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33. Sitzung - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991 2591<br />

Johannes Gerster (Mainz)<br />

um einen Volksentscheid über den Regierungssitz<br />

herbeizuführen, müssen Sie sich entgegenhalten lassen,<br />

daß Sie bei viel wichtigeren Entscheidungen<br />

nicht bereit waren, das Grundgesetz zu ändern, um<br />

einen Volksentscheid herbeizuführen,<br />

(Widerspruch bei der SPD)<br />

und müssen Sie sich entgegenhalten lassen, daß es<br />

letzten Endes<br />

(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Das ist an<br />

den Haaren herbeigezogen!)<br />

bei Ihnen um die Frage geht: Wie kann ich mich der<br />

morgigen Entscheidung des Parlamentes für oder gegen<br />

Bonn entziehen?<br />

(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Das ist<br />

falsch! — Detlev von Larcher [SPD]: Sie wis<br />

sen, daß das Quatsch ist!)<br />

Das nennen wir die Flucht aus der Verantwortung.<br />

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU —<br />

Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Sie haben<br />

doch die Schwierigkeit in der Sache, nicht<br />

wir! Die CDU ist doch in dieser Frage zutiefst<br />

zerstritten, nicht wir!)<br />

Wenn Sie einen Volksentscheid über diese Frage<br />

wirklich immer gewollt haben, hätten Sie früher kommen<br />

müssen. Wenn Sie glauben, die Bürger zu begeistern,<br />

indem Sie jetzt, nachdem alle Argumente für<br />

und wider in endlosen <strong>Sitzung</strong>en und Besprechungen<br />

ausgetauscht sind, fünf vor zwölf aus der Entscheidung<br />

des Parlaments, dem Sie selber das zugewiesen<br />

haben, aussteigen,<br />

(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Sie wollen<br />

doch vertagen!)<br />

dann sage ich Ihnen einfach: Sie täuschen sich. Die<br />

Bürger wollen eine Entscheidung.<br />

(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Die Bür<br />

ger wollen selber entscheiden!)<br />

Die Bürger wollen, daß die Politiker ihre Tätigkeit in<br />

diesem ersten gesamtdeutschen Parlament nicht jahrelang<br />

dieser Frage zuwenden,<br />

(Detlev von Larcher [SPD]: Sie wissen ja, was<br />

die Bürger wollen!)<br />

sondern daß sie erheblich wichtigere Fragen lösen,<br />

die — das sei zugegeben — in den letzten Wochen im<br />

Parlament wegen der Entscheidung zwischen Bonn<br />

und Berlin zu kurz gekommen sind.<br />

Mit anderen Worten: Wir sind gut beraten, wenn wir<br />

das, was sich regional zum Teil emotionalisiert, -<br />

was<br />

natürlich Kreise über die regionalen Interessen hinaus<br />

schlägt, möglichst zügig entscheiden. Wir sollten sehen,<br />

daß dies eine wichtige Entscheidung ist, daß aber<br />

bedeutend wichtigere Entscheidungen durch dieses<br />

Parlament vorzubereiten, durchzuführen, zu diskutieren<br />

und letzten Endes auch endgültig zu treffen<br />

sind.<br />

Wir lehnen deshalb dieses Begehren ab. Ich sage<br />

noch einmal: Die Grundentscheidung über Volksentscheide<br />

hat nichts mit der Frage zu tun, was man den<br />

Bürgern letzten Endes zutraut, sondern hat damit zu<br />

tun, welcher Art von Demokratie man die größere Sta<br />

bilität und die bessere Wirkungskraft sowie die bessere<br />

Dienstleistung für den Bürger zutraut. Dazu war<br />

die Meinung der verfassungsgebenden Versammlung<br />

bei der Beratung unseres Grundgesetzes, daß die repräsentative<br />

Form der Demokratie der bessere Weg<br />

ist — ich unterstreiche diese Meinung —; sie hat sich<br />

auch mehr als 40 Jahre bewährt. Gerade die Bürger in<br />

den neuen Bundesländern haben natürlich auch demonstriert,<br />

um zu dieser Verfassung zu kommen, die<br />

für sie Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Freiheit<br />

garantiert hat.<br />

(Detlev von Larcher [SPD]: Das bestreitet<br />

keiner! — Norbert Geis [CDU/CSU]: Sehr<br />

richtig!)<br />

Der zweite Punkt ist: Wir sind der Meinung, daß wir<br />

uns der Verantwortung nicht entziehen sollten, so wie<br />

wir in Vertretung des Volkes und für das Volk gewählt<br />

worden sind, und zügig entscheiden sollten, damit<br />

endlich Planungen stattfinden können.<br />

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU — Detlev von Lar<br />

cher [SPD]: Sie weigern sich, dazuzuler<br />

nen!)<br />

Vizepräsident Hans Klein: Ich erteile zu einer Erklärung<br />

nach § 30 unserer Geschäftsordnung dem Abgeordneten<br />

Heuer das Wort.<br />

(Dr. Heribert Blens [CDU/CSU]: Das habe ich<br />

kommen sehen!)<br />

Dr. Uwe-Jens Heuer (PDS/Linke Liste) : Herr Präsident!<br />

Meine Damen und Herren! Herr Gerster hat<br />

erklärt, er sei nicht bereit, mir zu antworten, weil ich es<br />

sei, weil ich aus der SED komme, und weil die SED die<br />

Kommunalwahlen gefälscht habe und weil ich seit<br />

1948 in der SED gewesen sei.<br />

Mit meiner Geschichte könnte Herr Gerster sich<br />

befassen. Er könnte die beiden Bücher lesen, die ich<br />

hier genannt habe. Dann wäre ich gern bereit, mich<br />

mit ihm darüber, über mein und sein Demokratieverständnis<br />

zu unterhalten. Dabei könnten interessante<br />

Ergebnisse herauskommen.<br />

Er hat mir weiterhin gesagt, ich sollte in diesem<br />

Kreise nicht das Wort ergreifen. Ich bin in Sachsen für<br />

den <strong>Bundestag</strong> gewählt worden, um hier die Interessen<br />

meiner Wähler zu vertreten.<br />

(Zuruf von der CDU/CSU: Wo waren Sie<br />

denn beim Volksentscheid am 17. Juni<br />

1953?)<br />

Ich kann mir nicht von Ihnen den Mund verbieten lassen.<br />

Ich glaube, daß das nicht möglich ist. Ich muß das<br />

tun; ich bin dafür gewählt worden, und ich nehme<br />

dieses Recht für mich in Anspruch.<br />

(Dr. Herta Däubler-Gemlin [SPD]: Sie haben<br />

völlig recht!)<br />

Noch eine Bemerkung: Vor einer Woche ist hier von<br />

einem Abgeordneten der CDU erklärt worden, man<br />

solle hier miteinander hart in der Form, aber vernünftig<br />

in der Sache umgehen; auf lateinisch: fortiter in re,<br />

suaviter in modo.<br />

(Detlev von Larcher [SPD]: Das kann Herr<br />

Gerster nicht!)

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