33. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991 2615<br />
Jürgen Koppelin (FDP): Herr Präsident! Meine Damen<br />
und Herren! Die Reduzierung unserer Streitkräfte<br />
bis zum Dezember 1994 auf 370 000 Soldaten ist<br />
von uns allen begrüßt worden. Diese internationale<br />
Verpflichtung hat u. a. dazu beigetragen, daß wir<br />
Deutschen unsere Einheit wiedererlangt haben.<br />
Es ist, so meine ich, dem Bundesminister der Verteidigung<br />
und seinem Haus dafür Anerkennung auszusprechen,<br />
daß es gelungen ist, innerhalb von wenigen<br />
Monaten ein Konzept vorzulegen, um das Ziel der<br />
Reduzierung zu erreichen.<br />
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)<br />
Selten hat wohl der Entwurf eines Konzeptes den<br />
Deutschen <strong>Bundestag</strong> und seine Abgeordneten, aber<br />
auch die Landtage, die Landesregierungen und die<br />
Kommunen so beschäftigt und so bewegt wie jetzt die<br />
Vorlage zur Truppenreduzierung.<br />
Wer die Diskussion der letzten Wochen verfolgt und<br />
sich daran beteiligt hat, der kann sich allerdings des<br />
Eindrucks nicht erwehren, daß vielerorts nach dem<br />
Motto argumentiert wird: Truppenreduzierung ja,<br />
aber bitte nicht in meiner Kommune oder in meinem<br />
Wahlkreis.<br />
(Zurufe von der SPD)<br />
— Es ist so. Man verfolgt ja die Diskussion.<br />
(Zuruf des Abg. Manfred Opel [SPD])<br />
— Herr Opel, seien Sie doch nicht immer so vorlaut!<br />
(Walter Kolbow [SPD]: Wir sind hier im Par<br />
lament und nicht in der Schule!)<br />
— Wir kennen uns ja. Er kann nicht anders. — Ich<br />
hoffe, das geht nicht von meiner Zeit ab, Herr Präsident.<br />
Es zeigt sich heute, daß viele die Bundeswehr immer<br />
nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gesehen<br />
haben. Ich bitte herzlich darum, die Diskussion<br />
um die Reduzierung etwas emotionsfreier zu führen,<br />
auch wenn man selber — das will ich gerne zugeben,<br />
Kollege Opel — von diesen Emotionen nicht ganz frei<br />
ist.<br />
(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Er schürt sie zu<br />
mindest!)<br />
Aber eines muß doch gesagt werden — das sage ich<br />
nach der Aufregung in den Beiträgen eben zur linken<br />
Seite — : Ich finde es schon sehr interessant, wer sich<br />
plötzlich für die Bundeswehr einsetzt. Am besten arbeitet<br />
man ja mit Beispielen. Ich will gern eines aus<br />
Schleswig-Holstein nennen, Herr Kollege Opel: die<br />
Stadt Itzehoe. Zur 750-Jahr-Feier wird die - Bundeswehr<br />
ausgeladen, eine bestehende Patenschaft mit<br />
einem Boot der Ma rine wird aufgekündigt, und man<br />
weigert sich sogar, Geld von Soldaten anzunehmen,<br />
das diese für humanitäre Zwecke gesammelt haben.<br />
(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Wer hat<br />
denn da die Mehrheit?)<br />
— Ich verrate jetzt kein Geheimnis, Kollege Nolting,<br />
wenn ich bekanntgebe, daß in Itzehoe seit Jahren die<br />
SPD regiert und dort die Mehrheit hat. Nun plötzlich<br />
wird vorgeschlagen, daß dieser Standort Itzehoe erhalten<br />
bleiben soll. Man entdeckt sein Herz für die<br />
Bundeswehr.<br />
Ich will noch ein anderes Beispiel bringen. In Kiel<br />
soll ein Ausschuß zur Truppenreduzierung durch die<br />
Stadt gebildet werden. Man kommt nicht zu Potte,<br />
weil die Sozialdemokraten fordern, daß in diesem<br />
Ausschuß selbstverständlich auch die Kirchen und die<br />
Friedensgruppen beteiligt werden müssen. Ich will<br />
das nicht kommentieren, um mir nicht bei meiner ersten<br />
Rede einen Ordnungsruf einzuhandeln.<br />
(Dieter Heistermann [SPD]: Den können Sie<br />
aber schnell bekommen, wenn Sie so weiter<br />
reden!)<br />
Ich kann den Bundesminister der Verteidigung nur<br />
darin unterstützen, daß solche Standorte bei der Truppenreduzierung<br />
zuerst berücksichtigt werden. Da, wo<br />
die Bundeswehr in der Vergangenheit immer gern<br />
gesehen war, sollte man, wenn es geht, eine Reduzierung<br />
vermeiden. Das ist übrigens keine Abstrafung, so<br />
meine ich, sondern eine logische Konsequenz.<br />
Zum vorliegenden Konzept des Verteidigungsministeriums<br />
scheint es mir nötig, einige Anmerkungen zu<br />
machen.<br />
Für eine Entscheidung über die Standorte ist es<br />
wichtig und notwendig, zu wissen, wie viele Zivilmitarbeiter<br />
betroffen sind. Diese Zahlen haben wir heute<br />
im Ausschuß nachgeliefert bekommen. Ich meine, sie<br />
waren dringend notwendig.<br />
(Beifall bei der FDP)<br />
Wenn ein Kleinstandort wie Tönning in Nordfriesland<br />
drei Soldaten ausweist, so mag man für die Streichung<br />
sein. Das mag einem leichtfallen. Man sieht das<br />
jedoch in einem anderen Licht, wenn man erfährt, daß<br />
an diesem Kleinstandort ca. 40 Zivilmitarbeiter beschäftigt<br />
sind.<br />
Die im Konzept genannten Ist-Zahlen vom 22. Mai<br />
scheinen nicht immer den tatsächlichen Zahlen zu<br />
entsprechen. Ich halte eine Überprüfung der Ist-Zahlen<br />
für notwendig.<br />
In den Ballungszentren ist nach meinem Eindruck<br />
nicht in dem Umfang reduziert worden, wie es wünschenswert<br />
gewesen wäre. Dafür sehen die Pläne leider<br />
eine starke Reduzierung in einigen strukturschwachen<br />
Gebieten vor. Ich will als Beispiel den<br />
Kreis Nordfriesland mit den Standorten Husum und<br />
vor allem Leck ansprechen, Kollege Opel. Ich halte es<br />
nicht für vertretbar, daß sich die Bundeswehr aus solchen<br />
Kreisen zurückzieht, in denen in der Vergangenheit<br />
andere Entwicklungen versäumt werden mußten,<br />
(Beifall des Abg. Manfred Opel [SPD])<br />
weil die Bundeswehr da war. Ich denke z. B. an den<br />
Fremdenverkehr. Er fand nicht statt, weil es die Bundeswehr<br />
gab.<br />
Wir müssen uns bei der Diskussion über die Truppenreduzierung<br />
stärker darüber Gedanken machen,<br />
welche Aufgaben unsere Teilstreitkräfte zukünftig im<br />
Rahmen der internationalen Aufgaben haben werden.<br />
Ich spreche hier besonders die Marine an und meine,<br />
daß die bisherigen Planungen zur Reduzierung der<br />
Marine bis zum Jahr 2005 nicht mehr den Gegebenheiten<br />
entsprechen.<br />
(Beifall des Abg. Manfred Opel [SPD])