33. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991 2625<br />
Manfred Opel<br />
dern erwies sich auch, wie Sie ja selbst gesagt haben,<br />
als höchst unvollständig und unausgewogen.<br />
(Günther F riedrich Nolting [FDP]: Sie haben<br />
nicht zugehört!)<br />
Würde das sogenannte Ressortkonzept in der vorliegenden<br />
Form umgesetzt, wären vermeidbare Nachteile<br />
und soziale Härten bei den betroffenen Bundeswehrangehörigen,<br />
Gemeinden und Regionen die<br />
Folge. Vor allem die Soldaten vermögen aus dem Konzept<br />
nicht zu erkennen, wie ihre sozialen Belange<br />
wahrgenommen werden sollen. Das aber haben diejenigen<br />
— in erster Linie in den Standortgemeinden —,<br />
die in der Vergangenheit viel in Kauf genommen haben,<br />
um den Frieden in Europa zu sichern, nicht verdient.<br />
Um es klar zu sagen: Das Ressortkonzept des<br />
Verteidigungsministers ist sozial- und strukturpolitisch<br />
unakzeptabel.<br />
Den Plänen des Verteidigungsministers fehlt insbesondere<br />
die Ausrichtung auf ein politisches, strategisches<br />
und operatives Konzept. So werden lediglich<br />
überwiegend veraltete Strukturen fortgeschrieben.<br />
Die Beschaffung der Dinosauriersysteme des Kalten<br />
Krieges wird fortgesetzt, als sei in der Zwischenzeit<br />
überhaupt nichts geschehen.<br />
(Beifall bei der SPD)<br />
Die Aufgabenteilung zwischen den Teilstreitkräften<br />
wurde nicht neu definiert, obgleich eine Umplanung<br />
zugunsten der Ma rine — hier trete ich Ihnen bei,<br />
Herr Koppelin — dringend geboten ist.<br />
(Zuruf von der CDU/CSU: Militärisches<br />
Fossil!)<br />
Fazit: Das sogenannte Ressortkonzept ist auch politisch<br />
und militärisch nicht tragfähig.<br />
(Beifall bei der SPD)<br />
Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien,<br />
wir laufen ernsthaft Gefahr, die „Friedensdividende"<br />
zu verspielen. Das sollten Sie sich einmal zu<br />
Gemüte führen.<br />
(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Nennen<br />
Sie uns mal Ihr Konzept!)<br />
Man nehme nur einmal das Beispiel des Landesteils<br />
Schleswig im Norden Schleswig-Holsteins. Da läßt<br />
der Verteidigungsminister ausgerechnet eine der<br />
strukturschwächsten Regionen dieser Republik am<br />
meisten bluten. Das beweist das heute veröffentlichte<br />
Konzept für die „Zivilbediensteten bei den Streitkräften"<br />
sogar verstärkt. Die diesbezüglichen Ausführungen<br />
des Kollegen Koppelin sind richtig, und ich<br />
schließe mich ihnen an. Im übrigen, Herr Kollege<br />
-<br />
Koppelin,<br />
wurde Itzehoe vom Verteidigungsminister ja<br />
schon bestraft. Dort wurde der Standort sang- und<br />
klanglos geschlossen. Die zahlreichen und konstruktiven<br />
Alternativvorschläge, die wir gemacht haben,<br />
stießen beim Minister auf taube Ohren.<br />
Wir benötigen dringend die Aufschlüsselung der<br />
zukünftigen Personalstruktur nach Dienstgraden und<br />
Laufbahnen. Wir brauchen endlich die Vergleichszahlen<br />
für alle zivilen Mitarbeiter der Bundeswehr<br />
und nicht nur für einen Teil. Wir müssen die Planzahlen<br />
in Jahresschritten präzise genannt erhalten. Die<br />
Bürgermeister und Landräte wissen nämlich im Mo<br />
ment nicht, wie ihre Planung vor Ort aussieht. Es<br />
herrscht dort absolute Unsicherheit.<br />
(Beifall bei der SPD)<br />
Wir brauchen ein Abrüstungsfolgen-Gesetz mit folgenden<br />
drei Elementen: erstens ein Konzept für soziale<br />
Konversion in Form von sozialer Absicherung<br />
der Soldaten und der zivilen Mitarbeiter der Bundeswehr<br />
sowie für alle anderen Betroffenen, zweitens ein<br />
Konzept zur Standortekonversion für wirtschaftliche<br />
Hilfen, in erster Linie für die betroffenen Kommunen,<br />
drittens ein Konzept für Rüstungskonversion, bestehend<br />
vor allem aus Überleitungsmaßnahmen von der<br />
Rüstungsproduktion in die zivile Produktion. Wichtig<br />
ist, daß wir damit weiterkommen, daß Sicherheit vor<br />
Ort entsteht.<br />
Vorzuwerfen ist dem Verteidigungsminister vor allem<br />
auch, daß er seine Planungsarbeit wie seine Privatsache<br />
gefahren hat. Er hätte Gemeinden, Kreise,<br />
Länder, Berufsverbände, Personalräte, Vertrauenspersonen,<br />
Gewerkschaften und andere Betroffene von<br />
Anfang an beteiligen müssen. Dann wären die eklatanten<br />
Fehler, die nun leider zu verzeichnen sind, vermeidbar<br />
gewesen.<br />
So haben wir heute Gemeinden, die ihre Soldaten<br />
loswerden wollen, sie aber behalten müssen; und umgekehrt<br />
solche, die ihre Soldaten behalten wollen, sie<br />
aber abgeben müssen. Genau das hätte man durch<br />
Offenheit von Anfang an anders machen können.<br />
Wir hoffen, daß der Verteidigungsminister endlich<br />
Einsicht zeigt, sich kooperationswillig sowie vor allem<br />
kooperationsfähig erweist und daß wir die Planung in<br />
der Substanz in dem Sinne, wie ich es gesagt habe,<br />
noch im Laufe der nächsten Monate grundlegend korrigieren<br />
können.<br />
Ich danke Ihnen.<br />
(Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/<br />
GRÜNE)<br />
Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und<br />
Herren, nächster Redner ist unser Kollege Hans Raidel.<br />
Hans Raidel (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine<br />
sehr verehrten Damen und Herren! Wir führen heute<br />
eine ganz erstaunliche Debatte: Die SPD spielt sich als<br />
Gralshüter der Bundeswehr auf.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)<br />
Plötzlich heißt es: Abrüsten ja, aber nicht bei uns.<br />
Schärfste Kritiker des Militärs wandeln sich, Wendehälsen<br />
gleich, aus regionalem Egoismus und mit Blick<br />
auf die Stimmung im eigenen Wahlkreis zu Freunden<br />
soldatischer Präsenz.<br />
(Gudrun Weyel [SPD]: Sie kennen sich nicht<br />
aus! — Josef Vosen [SPD]: Wer hat Ihnen das<br />
aufgeschrieben?)<br />
— Ich würde an Ihrer Stelle Ihre Phrasendreschmaschine<br />
in der Scheune stehen lassen!<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)<br />
Meine Damen und Herren, die Verringerung der<br />
Bundeswehrstärke auf rund 370 000 Mann und der<br />
gleichzeitige Aufbau demokratischer Streitkräfte in