33. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991 2657<br />
Gabriele Iwersen (SPD): Herr Präsident! Meine Damen<br />
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!<br />
Was erwarten wir von Europa im letzten Jahrzehnt<br />
dieses Jahrtausends? In erster Linie positive Veränderungen<br />
auf dem Weg in eine Gemeinschaft der Regionen<br />
mit annähernd gleichen wirtschaftlichen und sozialen<br />
Bedingungen. Die EG-Kommission arbeitet für<br />
dieses Ziel seit Jahren mit viel Energie und überschwemmt<br />
uns dabei mit einem gewaltigen Meer an<br />
bürokratischen Verfahrensregelungen, in dem die<br />
schöne Idee der Gemeinschaft unterzugehen droht.<br />
Wieder einmal stehen die Baukoordinierungsrichtlinien<br />
und die Überwachungsrichtlinie auf der Tagesordnung.<br />
Es geht um ihre Umsetzung in nationales<br />
Recht. Nach Art. 189 des EWG-Vertrages sind Richtlinien<br />
für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet werden,<br />
hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich,<br />
überlassen jedoch den innerstaatlichen Stellen<br />
die Wahl der Form und der Mittel.<br />
Um diese geeignete Form ist schon in der 11. Wahlperiode<br />
gerungen worden. Das Ergebnis war eindeutig.<br />
Der Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und<br />
Städtebau empfiehlt die Beibehaltung des in der Bundesrepublik<br />
üblichen Vergabesystems durch eine verbindliche<br />
Anwendung der VOB und VOL und erwartet<br />
dazu die notwendige Ergänzung des Haushaltsgrundsätzegesetzes,<br />
in das alle Eckwerte der EG-<br />
Kommissionsrichtlinie eingearbeitet werden müssen.<br />
An dieser Auffassung hat auch die Wahl zur<br />
12. Wahlperiode des Deutschen <strong>Bundestag</strong>es nichts<br />
ändern können.<br />
Es sei mir aber gestattet, an dieser Stelle mein Erstaunen<br />
zum Ausdruck zu bringen über die Hartnäkkigkeit,<br />
mit der die Willensbildung des Parlaments<br />
und auch die des Bundesrates ignoriert werden; denn<br />
anders kann ich die Tatsache nicht bezeichnen, daß<br />
wir erneut mit dieser Frage konfrontiert werden.<br />
Der gemeinsame Antrag der CDU/CSU, FDP und<br />
SPD soll sowohl der Bundesregierung als auch der<br />
EG-Kommission zeigen, daß der Bauausschuß nicht<br />
bereit ist, ein umfassendes Vergabegesetz mit dem<br />
Rechtsanspruch auf gerichtliche Nachprüfung des<br />
Verfahrens zu akzeptieren. Wir lehnen es ab, die fachkundige<br />
Beurteilung einer Vergabeentscheidung<br />
durch eine rein juristische Beurteilung zu ersetzen.<br />
Schon am 8. März 1989 hat der Bauausschuß eine<br />
diesbezügliche Stellungnahme abgegeben, die bereits<br />
am 9. und 10. März 1989 zu einem entsprechenden<br />
Einlenken der EG-Kommission führte; das heißt,<br />
die Richtlinie enthielt nicht mehr die Notwendigkeit,<br />
den am Vergabeverfahren Beteiligten einen Rechtsanspruch<br />
und, damit verbunden, einen Anspruch auf<br />
gerichtliche Nachprüfung des Verfahrens einzuräumen.<br />
Nach dem dort ausgehandelten Wortlaut würde,<br />
wie vom Ausschuß gefordert, eine Nachprüfung durch<br />
eine Verwaltungsinstanz genügen.<br />
Die EG-Kommission hat außerdem auf ihre Interventions-<br />
und Aussetzungsrechte verzichtet und<br />
wollte nunmehr nur noch gegebenenfalls als Gutachter<br />
