33. Sitzung - Deutscher Bundestag
33. Sitzung - Deutscher Bundestag
33. Sitzung - Deutscher Bundestag
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
2632 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991<br />
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann<br />
deshalb abgelehnt haben sollte, weil als Ursprungshinweis<br />
zwei deutsche Kernkraftwerke angegeben<br />
wurden, sich aber bei Verzicht auf diesen Hinweis<br />
nicht von vornherein geweigert hätte, den Müll in<br />
Gorleben zwischenzulagern. Darauf hätten wir doch<br />
gerne eine Antwort.<br />
Ich darf abschließend — die Uhr läuft — feststellen:<br />
Ich verstehe nicht den anhaltenden Widerstand einiger<br />
Gruppen gegen die Realisierung von Zwischenund<br />
Endlagermöglichkeiten für schwach-, mittelund,<br />
ich füge hinzu, auch hochradioaktiven Abfall.<br />
Wer aus der Kernenergienutzung aussteigen will,<br />
(Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Sie<br />
wollen doch permanent mehr Müll produzie<br />
ren!)<br />
muß doch ein besonderes, ausgeprägtes Interesse<br />
daran haben, daß Endlagermöglichkeiten geschaffen<br />
werden. Wo wollen Sie denn damit hin? Wollen Sie<br />
das in der Gegend liegen lassen? Das ist unverantwortlich.<br />
Damit müssen Sie sich auseinandersetzen.<br />
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)<br />
Meine Damen und Herren, ich möchte auch darauf<br />
hinweisen, daß unsere Zwischenlager, die Landessammelstellen,<br />
ja nicht voll sind mit atomarem Abfall,<br />
mit schwach-, mittel-radioaktivem Abfall aus den<br />
Kernkraftwerken. Wer dies einer Öffentlichkeit suggerieren<br />
will, verhält sich nun wirklich schändlich;<br />
denn es ist ja wohl klar — und das muß man auch noch<br />
einmal sagen — , daß wir auch die Verpflichtung haben,<br />
die Menge des nuklearen Mülls, schwach- und<br />
mittelradioaktiv, aus den medizinischen Bereichen,<br />
aus den Forschungsinstituten ordnungsgemäß und relativ<br />
sicher zu entsorgen.<br />
Ich denke, angesichts dieser Verpflichtung müssen<br />
Sie sagen, wo Sie das machen wollen. Das Floriansprinzip<br />
hilft uns hier überhaupt nicht. Insofern denke<br />
ich, daß auch der Bundesumweltminister Töpfer hier<br />
verantwortlich gehandelt hat.<br />
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)<br />
Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und<br />
Herren, das Wort hat jetzt unser Kollege Dr. Klaus<br />
Dieter Feige.<br />
Dr. Klaus-Dieter Feige (Bündnis 90/GRÜNE) : Herr<br />
Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!<br />
Herr Harries ist gerade rausgegangen, aber noch einmal<br />
zu seinen Worten. Wir sind damals auch mit der<br />
Meinung angetreten, Freiheit ist immer die Freiheit<br />
der anders Denkenden. Mir passiert es in - der letzten<br />
Zeit auch häufiger, daß ich als Atomkraftgegner kriminalisiert<br />
werde. In dieser Form muß ich das für die,<br />
die dort in Gorleben einfach ihre persönliche Angst<br />
geäußert haben, die dort einen passiven Protest artikulieren<br />
wollten, zurückweisen. Diese Menschen sollten<br />
nicht kriminalisiert werden.<br />
(Dr. Pauls Laufs [CDU/CSU]: Wer verhält<br />
sich kriminell?)<br />
Das ist für mich unangenehm und unerträglich.<br />
Der gestrige Polizeieinsatz gegen die besorgten<br />
