33. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991 2707*<br />
Dienstrechtspolitik der Koalitionsfraktionen fort.<br />
Diese Politik bleibt auf absehbare Zeit von zwei Zielen<br />
bestimmt, die wir gleichzeitig anstreben:<br />
Erstens. In den neuen Bundesländern ist eine<br />
rechtsstaatliche, effiziente Verwaltung aufzubauen,<br />
und zwar so schnell wie möglich.<br />
Zweitens. In den alten Bundesländern müssen wir<br />
eine bewährte, leistungsfähige Verwaltung auch in<br />
Konkurrenz zu Wirtschaft und Industrie neuen Anforderungen<br />
anpassen.<br />
Unstreitig ist inzwischen selbst für notorische Kritiker<br />
des öffentlichen Dienstes, daß eine hochentwikkelte,<br />
arbeitsteilige Volkswirtschaft ohne die Infrastrukturleistungen<br />
einer öffentlichen Verwaltung<br />
nicht erfolgreich arbeiten kann. Unstreitig ist auch,<br />
daß Wirtschaft und Indust rie in den alten Bundesländern<br />
erfolgreich arbeiten — auch dank des öffentlichen<br />
Dienstes. Aber: Dieser öffentliche Dienst muß im<br />
Wettbewerb um qualifizierten Nachwuchs mit der im<br />
Westen auf Hochtouren laufenden Wirtschaft Schritt<br />
halten. In vielen Bereichen, besonders in technischen<br />
Verwaltungen, aber auch in der Steuerverwaltung<br />
mehren sich die Anzeichen, daß Bewerber nur noch<br />
sehr schwer zu gewinnen sind oder daß qualifizierte<br />
Beamte den öffentlichen Dienst verlassen. In Ballungsgebieten<br />
gilt dies ganz besonders. Es ist deshalb<br />
richtig, mit dem jetzt zur Beratung anstehenden Besoldungs-<br />
und Versorgungsanpassungsgesetz 1991 den<br />
6 %-Tarifabschluß für die Arbeitnehmer im öffentlichen<br />
Dienst voll auf die aktiven und die ehemaligen<br />
Beamten zu übertragen. Daß diese Besoldungs- und<br />
Versorgungserhöhung statt zum 1. Januar 1991 zum<br />
1. März 1991 in Kraft treten wird, ist kein Sonderopfer,<br />
sondern ein Solidarbeitrag der Beamten zu den Kosten<br />
der Angleichung der Lebensverhältnisse im vereinten<br />
Deutschland, die auch Arbeitnehmer im öffentlichen<br />
Dienst aufgrund der gestiegenen Abgaben zur<br />
Arbeitslosenversicherung tragen müssen.<br />
Auch für die Versorgungsempfänger, also die Ruhestandsbeamten<br />
gilt als Zeitpunkt des Inkrafttretens<br />
der Versorgungsanpassung der 1. März 1991. Das ist,<br />
wie ich zugebe, im Vergleich zu den Rentnern nicht<br />
unproblematisch, entspricht aber dem gesetzlichen<br />
Gebot, Besoldung und Versorgung gleichzubehandeln.<br />
Meine Fraktion hat im Vorfeld der Erarbeitung<br />
des Gesetzentwurfs angeregt, für einen Ausgleich des<br />
späteren Inkrafttretens zu sorgen. Dem wurde entsprochen.<br />
Für die Versorgungsempfänger wird ab<br />
1993 der Versorgungsanpassungszuschlag wieder<br />
eingeführt; dies stellt sicher, daß ehemalige Beamte - —<br />
wie Rentner — an allen Einkommensverbesserungen<br />
der aktiven Beamten partizipieren. Sozusagen im Vorgriff<br />
werden die Versorgungsempfänger bereits 1991<br />
eine um 0,4 % höhere Versorgung erhalten. Wir lassen<br />
die Ruhestandsbeamten nicht im Stich!<br />
Bei der Beratung des Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes<br />
werden wir prüfen, wo<br />
weitere gezielte Verbesserungen notwendig und<br />
möglich sind, damit der öffentliche Dienst in die allgemeine<br />
Wirtschaftsentwicklung einbezogen bleibt<br />
und nicht personell ausblutet. Ich denke z. B. daran,<br />
daß auch die Feuerwehrbeamten in die Regelung für<br />
