese Gruppierung, die mit die Verantwortung<br />
für vierzig Jahre Unterdrückung in der ehemaligen<br />
DDR und Unterstützung eines Unterdrükkungssystems<br />
in Nicaragua trägt, nun den Eindruck<br />
demokratischer Glaubwürdigkeit erwecken will.<br />
Erstens. Der demokratische Neuanfang dieses leidgeprüften<br />
Landes darf nicht durch die sandinistische<br />
Erblast zerstört werden. Die Sandinisten hatten zwar<br />
auch von Somoza schon erhebliche Schulden übernommen.<br />
Mit der Welle der Hilfsbereitschaft ab 1979<br />
hätten sie ihr Land aber auf den Weg eines zweiten<br />
Costa Rica bringen können. Statt dessen provozierten<br />
sie Bürgerkrieg, Massenflucht, Zerstörung von Infrastruktur<br />
und Ernährungsbasis. Frau Chamorro erbte<br />
daher einen noch größeren Schuldenberg und eine<br />
völlig zerrüttete Wirtschaft sowie galoppierende Inflation<br />
mit wahrhaft astronomischen Werten.<br />
Derart gefesselt kann der Sprung zur Reform nicht<br />
gelingen.<br />
Zweitens. Die Sandinisten haben tatsächlich alles<br />
vor der Machtübergabe abgeräumt, was beweglich<br />
war. Sie haben sich bis Ap ril 1990 ihre schamlose<br />
Selbstbedienung mit ihrer Mehrheit legalisiert. Die<br />
Parallelen zur DDR, als sie in ihren letzten Zügen lag,<br />
sind unverkennbar.<br />
Drittens. Nicaragua erfüllt zur Zeit alle Voraussetzungen<br />
eines Least Developed Country. Angeblich<br />
verhindert die relativ hohe Alphabetisierungsrate<br />
eine derartige Einstufung. So bedeutend war die Alphabetisierungskampagne<br />
der Sandinisten aber nicht<br />
und vor allem auch nicht nachhaltig. Wir sollten nicht<br />
die Propaganda der Sandinisten glauben und das<br />
neue demokratische Nicaragua dafür büßen lassen.<br />
Die Vereinten Nationen gewähren über ihre Unterorganisationen<br />
dem Land die gleichen Konditionen wie<br />
einem LDC. Es sind auch die VN, die den LDC-Status<br />
zuteilen. Es gibt keinen Grund für uns, bei Nicaragua<br />
vom üblichen Verfahren abzuweichen.