33. Sitzung - Deutscher Bundestag
33. Sitzung - Deutscher Bundestag
33. Sitzung - Deutscher Bundestag
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
2674 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991<br />
Dr. Jürgen Starnick<br />
aufbauende verkehrspolitische Debatte zu führen.<br />
Denn wenn man den Antrag liest, kommt man natürlich<br />
schnell zu dem Ergebnis, daß nichts anderes damit<br />
gewollt ist.<br />
Aber welch ein Pech. Das Wetter spielt nicht mit, der<br />
liebe Gott ist ungerecht. Aber vielleicht ist er, wie ich<br />
meine, nicht ungerecht, sondern weise, hebt er doch<br />
den Finger und macht uns darauf aufmerksam, liebe<br />
Frau Hartenstein: Nicht der Verkehr ist die Ursache<br />
für das Entstehen von Ozon, sondern der Sonnenschein.<br />
(Dr. Ulrich Böhme [Unna] [SPD]: Meinen Sie<br />
das, was Sie sagen, ernst? Unglaublich!)<br />
Vizepräsident Helmuth Becker: Herr Kollege Starnick,<br />
gestatten Sie eine Zwischenfrage unserer Kollegin<br />
Liesel Hartenstein?<br />
Dr. Jürgen Starnick (FDP): Einen kleinen Moment<br />
noch.<br />
Gleichwohl möchte ich natürlich nicht bestreiten,<br />
daß Luftschadstoffe, insbesondere Abgase aus dem<br />
Kraftfahrzeugverkehr, zur Entstehung erdnahen<br />
Ozons beitragen. Denn sie beschleunigen die Bildung<br />
von Ozon, sobald die Sonne scheint. Aber sie beschleunigen<br />
auch den Abbau des Ozons.<br />
So mag es zwar verwunderlich sein — aber es ist<br />
letztlich erklärbar — , daß bei einer Sommersmogwetterlage<br />
in Ballungsräumen die niedrigsten Ozonwerte<br />
oft dort gemessen werden, wo in den Großstädten der<br />
stärkste Verkehr tobt.<br />
Bitte, Frau Hartenstein.<br />
Dr. Liesel Hartenstein (SPD): Herr Kollege Starnick,<br />
darf ich Sie fragen, ob Sie eine Schadstoffkonzentration,<br />
die so gravierende Gesundheitsschäden verursacht,<br />
nicht doch für ernsthaft genug halten, um sie<br />
auch ernsthaft zu behandeln? Und darf ich Sie an<br />
etwas erinnern — was Sie vielleicht gar nicht wissen<br />
können —, daß die SPD-Fraktion bereits 1989 eine<br />
ähnliche Initiative eingebracht hat, aber leider erfolglos<br />
geblieben ist? Sie hat sie eingebracht, weil wir die<br />
üble Situation verbessern wollen. Nur, die Frage ist,<br />
ob Sie wenigstens anerkennen, daß es uns um die<br />
Sache und die Verbesserung eines Übelstandes<br />
geht.<br />
(Beifall bei der SPD)<br />
Dr. Jürgen Starnick (FDP): Sehr verehrte Frau Hartenstein,<br />
ich erkenne das durchaus an. Wenn -<br />
ich das<br />
jetzt etwas ironisch oder vielleicht auch launisch vortrage,<br />
dann tue ich das wegen eines Punktes, der meines<br />
Erachtens die große Schwäche dieses Antrags ist.<br />
Ich will etwas später darauf zu sprechen kommen.<br />
Tatsache ist jedenfalls — das belegen Messungen<br />
im Berliner Luftgütemeßnetz, das nach meinem<br />
Kenntnisstand das dichteste Meßnetz überhaupt in<br />
dieser Republik ist — , daß dort, wo wir starke Emissionen<br />
aus dem Verkehr haben, während einer Smogwetterlage<br />
die Ozonwerte teilweise niedriger als in<br />
einem Reinluftgebiet sind. Es ist nun einmal gemessene<br />
Tatsache, daß wir dort in Deutschland, wo wir die<br />
reinste Luft haben, nämlich auf der Zugspitze, die<br />
höchsten Ozonwerte messen.<br />
(Dr. Klaus Kübler [SPD]: Woher kommt<br />
das?)<br />
Ich nenne das immer — ich erlaube mir, das auch<br />
hier so zu nennen — das Ozon-Paradoxon, weil es<br />
nicht jedem im ersten Moment einsichtig ist. Man muß<br />
natürlich etwas genauer auf die Entstehungsgeschichte<br />
des erdnahen Ozons schauen.<br />
(Monika Ganseforth [SPD]: In der Strato<br />
sphäre hätten wir sogar gern mehr!)<br />
— Ja, natürlich hätten wir das dort ganz gern.<br />
(Dr. Klaus Kübler [SPD]: Das entschärft doch<br />
nicht die Ursache!)<br />
— Richtig; das entschärft nicht die Ursache.<br />
(Dr. Hartmut Soell [SPD]: Das läuft auf Philo<br />
sophie hinaus!)<br />
Ich sage das, meine sehr verehrten Kollegen von der<br />
SPD, weil das, was Sie jetzt beabsichtigen, etwas ist,<br />
womit Sie das umweltpolitische Pferd vom Schwanz<br />
aufzäumen. Denn wenn Sie einen Sekundärschadstoff,<br />
der sich — wenn man es so sagen will — letzten<br />
Endes wie ein Beelzebub verhält und bei dem es vom<br />
Wetter und von der Intensität des Sonnenscheins abhängt,<br />
ob er in einer hohen Konzentration auftritt, zu<br />
einer Leitgröße für die Beurteilung der Luftqualität<br />
machen wollen, dann setzen Sie schlicht auf den verkehrten<br />
Schadstoff.<br />
(Monika Ganseforth [SPD]: Wir wollen das<br />
Problem lösen!)<br />
— Sie setzen dabei aber auf den verkehrten Schadstoff.<br />
Wenn Sie das machen wollen — was ich durchaus<br />
anerkenne — , dann müssen Sie konsequenterweise<br />
auf einen Primärschadstoff wie beispielsweise Stickoxid<br />
setzen. Dies ist ein Qualitätsmaßstab zur Beurteilung<br />
unserer Umweltsituation, nicht aber ein Schadstoff,<br />
der mit so vielen Zufälligkeiten behaftet ist, in<br />
welcher Konzentration er auftritt und wann er auftritt.<br />
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)<br />
Ich möchte ganz kurz auch noch auf den Wert eingehen,<br />
der angegeben worden ist, nämlich den Ozonemissionsgrenzwert<br />
von 120 Mikrogramm/m 3. Wenn<br />
er für das, wofür er hier herangezogen werden soll,<br />
nicht geeignet ist, sollte man eigentlich gar nicht weiter<br />
darüber reden. Aber die Erfahrung ist ja, daß bei<br />
der Nennung solcher Werte schnell der Eindruck vermittelt<br />
wird, hiermit werde ein Grenzwert angegeben,<br />
dessen Überschreitung auf jeden Fall gesundheitliche<br />
Gefahren nach sich ziehe.<br />
Leider fehlen noch immer Wirkungsforschungsstudien,<br />
aus denen für Ozon ein Grenzwert mit der gleichen<br />
Zuverlässigkeit wie etwa für Schwefeldioxid und<br />
Schwebstäube beim Wintersmog abgeleitet werden<br />
kann. Leider ist das so.<br />
Das mag auch daran liegen, daß die Empfindlichkeit<br />
gegenüber Ozon individuell sehr unterschiedlich