die Schicht- und Wechselschichtzulage einbezogen<br />
werden. Für Beamte in technischen Verwaltungen<br />
und in der Steuerverwaltung müssen nach meiner<br />
Auffassung die Stellenplanobergrenzen verbessert<br />
werden, damit diese Verwaltungsbereiche den Abwerbungsversuchen<br />
der Wirtschaft standhalten können.<br />
Wir werden auch sorgfältig untersuchen, inwieweit<br />
die für Angestellte und Arbeiter im öffentlichen<br />
Dienst neben der linearen Gehaltssteigerung von 6 %<br />
vereinbarten Tarifregelungen auf den Besoldungsbereich<br />
übertragen wurden und inwieweit noch Ergänzungen<br />
erforderlich sind.<br />
Auf Grund der ab 1. Juli 1991 in den neuen Bundesländern<br />
geltenden 2. Besoldungsüberleitungsverordnung<br />
erhalten die Beamten dort 60 % der Besoldung<br />
in den alten Bundesländern; auch diese Beamten haben<br />
also Anteil an den Besoldungsverbesserungen.<br />
Das ist ein weiterer Schritt, die Einkommensverhältnisse<br />
im öffentlichen Dienst in den alten und den<br />
neuen Bundesländern einander anzugleichen. In die<br />
sem Zusammenhang ein Wort zum Aufbau von Verwaltung<br />
und Justiz in den neuen Bundesländern:<br />
Wenn es des Beweises bedurft hätte: Die ehemalige<br />
DDR hat mit ihrem auf Unterdrückung und Mängelverwaltung<br />
ausgerichteten Staatsapparat auf Kosten<br />
unserer Landsleute den fatalen Beweis erbracht, wie<br />
unabdingbar eine auf Recht und Gesetz verpflichtete<br />
demokratische Verwaltung für das Wohl der Bürger<br />
ist. Diese Verwaltung gilt es mit aller Entschiedenheit<br />
und schnell aufzubauen. Dafür sind — ich betone: für<br />
eine Übergangszeit — westdeutsche Fachleute erforderlich.<br />
Ich brauche das nicht näher zu begründen.<br />
Festhalten aber will ich: Die Maßnahmen der Bundesregierung<br />
und das vom Deutschen <strong>Bundestag</strong> auf Initiative<br />
- der Koalitionsfraktionen beschlossene 10<br />
Punkte-Programm greifen. Die Bereitschaft zum<br />
Wechsel in die neuen Bundesländer ist hoch; für<br />
Zwangsversetzungen bestand und besteht nach unseren<br />
derzeitigen Erfahrungen überhaupt kein Anlaß.<br />
Mehr als 10 000 Mitarbeiter aus dem Westen helfen<br />
bereits in den neuen Bundesländern beim Aufbau von<br />
Verwaltung und Justiz. Dennoch lasse ich offen, ob<br />
dies in Zukunft ausreicht. Wenn nötig, werden wir<br />
unsere Anreize weiter verbessern und verfeinern.<br />
Nach der Sommerpause werden wir eine konkrete<br />
Zwischenbilanz ziehen.<br />
Die insgesamt bis jetzt positive Entwicklung darf<br />
uns nicht den Blick auf — nach meiner Auffassung —<br />
unverzeihliches Fehlverhalten einzelner verstellen. In<br />
vielen Fällen, die mir und meinen Kollegen geschildert<br />
werden, geht die Personalvermittlung nur schleppend<br />
vonstatten, weil Behördenleiter eine Personalabgabe<br />
absichtsvoll verzögern oder gar verhindern.<br />
Dafür darf es — von begründeten Ausnahmen abgesehen<br />
— kein Verständnis geben. Jetzt ist nicht die<br />
Zeit für kleinkarierten Behördenegoismus. Helfen ist<br />
angesagt! Wir danken ausdrücklich den Beamten und<br />
Angestellten, die in den neuen Bundesländern tatkräftig<br />
helfen, im vereinten Deutschland einheitliche<br />
Lebensverhältnisse herzustellen.<br />
Noch eine Anmerkung zu der Blockade-Haltung<br />
mancher Behörden: Bevor jemand über nicht zu erledigende<br />
Arbeiten klagt, muß er prüfen, ob diese überhaupt<br />
erforderlich sind. Arbeitsverdichtung, die ich