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33. Sitzung - Deutscher Bundestag

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2588 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991<br />

Dr. Uwe-Jens Heuer<br />

Trotz der dargelegten Bedenken hinsichtich der<br />

Konsequenz des Vorgehens sind wir für diesen Einstieg<br />

in eine Periode der Verbindung von repräsentativer<br />

und unmittelbarer Demokratie.<br />

Meine Damen und Herren, 1918 führten Trotzki,<br />

Lenin und Kautsky eine Demokratiedebatte. In dieser<br />

Diskussion erklärte Karl Kautsky, daß, bevor das Volk<br />

die Macht ergreifen könne, es erst lernen müsse. Bevor<br />

man ein Pferd besteige, müsse man erst, wie er, in<br />

eine Reitschule gegangen sein. Trotzki antwortete<br />

ihm, daß man Reiten nur in dieser Tätigkeit selbst lernen<br />

könne.<br />

Meine 17 Damen und Herren von der CDU/CSU<br />

und der FDP, haben Sie den Mut, das Volk auf das<br />

Pferd zu setzen!<br />

Danke schön.<br />

(Beifall bei der PDS/Linke Liste)<br />

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nun hat<br />

der Abgeordnete van Essen das Wort.<br />

Jörg van Essen (FDP): Herr Präsident! Meine Damen<br />

und Herren! Wir bestreiten es überhaupt nicht:<br />

Es können gewichtige Gründe für eine stärkere Mitbestimmung<br />

des Volkes bei politischen Entscheidungen<br />

ins Feld geführt werden. Die friedliche Revolution<br />

in der ehemaligen DDR hat ein hohes Maß an Besonnenheit<br />

und Vernunft der Bevölkerung gezeigt.<br />

Wann, wenn nicht jetzt, wäre die Zeit reif für die Einführung<br />

eines Volksentscheides?<br />

Trotzdem hat die Mehrzahl der Sachverständigen,<br />

die der Rechtsausschuß in der vergangenen Woche<br />

gehört hat, massive, insbesondere verfassungspolitische<br />

Bedenken gegen den Entwurf der SPD vorgebracht<br />

und damit deutlich die ablehnende Haltung<br />

der FDP gestützt.<br />

Frau Däubler, wir haben diese Frage übrigens sehr<br />

sorgfältig und ausgiebig in der Fraktion diskutiert und<br />

unsere Position mit nur einer Gegenstimme und einer<br />

Enthaltung beschlossen.<br />

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Abgeordneter<br />

van Essen, der Abgeordnete Schmude<br />

möchte gerne eine Zwischenfrage stellen.<br />

Jörg van Essen (FDP): Herr Präsident, im Hinblick<br />

auf Ihre Ausführungen zur Zeit möchte ich keine Zwischenfragen<br />

gestatten. Außerdem glaube ich, daß<br />

man auch mit Zwischenfragen aus einem Zwergpony<br />

keinen rassigen Araber machen kann.<br />

(Beifall bei der FDP — Detlev von - Larcher<br />

[SPD]: Meinen Sie sich selbst oder die Sa<br />

che?)<br />

Von den Sachverständigen ist zu Recht insbesondere<br />

darauf hingewiesen worden, daß nach dem<br />

Grundgesetz mit der parlamentarischen Macht<br />

gleichzeitig die Verantwortung übertragen wird, für<br />

andere zu entscheiden. Aus dieser Verantwortung<br />

darf es keinen Fluchtweg geben, besonders dann<br />

nicht, wenn dieser so offenkundig eine Verlegenheitslösung<br />

ist wie hier.<br />

Die SPD verbrämt dies in ihrer Begründung damit,<br />

daß die Frage des Regierungssitzes die Bürgerinnen<br />

und Bürger in außerordentlichem Maße bewegt. Bei<br />

der Bandbreite dessen, was bei unseren Wählern zu<br />

starken Emotionen führt, wirft diese alleinige und<br />

gleichzeitig dünne Begründung für eine so schwerwiegende<br />

Maßnahme wie eine Verfassungsergänzung<br />

die Frage auf, welchen Stellenwert die SPD dem<br />

unabängigen Parlament noch beimißt.<br />

(Beifall bei der FDP)<br />

Sollen wir nur noch bei den das Volk nicht interessierenden<br />

Fragen der Entscheidungsträger sein? Gerade<br />

als neugewählter Abgeordneter lasse ich mir auch bei<br />

unangenehmen und schwierigen Fragen die Verantwortung<br />

nicht aus der Hand nehmen.<br />

(Zustimmung bei der FDP)<br />

Es kann und darf nicht nach Belieben auf das Volk<br />

zurückgegriffen werden.<br />

Eine zweite Überlegung macht die Fragwürdigkeit<br />

des vorliegenden Entwurfs noch deutlicher. Die<br />

grundlegende Entscheidung über den Beitritt der<br />

Länder der DDR zur Bundesrepublik, aber auch die<br />

Bestimmung Berlins zur Hauptstadt sind ohne Rückgriffe<br />

auf das Volk entschieden worden. Es bedeutet<br />

doch gerade keine Anerkennung des Volkes als<br />

Souverän, wenn es nun in einer demgegenüber nachrangigen<br />

Frage aus bloßer Entscheidungsschwäche<br />

der dazu eigentlich Berufenen gefragt wird.<br />

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)<br />

So verfassungspolitisch wünschenswert die Diskussion<br />

über eine stärkere Einbeziehung des Bürgers in<br />

politische Entscheidungen sein mag, wobei ich persönlich<br />

aus meiner Zurückhaltung in dieser Frage keinen<br />

Hehl mache, so schädlich ist ein Hauruckverfahren,<br />

wie es hier nun versucht wird. Gerade die sehr<br />

unterschiedlichen Erfahrungen in einigen Bundesländern<br />

und auch im Ausland zwingen zu sorgfältigen<br />

Überlegungen, wo und unter welchen Bedingungen<br />

stärkere pelbiszitäre Elemente erwünscht sein können.<br />

Dabei ist ein Punkt weitgehend unstrittig: Plebiszite<br />

helfen nicht bei der Entscheidung besonders<br />

komplexer Sachverhalte; sie behindern gerade in<br />

diesem Bereich notwendige und sachdienliche Kompromisse.<br />

Der SPD-Entwurf verschleiert dies nur, indem er<br />

ausschließlich die Frage der Lokalität des Parlamentsund<br />

Regierungssitzes zur Entscheidung stellt. Wichtige<br />

andere entscheidungsbedürftige Bereiche wie die<br />

Zeitachse bei einer Verlagerung nach Berlin und deren<br />

Kosten bleiben völlig offen. Ein Ende der Diskussion<br />

und eine konsensfördernde Wirkung des Volksentscheids<br />

sind damit gerade nicht zu erwarten.<br />

Völlig ungeklärt ist auch die Frage, in welcher Mindestbeteiligung<br />

von Stimmberechtigten das Plebiszit<br />

eine Wirkung entfalten soll. Die Frage ist auch deshalb<br />

sehr aktuell, weil bei der Bürgerschaftswahl in<br />

Hamburg die Gruppe der Nichtwähler bereits die<br />

stärkste Partei war.<br />

(Uwe Lambinus [SPD]: Warum wohl?)<br />

Gerade nach den Erfahrungen in Weimar sind auch<br />

hier sorgfältige Überlegungen vonnöten.<br />

Das Stichwort Kosten ist von mir in anderem Zusammenhang<br />

bereits genannt worden. Dabei drängt sich

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