21.01.2014 Aufrufe

33. Sitzung - Deutscher Bundestag

33. Sitzung - Deutscher Bundestag

33. Sitzung - Deutscher Bundestag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991 2685<br />

Dr. Volkmar Köhler (Wolfsburg)<br />

Ja. Trotzdem ist das für mich ein Anlaß, noch einmal<br />

ganz kurz die Interessenlage aller Beteiligten zu beleuchten:<br />

Marokko — Sie werfen vor, daß man dort<br />

schon Wahlkampf mache; anzunehmen, daß das nicht<br />

geschehe, wäre vielleicht doch ein bißchen weltfremd<br />

—<br />

(Dr. Uwe Holtz [SPD]: Widerspricht den<br />

UNO-Vereinbarungen!)<br />

ist immerhin dabei, seine Truppen nach dem UNO-<br />

Plan zu kantonieren, erfüllt also in dieser Hinsicht den<br />

UNO-Plan bereits jetzt. Ich halte es für begrüßenswert,<br />

daß am Ende des Ramadan König Hassan II.<br />

eine Amnestie ausgerufen hat. Ich meine, es sind noch<br />

mehr Wunden zu heilen. Ich würde hier gern in aller<br />

Form darum bitten — wenn es denn den König Marokkos<br />

erreichen mag — , den Festtag des 9. Juli zu einer<br />

weiteren und weiterreichenden Amnestie zu nutzen,<br />

um die Wunden weiter heilen zu helfen. Ich verkenne<br />

nicht, daß die innenpolitischen Spielräume für die<br />

marokkanische Regierung und für den König durchaus<br />

limitiert sind. Es sind in Marokko verschiedene<br />

Kräfte, auch bis zu ganz linken Parteigruppierungen<br />

hin,<br />

(Dr. Uwe Holtz [SPD]: Bis zu den Kommuni<br />

sten! )<br />

die in der Sahara-Frage nach wie vor eine unversöhnliche<br />

Haltung einnehmen. Der König ist hier nicht völlig<br />

unabhängig, und die sozialen Unruhen im Lande<br />

verschärfen dieses Klima für ihn noch. Wenn wir hier<br />

Politik mit der Hoffnung auf Zielerreichung treiben<br />

wollen, müssen wir auch diese realen Fakten sehen.<br />

Auch die Handlungsmöglichkeiten Algeriens als<br />

eines zweiten entscheidenden Faktors in diesem Spiel<br />

sind durch die inneren Wirren des Landes begrenzt.<br />

Algerien hat die Bewegungsfreiheit der Polisa rio<br />

durch verschiedene Maßnahmen ein Stück vermindert.<br />

Die Benzinlieferungen Algeriens an die Polisa rio<br />

reichen nicht mehr aus, um das schwere Gerät zu<br />

bewegen; aber andererseits ist die Polisa rio auch kein<br />

passives Objekt in diesem Spiel algerischer Politik. Es<br />

gibt inzwischen Pressemeldungen, von denen ich<br />

hoffe, daß sie nicht zutreffen, daß die Polisa rio angefangen<br />

hat, islamistische Kampfgruppen in Algerien<br />

auszubilden. Dies wäre, wenn es stimmte, schlimm.<br />

Es gibt vor diesem Hintergrund neben dem Prozeß,<br />

den die Vereinten Nationen eingeleitet haben, Bemühungen<br />

um Vorabsprachen, wobei wir nicht genau<br />

wissen, was alles vor drei Wochen in Oran zwischen<br />

Marokko und Algerien verhandelt worden ist. Ich<br />

neige zu der Vermutung, daß die begrenzte Handlungsfähigkeit<br />

Algeriens im Moment solche - Absprachen<br />

durchaus begrenzt hat. Aber man kann zuweilen<br />

den Eindruck haben, daß Algerien und Marokko, weil<br />

sie ein intensives Auftreten der Vereinten Nationen in<br />

ihrem Gebiet als ihrem Prestige abträglich und vor<br />

ihren Völkern als Fremdbestimmung betrachten müßten,<br />

beide bemüht sind, das Problem schon so weit<br />

vorab zu regeln, daß das Referendum eigentlich nur<br />

noch eine Formaletüde und eine Art formaler Schlußpunkt<br />

sein könnte.<br />

Ich möchte hier in aller Freundschaft sagen, daß ich<br />

