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33. Sitzung - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991 2695*<br />

Landen. Um die Abwicklung machen wir uns Sorgen,<br />

die SPD auch.<br />

Zweitens. Da gibt es eine Partei, die hat sich 1986<br />

für eine Energiepolitik ohne Atomkraft entschieden.<br />

An Gefahren und Risiken hatte sich seit 1960 nichts<br />

geändert. Nur: eine neue Generation bestimmte die<br />

Energiepolitik der SPD. Sie bewertete diese anders als<br />

diejenigen, die für mehr Energie und damit für mehr<br />

Wohlstand eingetreten waren. Wir wissen heute, daß<br />

man Wohlstand auch mit weniger Energie erreichen<br />

kann, aber nicht ohne. Ich meine auch, daß man Kernenergie<br />

nur dann verantworten kann, wenn man die<br />

Entsorgung der Kernkraftwerke gesichert hat. Und<br />

damit meine ich nicht nur die Kernbrennstäbe, sondern<br />

auch alles das, was sonst an radioaktivem Abfall<br />

anfällt. Die SPD verzichtete auf die Kernenergie, weil<br />

die Entsorgung nicht gesichert sei. Was hat sie eigentlich<br />

seit 1960 getan, um das Problem zu lösen? Ich will<br />

dabei gerne zugestehen, daß auch mein politisches<br />

Lager nicht immer den Mut und die richtige Einstellung<br />

dazu hatte.<br />

Drittens. Da gibt es eine Partei, die beschließt auf<br />

ihrem Bundesparteitag 1991 folgendes: „Der Bundesparteitag<br />

mißt der Findung und Errichtung von Endlagerstätten<br />

herausragende Bedeutung bei. Er hält es<br />

deshalb für unabdingbar, daß die sozialdemokratisch<br />

geführten Landesregierungen bei der Bundesregierung<br />

darauf drängen, daß auf der Grundlage von alternativen<br />

Standorten die umweltverträglichste und<br />

sicherste Lösung gefunden wird." Bravo, SPD! Nur,<br />

wie alternativ soll das Ganze denn noch werden? Wie<br />

lang soll die Suche noch dauern? Also doch China<br />

oder der Mond?<br />

Also bringen wir alles nach Gorleben, ins Zwischenlager,<br />

weil wir vor lauter Suchen das Ziel vergessen<br />

haben. Oder soll das Dagegenhalten, sollen die Mätzchen<br />

der Landesregierung von Niedersachsen nur ein<br />

Hilfsmittel sein, um die Kernkraftwerke abschalten zu<br />

können? Vielleicht ist ja jetzt Hamburg bereit, auf<br />

Strom aus KKW zu verzichten — und bezieht den<br />

Strom dann aus den französischen KKW!<br />

Viertens. Da gibt es einen gewissen Herrn Schröder,<br />

der hat gestern wegen der Entscheidung des Bundesumweltministers<br />

in Sachen Gorleben von der „Verfilzung<br />

der Bundesregierung mit der Atomlobby" gesprochen.<br />

Es handelt sich, man kann es kaum glauben,<br />

um den Ministerpräsidenten eines schönen und<br />

großen Bundeslandes. Ein solches Wort aus dem<br />

Munde eines Ministerpräsidenten, der Verantwortung<br />

für ein Land und die Menschen in diesem Land<br />

übernommen hat! Seine Verantwortung heißt im Falle<br />

Gorleben, Sorge tragen, daß die Dinge so schnell und<br />

so gut als möglich geregelt werden. Ein ordnungsgemäßes<br />

Lager ist der Platz dafür, nicht der Parkplatz<br />

einer Polizeikaserne. Ich finde Verhalten und Äußerung<br />

nicht mehr zu vereinbaren mit den Aufgaben<br />

eines so hohen Amtes.<br />

Harald B. Schäfer (Offenburg) (SPD): Auch der<br />

Bundesumweltminister wirbt neuerdings um einen<br />

energiepolitischen Konsens. Wer Konsens tatsächlich<br />

will, kann nicht ein derart ultimatives länderunfreundliches<br />

