33. Sitzung - Deutscher Bundestag
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2566 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991<br />
Staatsminister Helmut Schäfer<br />
kanntlich bereits tätig geworden, und zwar mit Stufe I<br />
des CDH-Mechanismus, der „menschlichen Dimension"<br />
also, im vergangenen Jahr. Wir haben gesagt:<br />
Die zweite Stufe muß angewendet werden, wenn sich<br />
die Lage im Kosovo nicht verändert. Es ist also nicht<br />
richtig, wenn gesagt wird, daß wir hier nichts täten.<br />
Wir sind aber dafür dankbar, daß Sie uns bei unserem<br />
Tun kräftig unterstützen.<br />
Vielen Dank.<br />
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie<br />
bei Abgeordneten der SPD)<br />
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Meine Damen und<br />
Herren, ich schließe die Aussprache.<br />
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst<br />
über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD<br />
und FDP sowie der Gruppe Bündnis 90/DIE GRÜNEN<br />
zur Krise in Jugoslawien auf Drucksache 12/795. Wer<br />
stimmt für diesen Antrag? — Gegenstimmen? — Enthaltungen?<br />
— Damit ist der Antrag einstimmig angenommen.<br />
Wir stimmen jetzt über den Antrag der Fraktionen<br />
der CDU/CSU, SPD und FDP zur Lage in Kosovo auf<br />
Drucksache 12/797 (neu) ab. Wer stimmt für diesen<br />
Antrag? — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Dieser<br />
Antrag ist ebenfalls einstimmig angenommen.<br />
Wir stimmen jetzt noch über den Antrag der Gruppe<br />
Bündnis 90/DIE GRÜNEN zur Lage in Kosovo auf<br />
Drucksache 12/780 ab. Wer stimmt für diesen Antrag?<br />
— Die GRÜNEN sind nicht da. Wer stimmt dagegen?<br />
— Wer enthält sich? — Damit ist der Antrag der<br />
Gruppe Bündnis 90/DIE GRÜNEN bei Abwesenheit<br />
der GRÜNEN abgelehnt.<br />
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:<br />
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts<br />
des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuß)<br />
zu dem Antrag der Fraktion der SPD<br />
Einrichtung eines baltischen Informationsbü<br />
ros in der Bundesrepublik Deutschland<br />
zu dem Antrag des Abgeordneten Gerd Poppe<br />
und der Gruppe Bündnis 90/DIE GRÜNEN<br />
Einrichtung eines baltischen Informationsbü<br />
ros in der Bundesrepublik Deutschland<br />
— Drucksachen 12/164, 12/166, 12/673 —<br />
Berichterstatter:<br />
Abgeordnete Reinhard Frhr. von Schorlemer<br />
Gert Weisskirchen (Wiesloch)<br />
-<br />
Dr. Olaf Feldmann<br />
Gerd Poppe<br />
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die<br />
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen.<br />
Das Wort hat der Abgeordnete Gert Weisskirchen.<br />
Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD): Frau Präsident!<br />
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das<br />
innere Band zwischen dem, worüber wir soeben diskutiert<br />
haben, und dem, worüber jetzt zu diskutieren<br />
sein wird, ist offenbar. Was in Jugoslawien vor sich<br />
geht, ist nicht identisch, aber von den strukturellen<br />
Zusammenhängen her durchaus vergleichbar mit der<br />
Entwicklung in der Sowjetunion, die sich in einem<br />
Zwischenstadium befindet. Es käme darauf an, zu erkennen,<br />
was die eigentliche Ursache für die Implosionen<br />
jener Strukturen in Jugoslawien und der Sowjetunion<br />
sind. Das innere Band dieser Implosionen hat<br />
damit etwas zu tun, daß sich ein falscher Internationalismus<br />
entwickelt hat, der in Wirklichkeit kein Internationalismus<br />
war. Vielmehr hat sich die Dominanz<br />
einer bestimmten Gesellschaftsschicht und Gesellschaftsstruktur,<br />
ja, manchmal sogar nur einer Nation,<br />
in solchen sich international nennenden Konglomerationen<br />
gegenüber den anderen durchzusetzen versucht.<br />
In dem Moment, wo es Freiheitsbewegungen<br />
und Freiheitsbestrebungen möglich wird, sich zu entfalten,<br />
bricht das Ganze zwangsläufig zusammen,<br />
nachdem die großen Fragen — vorhin ist das schon<br />
angesprochen worden — des aufgebauschten Ost<br />
West-Konflikts in sich zusammengebrochen sind,<br />
weil eben der Ost-West-Konflikt, soweit er auf dem<br />
Widerspruch der beiden atomaren Supermächte begründet<br />
war und Bestand hatte, in sich zusammengefallen<br />
ist.<br />
Erst ein halbes Jahrzehnt ist es her, daß Michail<br />
Gorbatschow, der große Häretiker unserer Zeit, mit<br />
unerhörtem Mut mit der Ideologie, die sich längst<br />
überlebt hatte, und mit einer Praxis, die schon in der<br />
Stunde ihrer Geburt den Keim des Unterganges in<br />
sich trug, gebrochen hat. Seither ist der real existierende<br />
Sozialismus implodiert. Seither haben die Menschen,<br />
wie Timothy Garton Ash treffend bemerkt hat,<br />
ein Jahrhundert abgewählt. Staunend waren wir<br />
meist Beobachter eines Prozesses, der diejenigen, die<br />
in den Gefängnissen einsaßen, in die Regierung<br />
schleuderte. Die Macht der Ohnmächtigen, die Gewalt<br />
einer ethischen Revolution brach sich Bahn.<br />
Manchmal frage ich mich bis zum heutigen Tag und<br />
bis zur heutigen Stunde immer noch: Warum eigentlich<br />
bleibt unsere Entsprechung im Westen Europas<br />
gegenüber dieser ethischen Revolution aus? Vielleicht<br />
deswegen, weil wir etwas Angst und Sorge haben,<br />
daß sich nicht nur die Träume, die auch eines der<br />
inneren Bande dieses gemeinsamen Europa sind, sondern<br />
möglicherweise auch die Alpträume wiederholen<br />
könnten.<br />
Vielleicht kann man in diesem Zusammenhang<br />
auch sagen: Einer dieser Alpträume ist gewiß der Nationalismus,<br />
den wir eben schon in bezug auf Jugoslawien<br />
angesprochen hatten, der auch in den baltischen<br />
Republiken deutlich spürbar wird; daran gibt es<br />
keinen Zweifel.<br />
Ich meine, wir müssen noch einmal neu darüber<br />
nachdenken, was Nationalismus eigentlich bedeutet.<br />
Nationalgefühl ist, denke ich, die erste Form der Rebellion<br />
gegen den Terror und gegen den durch Terror<br />
aufgezwungenen Versuch der Zerstörung der Identität<br />
von Völkern, Kulturen und Glaubensgemeinschaften<br />
sowie des regional gewachsenen Bewußtseins der<br />
Zusammengehörigkeit.<br />
Dieses Nationalgefühl wird dann in Nationalismus<br />
hineingleiten können und wird dann regredieren,<br />
wenn der Prozeß der Befreiung von Unterdrückung<br />
ethnisch verkürzt und/oder zugleich von dem Prozeß