33. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991 2663<br />
Dr. Klaus-Dieter Feige<br />
Deutschland der Bevölkerung der betroffenen Region<br />
in besonderer Weise verpflichtet sein.<br />
Diese Mitverantwortung ist dann auch eine Mitverantwortung<br />
für den Schutz des Ökosystems Erde. Die<br />
drohende Erwärmung der Erdatmosphäre und die<br />
fortschreitende Zerstörung der Ozonschicht haben<br />
bereits in den letzten Jahren deutlich gemacht, daß<br />
nur eine strukturelle Veränderung der wirtschaftlichen<br />
Abhängigkeit von fossilen Energieträgern die<br />
Gefahren des Treibhauseffektes und anderer umweltund<br />
gesundheitsschädigender Auswirkungen der<br />
Verbrennung fossiler Energieträger mildern kann.<br />
Drei Erdölkrisen in 17 Jahren und schließlich der<br />
Golfkrieg sind eine kleine Warnung, daß die Welt auf<br />
dem Weg der Unabhängigkeit vom Öl nicht weitergehen<br />
kann.<br />
Ich weiß, die Damen und Herren der Koalition werden<br />
wie bei der Diskussion des Antrags der SPD-Fraktion<br />
zur Hilfe beim Löschen der kuwaitischen Ölbrände<br />
in der letzten Woche wieder beteuern, daß sie<br />
ja schon alles Mögliche versucht haben. Doch die versprengte<br />
unkonzeptionelle Hilfe an einzelnen Punkten<br />
genügt der erforderlichen deutschen Mitverantwortung<br />
keineswegs. Erst ein Gefüge aus Soforthilfen,<br />
vorbeugenden technischen und langfristig wirkenden<br />
politischen Maßnahmen auch hier bei uns zu<br />
Hause in Deutschland gibt uns die Chance zu einer<br />
Lösung für diese Herausforderung.<br />
In unserem Antrag haben wir ein Bündel notwendiger<br />
Maßnahmen zusammengefaßt. Erstens: umfassende<br />
Hilfeleistung bei der Erkundung, Erforschung,<br />
Beseitigung von unmittelbaren Kriegsauswirkungen<br />
durch die Ölpest im Persischen Golf; das, was dort<br />
angedacht ist, reicht nicht.<br />
Zweitens. Die bereits bestehenden Bemühungen<br />
bei der Löschung der Ölbrände sind zu intensivieren<br />
und auch durch internationale Aktivitäten zu unterstützen.<br />
Hierbei geht es auch um die Bereitstellung<br />
finanzieller Mittel.<br />
Drittens. Beim Umweltbundesamt ist eine Expertengruppe<br />
zusammenzustellen, die unmittelbar mit<br />
der regionalen Umweltorganisation ROPME zusammenarbeiten<br />
kann.<br />
Viertens. Kurzfristig ist ein humanitäres Hilfsprogramm<br />
zur Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung,<br />
Trinkwasserbereitstellung und medizinische<br />
Betreuung der Zivilbevölkerung in den betroffenen<br />
Gebieten aufzubauen. Die Arbeiten von Organisationen<br />
wie Rotem Kreuz beziehungsweise Rotem Halbmond<br />
in den von Flüchtlingsströmen betroffenen Gebieten<br />
sind mit 1 Milliarde DM zu unterstützen.<br />
Fünftens. Die Bundesregierung sollte eine Konferenz<br />
der Vertragsstaaten des Umweltkriegsübereinkommens<br />
mit dem Ziel der Überprüfung und Verschärfung<br />
des Abkommens beantragen, um eine internationale<br />
Ächtung und Verfolgung von Methoden<br />
der Kriegführung gegen die Umwelt zu erreichen, und<br />
sie sollte auf alle Partner in der NATO einwirken, endlich<br />
das Umweltkriegsübereinkommen und das<br />
46. Zusatzprotokoll zur Genfer Konvention der Vereinten<br />
Nationen von 1977 verbindlich anzuerkennen.<br />