bundesrechtliches Weisungsverfahren<br />

praktizieren, wie es Herr Töpfer tut. Konsens gibt es<br />

nur bei Kooperationsbereitschaft, nicht bei Konfrontation.<br />

Was für eine Energiepolitik ist das, die mit Weisungen<br />

und Polizeigewalt durchgesetzt werden<br />

muß?<br />

Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern für die<br />

notwendige Entsorgung nuklearen Mülls läßt sich<br />

nicht von Bonn aus verordnen. Akzeptanz setzt Vertrauen<br />

und Offenheit voraus. Gerade die aber haben<br />

Energiewirtschaft und Bundesumweltminister in der<br />

Vergangenheit verspielt. Uns allen ist der Atommüllskandal,<br />

die Transnuklear-Affäre, noch in schlechtester<br />

Erinnerung. Radioaktive Abfälle — zum Teil<br />

falsch deklariert — wurden international hin und her<br />

geschoben. Bestechungsgelder wurden bezahlt. Nicht<br />

nur menschliches Fehlverhalten, auch die ungelöste<br />

Entsorgung des Atommülls war die Ursache dafür.<br />

Kann es Sie da wundern, daß die Menschen auch da<br />

mißtrauisch sind, wo es sich vielleicht als unbegründet<br />

herausstellt? Das jahrelange Taktieren und Verschieben<br />

in der Entsorgung holt uns ein. Die Bundesrepublik<br />

muß riesige Mengen atomaren Atommülls in den<br />

nächsten Jahren aus dem Ausland (aus Belgien, aus<br />

Frankreich, aus England) zurücknehmen. Wir alle<br />

sind gegen Mülltourismus. Bei den besonders gefährlichen<br />

Atomabfällen wurde er zum Programm gemacht.<br />

Es ist berechtigt und richtig, daß die niedersächsische<br />

Landesregierung auf dem politischen Hintergrund<br />

der Transnuklear-Affäre exakte Aufklärung<br />

über den Inhalt und die Herkunft der Atommüllfässer<br />

aus dem belgischen Mol verlangt hat. Es ist auch richtig,<br />

daß sich die niedersächsische Landesregierung<br />

dagegen wehrt, daß Land zur atomaren Müllkippe<br />

Europas werden zu lassen.<br />

Die Vorgänge um die Atommüllfässer aus dem belgischen<br />

Mol sowie die notwendige Schließung des<br />

Hanauer Atomwerkes durch den hessischen Umweltminister<br />

— eine Maßnahme, die wir ausdrücklich begrüßen<br />

— zeigen vor allem eins: Vertrauen läßt sich<br />

nur mit einer neuen Energiepolitik zurückgewinnen:<br />

Erstens. Nur wer definitiv auf Neu- und Ersatzbau<br />

von Kernkraftwerken verzichtet und die Atomenergienutzung<br />

in einem überschaubaren Zeitraum beendet,<br />

kann von der Bevölkerung Akzeptanz für notwendige<br />

Entsorgungseinrichtungen erwarten. Denn<br />

nur so kann sichergestellt werden, daß der Jahrtausende<br />

strahlende Müllberg nicht immer weiter<br />

wächst.<br />

Zweitens. Es ist zwingend notwendig, den Weg der<br />

direkten Endlagerung der atomaren Abfälle gesetzlich<br />

vorzuschreiben und auf den Weg der Wiederaufarbeitung,<br />

auch über das Ausland, zu verzichten.<br />

Drittens. Die Herstellung der sogenannten Mischoxidbrennelemente<br />

mit Plutonium, wie sie in dem Hanauer<br />

Atomwerk erfolgt, muß gesetzlich untersagt<br />

werden.<br />

Wir Sozialdemokraten sind uns unserer Verantwortung<br />

für die Entsorgung radioaktiver Abfälle bewußt.<br />

Auch unter unserer Regierungszeit sind Atomkraftwerke<br />

gebaut und in Betrieb genommen worden. Der<br />

bereits heute angefallene Atommüll muß so sicher wie<br />

irgend möglich beseitigt bzw. gelagert werden. Wir<br />

haben in unseren Forderungen die Voraussetzungen

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