glaube, daß es für ein solches Spiel zu spät ist. Die<br />

Angelegenheit hängt vor der Öffentlichkeit der Welt<br />

organisation der Vereinten Nationen an, und so, wie<br />

wir an anderer Stelle nicht dulden können und dulden<br />

werden, daß die Vereinten Nationen geschwächt werden,<br />

so können wir es auch hier nicht. Wir müssen<br />

auch unseren Freunden raten: Für eine dauerhafte<br />

Lösung des Problems vor der Weltöffentlichkeit ist ein<br />

Unterlaufen der Vereinten Nationen und ihres Friedensplanes<br />

unerträglich.<br />

Wenn ich auf den gesamten Maghreb schaue, so<br />

stelle ich doch einige positive und mich ermutigende<br />

Anzeichen fest. Niemand ist zu sehen, der nun nicht<br />

endlich zu einem Ausgleich strebt. Allerdings muß ich<br />

auch sagen, daß ich kaum einen Staat erkenne, der die<br />

Gründung eines neuen Teilstaates in dieser Ära ernstlich<br />

will. Wir wollen, daß am Ende ein dauerhafter<br />

Frieden steht, und dazu, verehrter Kollege Holtz, geht<br />

mir der Text hinter dem letzten Spiegelstrich des Antrags,<br />

wie wir ihn jetzt vorliegen haben, der den Wiederaufbau<br />

der Westsahara fordert — sprachlich ein<br />

etwas zu hinterfragender Satz — , nicht weit genug.<br />

Ich meine, der Gedanke muß weiterreichen. Was<br />

wird aus denen, die bei dem Referendum unterliegen<br />

werden? Nehmen wir einmal an, was ja nicht sicher<br />

ist, daß nicht die Polisa rio, sondern die Marokko-Befürworter<br />

die Mehrheit bekommen. Wie werden dann<br />

die, die nicht für Marokko votiert haben, sich gegenüber<br />

Algerien einstellen, das sie nach ihrer Meinung<br />

im Stich gelassen hat? Anders werden Sie es kaum<br />

werten können.<br />

Wird es für solche Gruppen zu einem Exodus nach<br />

Mauretanien kommen? Kann dieses Land, das gerade<br />

nur mühsam ein bißchen aufkeimende Stabilität gewinnt,<br />

so etwas tragen, ohne destabilisiert zu werden?<br />

Wir müssen weitere Dinge ins Auge fassen, und<br />

dazu gehört, daß wir es nicht geringachten und einfach<br />

verwerfen können, daß die überragende Mehrheit<br />

der Stammesführer in der Westsahara erst jüngst<br />

wieder König Hassan II. gehuldigt hat. Darunter waren<br />

zwar auch die Führer vieler kleiner Stämme, aber<br />

man muß auch erkennen, daß diese kleinen Stämme<br />

mit Sorge und einer gewissen Angst auf das Geschehen<br />

bei der Polisario schauen, die zu einem wesentlichen<br />

Teil einen Großstamm repräsentiert, mit dem<br />

die anderen Schwierigkeiten des Zusammenlebens<br />

haben.<br />

Das zeigt gerade das Problem. Es gibt auch eine<br />

Furcht der kleinen Stämme vor dem, was da kommt.<br />

Einfach nur vom Volk der Westsahara zu sprechen<br />

wird den Tatsachen und Spannungsverhältnissen<br />

nicht voll gerecht.<br />

(Zustimmung des Abg. Ulrich Irmer [FDP])<br />

Um wirklich Frieden zu stifen, wird man über Modelle<br />

der Regionalisierung sprechen müssen, vielleicht sogar<br />

über föderative Konstruktionen. Hier sind neue<br />

Formen der Ansässigkeit und des Zusammenlebens<br />

zu schaffen. Ich finde es bemerkenswert, daß es, ausgelöst<br />

von König Hassan, seit zwei Jahren eine Diskussion<br />

in Marokko über die Frage des Föderalismus<br />

— mit deutlichem Blick auf den Föderalismus der Bundesrepublik<br />

— gibt. Das ist eine Herausforderung, in<br />

dieser Diskussion dienlich zu sein und weiter solche<br />

Gedankengänge zu unterstützen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!