Sechstens. Die Folgen aus Kriegen und fossile Energieträger<br />
machen zwingend einen konsequenten Umbau<br />
auch der nationalen Wirtschaftsweise notwendig.<br />
Das betrifft sowohl die Energieproduktion überhaupt,<br />
insbesondere Markteinführungshilfen für erneuerbare<br />
Energieträger bei gleichzeitiger Einschränkung<br />
beziehungsweise dem mittelfristigen<br />
Ausstieg aus der Öl- und Atomwirtschaft. Das bedeutet<br />
aber auch, unverzüglich den Stromvertrag in den<br />
neuen Bundesländern zu annullieren und den ostdeutschen<br />
Kommunen beim Aufbau eigenständiger<br />
Energiedienstleistungsunternehmen zu helfen.<br />
Siebtens. Wir schlagen Maßnahmen für eine umfassende<br />
Neugestaltung der Verkehrspolitik der Bundesrepublik<br />
vor. Ein wesentliches Element ist dabei<br />
der Auftrag an die Regierung, dem <strong>Bundestag</strong> noch<br />
1991 einen Entwurf eines Mineralölabgabegesetzes<br />
vorzulegen, durch den über eine spürbare Verteuerung<br />
von Vergaser- und Dieselkraftstoff eine nennenswerte<br />
Verlagerung von motorisiertem zu nichtmotorisiertem<br />
Individualverkehr und öffentlichem<br />
Personennahverkehr gewährleistet wird.<br />
Achtens und letztens. Die Bundesregierung wird<br />
aufgefordert, sich für einen globalen und umfassenden<br />
Schuldenerlaß für die Länder der sogenannten<br />
Dritten Welt einzusetzen, um für diese die Chancen<br />
ökologischer und sozialer Reformen wesentlich zu<br />
verbessern und eine ressourcenschonende Wirtschaft<br />
aufzubauen. Dies setzt allein schon aus Gründen der<br />
Glaubwürdigkeit natürlich die Durchführung der vorgeschlagenen<br />
umfassenden Aktivitäten auf nationaler<br />
Ebene voraus.<br />
Es darf keinen Krieg mehr geben.<br />
Ich danke für die Aufmerksamkeit.<br />
(Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE und der<br />
PDS/Linke Liste sowie bei Abgeordneten der<br />
SPD)<br />
Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Feige, es<br />
war ein Mißverständnis. Es war eine Zehn-Minuten-<br />
Rede vereinbart, Sie haben sich durch die Lampe, die<br />
da dauernd leuchtet, aber nicht ganz aus der Fassung<br />
bringen lassen.<br />
Es geht mit Zehn-Minuten-Beiträgen weiter. Der<br />
nächste Redner ist unser Kollege Dr. Norbert Rieder.<br />
Dr. Norbert Rieder (CDU/CSU): Herr Präsident!<br />
Meine Damen und Herren! Ohne Zweifel hat uns die<br />
Situation am Golf gezeigt, daß wir Deutsche uns nicht<br />
isoliert sehen dürfen, vor allen Dingen nicht isoliert<br />
von den militärischen und ökologischen Folgen eines<br />
Konflikts, der sich scheinbar weit weg von uns abspielt.<br />
Es kann uns eben nicht mehr egal sein, wenn<br />
sich weit hinten in der Türkei die Völker schlagen;<br />
doch die Politik der Bundesregierung zeigte eindeutig,<br />
daß eine isolierte Haltung, ein Zurücklehnen in<br />
den bequemen Ohrensessel eben nicht ihre Art ist, hat<br />
doch Minister Töpfer sehr schnelle Hilfe gebracht.<br />
Unsere deutschen Ölsperren haben in vielen Fällen<br />
das Schlimmste verhindert, wenn auch diese Hilfe bei<br />
der Größe der Aufgabe mitten im verminten Gebiet<br />
nur ein Tropfen auf den heißen Stein war. Deutsche<br />
Meßtechnik ist zur Erfassung der ökologischen Ge-