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33. Sitzung - Deutscher Bundestag

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2628 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991<br />

Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und<br />

Herren, die beschlossene Redezeit ist zu Ende. Ich<br />

schließe daher die Aussprache.<br />

Ich mache Sie auf folgendes aufmerksam: Es ist<br />

interfraktionell vereinbart, daß diese <strong>Sitzung</strong> um<br />

16.30 Uhr unterbrochen werden soll. Nun gibt es inzwischen<br />

eine neue interfraktionelle Vereinbarung,<br />

die sich auf die Aktuelle Stunde, auf den Zusatzpunkt<br />

9, bezieht. Mir haben die Fraktionen mitgeteilt,<br />

daß sie für die Aktuelle Stunde jeweils nur einen Redner<br />

benennen. Unter diesen Voraussetzungen möchte<br />

ich diesen Tagesordnungspunkt, Zusatzpunkt 9, aufrufen.<br />

Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist<br />

nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.<br />

Ich rufe auf:<br />

Aktuelle Stunde<br />

Verhalten der Bundesregierung bezüglich der<br />

geplanten Einlagerung von radioaktiven Abfällen<br />

in das Zwischenlager Gorleben und Berücksichtigung<br />

der Bedenken der betroffenen<br />

Bevölkerung und der Landesregierung von<br />

Niedersachsen<br />

Die Gruppe PDS/Linke Liste hat eine Aktuelle Stunde<br />

zu diesem Thema verlangt.<br />

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete<br />

Jutta Braband.<br />

(Dr. Walter Franz Altherr [CDU/CSU]: Schon<br />

wieder! Muß das denn sein, Herr Präsi<br />

dent?)<br />

Jutta Braband (PDS/Linke Liste): Zu Ihrer Freude,<br />

das muß sein! Es hat sich offenbar sonst niemand gefunden,<br />

der zu diesem Thema etwas sagen möchte.<br />

(Unruhe)<br />

Vizepräsident Helmuth Becker: Entschuldigen Sie<br />

bitte. — Darf ich Sie um Ruhe bitten, meine Kolleginnen<br />

und Kollegen, damit die Rednerin zu Wort kommen<br />

kann! — Bitte sehr, Frau Braband.<br />

Jutta Braband (PDS/Linke Liste): Herr Präsident!<br />

Meine Damen und Herren! „Es gibt — das wird immer<br />

augenscheinlicher — eine real existierende Kumpanei<br />

zwischen der Atomlobby auf der einen Seite und<br />

Herrn Töpfer auf der anderen Seite."<br />

(Dr. Walter Franz Altherr [CDU/CSU]: Ein<br />

ganz schlechter Einstieg, Frau Kollegin!<br />

Aber das sind wir ja von Ihnen gewöhnt!)<br />

Das ist ein Zitat vom Ministerpräsidenten von Niedersachsen,<br />

von Herrn Schröder.<br />

-<br />

(Beifall bei der PDS/Linke Liste und dem<br />

Bündnis 90/GRÜNE — Zuruf von der FDP:<br />

Aber dadurch wird es ja nicht besser!)<br />

— Nein, natürlich nicht, aber vielleicht beschäftigen<br />

Sie sich einmal mit dem Inhalt dieses Satzes.<br />

Der gewalttätige Polizeieinsatz gegen Atomkraftgegner<br />

und -gegnerinnen in Gorleben und Lüchow<br />

auf Anweisung der Bundesregierung offenbart das<br />

häßliche Gesicht der Atomenergie. In Gorleben haben<br />

wir ein Stück Atomstaat in Aktion gesehen. Mit einem<br />

brutalen Einsatz wurde gestern die Einlagerung des<br />

Transnuklear-Skandal-Atommülls aus Mol in das<br />

Zwischenlager Gorleben gegen den Widerstand der<br />

Bevölkerung der Region mit Gewalt durchgesetzt.<br />

Wie zum Hohn erreichte uns diese Woche wieder<br />

einmal die Nachricht von einem Störfall in den Hanauer<br />

Nuklearbetrieben, auf Grund dessen das hessische<br />

Umweltministerium nun endlich die Konsequenzen<br />

gezogen und die Anlage stillgelegt hat.<br />

Die Geschichte der bundesdeutschen Atomwirtschaft<br />

erweist sich als Geschichte der Pleiten, wie Brüter,<br />

Hochtemperaturreaktor und Wiederaufarbeitungsanlage<br />

in Wackersdorf belegen. Sie ist aber auch<br />

die Geschichte der Skandale und von Abgründigkeiten<br />

um Transnuklear und große RWE-Vorstandsehrenworte<br />

um Biblis A. Zwischenlagerung und Erkundungsbergwerk<br />

zur Endlagerung in Gorleben, Pilotkonditionierungsanlage<br />

usw., finde ich, sind untaugliche<br />

Ergebnisse des Versuchs der Bundesregierung,<br />

der Atomwirtschaft einen Entsorgungspfad freizuklopfen.<br />

Der Kampf der Bürgerinitiative dagegen ist<br />

bekannt.<br />

Was wir in dieser Woche erleben, ist ein Vorgeschmack<br />

auf das, was kommt, wenn in den nächsten<br />

Jahren die Kompaktlager für abgebrannte Brennelemente<br />

in den Atomkraftwerken voll sein werden. Tausende<br />

von Waggonladungen mit mehr oder minder<br />

radioaktiven Abfällen werden pro Jahr durch das<br />

Land fahren, mit erheblichen Risiken für die Bevölkerung<br />

und gegen ihren Willen.<br />

Das handstreichartige Vorgehen dieser Tage beweist,<br />

in welcher Situation sich das befindet, was<br />

Atomwirtschaft und Bundesregierung als Entsorgung<br />

bezeichnen. Ihnen steht der Atommüll bis zum Hals.<br />

Sie wissen nicht, wie es in den nächsten Jahren, wenn<br />

erst der gesamte Atommüll aus La Hague und Sellafield<br />

zurückgenommen werden muß, weitergehen<br />

soll. Was sie wissen, ist: Es gibt weltweit kein geeignetes<br />

Endlager für Atommüll, in dem das strahlende<br />

Erbe unserer Epoche für Zehntausende von Jahren<br />

wirklich sicher eingeschlossen ist. Trotzdem wollen<br />

sie den Atommüll unter den Teppich der Gorlebener<br />

Salzstöcke kehren, im Schacht Konrad und Morsleben<br />

verschwinden lassen nach dem Motto: Aus den Augen,<br />

aus dem Sinn, und nach uns die Sintflut. Sie<br />

behaupten lediglich: Atomenergie ist sicher und verantwortbar.<br />

Der Transnuklear-Skandal findet in diesen Wochen<br />

mit diesem Einlagerungsskandal seine Fortsetzung.<br />

Selbst die Landesregierung Niedersachsens hatte erhebliche<br />

Bedenken gegen die Einlagerung des Transnuklear-Atommülls<br />

aus Mol erhoben, da Zusammensetzung<br />

und Herkunft des Abfalls weitgehend unbekannt<br />

sind. Trotzdem bestand Atomminister Töpfer<br />

auf der Einlagerung und machte von seinem Weisungsrecht<br />

Gebrauch. Der Polizeieinsatz ist daher<br />

nicht nur vom Innenminister Niedersachsens zu verantworten,<br />

sondern vor allem von Herrn Töpfer<br />

selbst.<br />

Unverständlich ist allerdings, daß die rosa-grüne<br />

Landesregierung in Hannover<br />

(Heiterkeit bei der SPD, der CDU/CSU und<br />

der FDP)

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