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33. Sitzung - Deutscher Bundestag

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2582 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991<br />

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Der Abgeordnete<br />

Lambinus — geschäftskundig, wie er ist —<br />

wird jetzt eine Zwischenfrage stellen.<br />

(Heiterkeit)<br />

Uwe Lambinus (SPD): Herr Kollege Geis, wollen Sie<br />

ernsthaft behaupten, daß das in Bayern gegebene Institut<br />

des Volksbegehrens und Volksentscheides dort<br />

den Parlamentarismus in Frage stellt, und können Sie<br />

bestätigen, daß selbstverständlich im Rahmen des<br />

Volksbegehrens und Volksentscheides in Bayern der<br />

Landtag vorher in vielen Fällen seine Meinung zu der<br />

zur Beantwortung anstehenden Frage sagt?<br />

(Dr. Peter Stuck [SPD]: Jetzt sind Sie aber<br />

sprachlos!)<br />

Norbert Geis (CDU/CSU): Ich möchte Ihnen zu dem<br />

Volksentscheid vom 17. Februar in Bayern folgendes<br />

sagen: Er hat keine Befriedung in der Bevölkerung<br />

herbeigeführt. Im übrigen bin ich der Auffassung, daß<br />

die Bevölkerung in Bayern am 17. Februar aufgerufen<br />

war, über einen Fragenkomplex zu entscheiden, den<br />

zu beurteilen sie auf Grund der Tatsache, daß ein Riesenpaket<br />

von Papieren vorgelegt worden ist, in dem<br />

ein ganzer Gesetzentwurf stand, nicht in der Lage<br />

war.<br />

(Lachen bei der SPD — Detlev von Larcher<br />

[SPD]: Das Volk ist dumm, nur die Abgeord<br />

neten sind klug!)<br />

Das genau ist ja die Bestätigung des parlamentarischen<br />

Regierungssystems.<br />

(Zuruf von der SPD)<br />

— Vielleicht ist es möglich, daß ich meine Ausführungen<br />

einmal ohne Zwischenrufe zu Ende bringen kann;<br />

Sie haben mich ja gefragt.<br />

Wir, die Abgeordneten, haben die Möglichkeit und<br />

auch eher die Zeit, uns den Sachverstand anzueignen,<br />

der notwendig ist, um in einer so komplizierten Frage<br />

der Müllentsorgung, wie es am 17. Februar in Bayern<br />

der Fall gewesen ist, entscheiden zu können. Deswegen<br />

ist es im Grunde genommen sehr, sehr fragwürdig,<br />

ob man — wie in Bayern geschehen — das Volk<br />

auf diese Weise zur Entscheidung anrufen soll.<br />

(Abg. Herbert Werner [Ulm] [CDU/CSU],<br />

Abg. Gudrun Weyel [SPD] und Abg.<br />

Dr. Wolfgang Ullmann [Bündnis 90/GRÜNE]<br />

melden sich zu einer Zwischenfrage)<br />

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Abgeordneter<br />

Geis, ich möchte einmal auf die Geschäftslage<br />

aufmerksam machen. Wir haben jetzt - noch drei<br />

Wünsche an Sie nach Zwischenfragen vorliegen. Weitere<br />

werde ich auch nicht zulassen, unabhängig davon,<br />

wie Sie sich entscheiden.<br />

(Zurufe von der SPD)<br />

— Das ist mein gutes Recht. Ich mache darauf aufmerksam,<br />

daß die Debatte nach den jetzigen Berechnungen<br />

zwischen 0.00 und 0.30 Uhr enden wird. Eine<br />

Verlängerung — bisher habe ich die Zeiten ja nicht<br />

angerechnet — wäre, glaube ich, für das ganze Haus<br />

unzumutbar.<br />

Meine herzliche Bitte ist also, noch einmal kurz auf<br />

den Abgeordneten Lambinus einzugehen und, wenn<br />

Sie wollen, die Zwischenfragen zuzulassen. Wir fassen<br />

sie dann zusammen und machen anschließend im<br />

normalen Debattenverlauf weiter. Denn sonst bekommen<br />

Sie für die Antworten mehr Zeit, als Ihnen insgesamt<br />

als Redezeit zur Verfügung steht. Auch das ist<br />

dann nicht im Sinne der Geschäftsordnung.<br />

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)<br />

Norbert Geis (CDU/CSU): Herr Präsident, ich entscheide<br />

mich ganz in Ihrem Sinne. Ich möchte die weiteren<br />

Zwischenfragen nicht mehr zulassen.<br />

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Okay,<br />

danke schön. Dann, bitte sehr, fahren Sie fort, Herr<br />

Abgeordneter.<br />

Norbert Geis (CDU/CSU): Ich möchte in meinen<br />

Ausführungen fortfahren.<br />

Unser Grundgesetz hat gerade in der Wiedervereinigung<br />

seine bisher größte Bestätigung erhalten. Als<br />

die Deutschen in der vormaligen DDR endlich die<br />

demokratische Selbstbestimmung erlangt hatten, haben<br />

sie sich nicht nur für die deutsche Einheit, sondern<br />

auch für die Grundordnung entschieden, nach der wir<br />

über 40 Jahre lang gelebt haben, die uns in unserer<br />

Geschichte nie dagewesene Freiheiten beschert hat<br />

und die uns einen nie für möglich gehaltenen Wohlstand<br />

erwirkt hat.<br />

Wer deshalb jetzt nach dem angeblich wahren Willen<br />

des Volkes fragt, der mißachtet die Tatsache, daß<br />

sich die Menschen im östlichen Teil unseres Vaterlandes<br />

wie auch im westlichen Teil unseres Vaterlandes<br />

längst unter dem gemeinsamen Dach unseres Grundgesetzes<br />

zusammengefunden haben. Nur scheinen<br />

manche aus der SPD, die so sehr nach dem Volk rufen,<br />

noch gar nicht gemerkt zu haben, daß sich das Volk<br />

längst für unser Grundgesetz entschieden hat.<br />

(Uwe Lambinus [SPD]: Das ist doch nicht die<br />

Frage!)<br />

— Das ist schon die Frage, weil Sie nämlich erklärtermaßen<br />

über den Volksentscheid den Einstieg in eine<br />

Gesamtrevision unseres Grundgesetzes finden wollen.<br />

(Uwe Lambinus [SPD]: Das ist doch<br />

Quatsch!)<br />

Wir werden uns von Anfang an — dies sei gesagt —<br />

mit aller Macht gegen ein solches Vorgehen wenden.<br />

(Detlev von Larcher [SPD]: Nichts darf verän<br />

dert werden!)<br />

Der Parlamentarische Rat hat, als er das Grundgesetz<br />

verfaßt hat, an die Tradition der Weimarer Republik<br />

anknüpfen können. Aber er hat zum Glück auch<br />

den Versuch unternommen, die Fehler der Weimarer<br />

Republik nicht zu übernehmen. Er hat sich deshalb<br />

gegen Volksbegehren und gegen Volksentscheid, die<br />

ja damals vorgesehen waren und auch weidlich genutzt<br />

worden waren, entschieden. Denn bis zum Jahre<br />

1926 war es für die Linken und nach dem Jahre 1926<br />

war es für die Rechten ein Fest — ein Fest für die<br />

Demagogen — die Mittel des Volksbegehrens und<br />

des Volksentscheides dazu zu benutzen, die Demokratie<br />

selbst anzugreifen.

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