Bürgerinnen und Bürger hat mir gezeigt, daß eigentlich<br />
die Bundesregierung mit ihrem Latein am Ende<br />
ist. Weisungen an die Bundesländer können nicht darüber<br />
hinwegtäuschen, daß die Bundesregierung über<br />
kein akzeptables Konzept für die Atommüllentsorgung<br />
verfügt.<br />
(Dr. Paul Laufs [CDU/CSU]: Das ist doch eine<br />
absolut unsinnige Behauptung!)<br />
— Drauf kommen wir gleich noch zurück.<br />
Für mich ist das mit der Herkunft vielleicht nicht so<br />
primär. Entscheidend ist, daß überhaupt versucht<br />
wird, Atommüll einzulagern, ohne daß solch ein Konzept<br />
vorliegt. Dies ist ein erneuter Beweis dafür, wie<br />
verantwortungslos im Umweltministerium mit der<br />
Meinung der Mehrheit der deutschen Bevölkerung<br />
umgegangen wird.<br />
Auch wenn ich den Unterschied zwischen DDR und<br />
Bundesrepublik Deutschland durchaus kenne, die Erscheinungsbilder<br />
sind gleich in der Form des Umgangs<br />
mit einer angeblichen Minderheit. Dabei ist das<br />
in diesem Fall eine Mehrheit.<br />
Aber nicht nur die Entsorgungsfrage des Atommülls<br />
insgesamt ist ungelöst, nein die gesamte Atompolitik<br />
der Regierung steht auf tönernen Füßen. Es muß nicht<br />
immer wieder auf Tschernobyl oder Harrisburg verwiesen<br />
werden, um die Unwägbarkeiten und die Gefahren<br />
der Atomenergie zu verdeutlichen. Genügt es<br />
nicht, daß wir alljährlich allein in der Bundesrepublik<br />
mehr als 300 kleinere oder größere Störfälle zu verzeichnen<br />
haben?<br />
Wie war das denn am Montag in Hanau, als mehrere<br />
Arbeiter radioaktiv verseucht wurden? Von einer<br />
prompten Reaktion aus dem Bundesministerium war<br />
nichts zu verspüren. Herr Fischer, der grüne Minister<br />
— nicht rosa-grün aus der rot-grünen Fraktion — hat<br />
in verantwortungsvoller Weise gehandelt. Am Dienstag<br />
hat dann erst Herr Töpfer eine nachträgliche Reaktion<br />
gezeigt. Ich bin auch fest davon überzeugt, daß<br />
nach dieser Schwachstellenanalyse diese Atomfabriken<br />
in Hanau für immer geschlossen werden müssen.<br />
Hanau ist ja schon berühmt-berüchtigt. Der Zwischenfall<br />
dort hat erneut gezeigt, daß es keine sichere<br />
Atomkraftnutzung gibt. Auch für diejenigen, die glauben,<br />
die drohende Klimakatastrophe bzw. die notwendige<br />
massive CO2-Reduzierung rechtfertige eine<br />
Renaissance der Atomenergie, wiederhole ich: Nur<br />
der sofortige Ausstieg aus der Atomenergie ermöglicht<br />
ein ökologisches und dauerhaftes Energiesystem.<br />
Zentrale Großstrukturen verhindern dagegen<br />
die Nutzung von dezentralen Energieeinsparpotentialen<br />
und der Abwärmenutzung in größerem Maßstab.<br />
Wenn Sie nach der Entsorgung fragen, so sage ich:<br />
Wenn klar ist, wieviel tatsächlich noch zu entsorgen<br />
ist, wenn der Zeitpunkt einmal festliegt, dann sind wir<br />
durchaus bereit, uns auch aktiv an der Lösung für eine<br />
Endlagerung zu beteiligen. Aber solange diese Gesamtmenge<br />
nicht klar ist, wird immer wieder nach<br />
neuen Lagerstätten zu suchen sein. Genau das ist<br />
nicht das Konzept, das wir durchstehen können.<br />
Atomkraftwerke stellen keinen schnell verfügbaren<br />
Beitrag zur CO2-Verminderung dar. Jede Mark, die in<br />
die Energieeinsparung investiert wird, vermeidet sie-