die Mitgliedstaaten auf ihre, der EG-Kommission<br />
also bekanntgewordenen Verfahrensverstöße hinweisen<br />
und diese sozusagen aus erzieherischen Gründen<br />
veröffentlichen. Voraussetzung für diese Art der Beschwerdeinstanz<br />
ist allerdings, daß diese wieder von<br />
einer unabhängigen Instanz überprüft werden kann.<br />
Ist auch diese Instanz kein Gericht, so soll sie notfalls<br />
noch einmal einer gerichtlichen Nachprüfung unterliegen.<br />
Soweit der Sachstand vom April 1989, der im großen<br />
und ganzen auch den Einwendungen des Bundesrates<br />
im September 1987 Rechnung trägt.<br />
Am 15. Oktober 1990 erscheint ein Entwurf zur Umsetzung<br />
der EG-Richtlinien auf dem Gebiet des öffentlichen<br />
Auftragwesens und der Überwachungsrichtlinie<br />
in das Haushaltsgrundsätzegesetz. Auch die<br />
hierin enthaltene Überwachung durch je einen Beauftragten<br />
für das Vergabewesen bei Bund und Ländern<br />
erscheint allseits akzeptabel. Aber schon wieder treten<br />
Irritationen auf. Ein Schreiben der EG-Kommission<br />
vom September 1990 beanstandet abermals das<br />
Fehlen eines gerichtlichen Verfahrens zur Überprüfung<br />
von Verstößen, diesmal bei der schon längst in<br />
Kraft befindlichen Liefer- und Koordinierungsrichtlinie.<br />
Wieder kommt ein Vergabegesetz ins Gespräch.<br />
Es interessiert mich wirklich, an welcher Stelle dieser<br />
hartnäckige Verfechter juristischer Instanzen sitzt.<br />
Ich sage dies, in der Hoffnung, daß diese Stellungnahme<br />
hier im <strong>Bundestag</strong> mehr Wirkung erzielen<br />
wird als die bisherigen Bemühungen durch <strong>Bundestag</strong>sausschüsse,<br />
Bundesrat, Vertreter des Städtetages,<br />
des Städte- und Gemeindebundes, der Wirtschaftsminister<br />
der Länder, des Bund-Länder-Ausschusses<br />
Haushaltsrecht und Haushaltsdynamik und auch der<br />
Bauindustrie, in deren Interesse angeblich diese Liberalisierung<br />
des europäischen Baumarktes durchgeführt<br />
werden soll.<br />
(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr<br />
wahr!)<br />
Ich frage denjenigen, der das Verfahren immer wieder<br />
von Anfang an neu aufrollen möchte, in wessen Interesse<br />
er das eigentlich beabsichtigt. Ich würde ja in<br />
diese Richtung gucken, aber ich nehme an, daß er da<br />
nicht sitzt, und deshalb gucke ich weiterhin ins Plenum.<br />
Die Notwendigkeit für eine weitere Liberalisierung<br />
des öffentlichen Auftragswesens im gemeinsamen<br />
Markt und die zu dessen Durchsetzung angeblich notwendige<br />
Überwachung bzw. gerichtliche Überprüfung<br />
sollte doch im Interesse der potentiellen Güter<br />
bei den zukünftigen öffentlichen Ausschreibungen<br />
liegen.<br />
Diese aber lehnen ein Vergabegesetz aus vielerlei<br />
Gründen ab. Wichtige Einwände sind die überlangen<br />
gerichtlichen Verfahren mit der Möglichkeit der Aussetzung<br />
des Vergabeverfahrens. Die Blockadewirkung<br />
dieser Prüfinstrumente muß sich einfach investitionshemmend<br />
auswirken. Daß heißt, es muß befürchtet<br />
werden, daß die vorgeschlagenen endlosen bürokratischen<br />
Verfahren mit anschließenden zeitaufwendigen<br />
gerichtlichen Überprüfungen nicht zu einer<br />
Liberalisierung des Binnenmarktes, sondern zu einem<br />
Zusammenbruch der öffentlichen Investitionstätigkeit<br />
führen.