33. Sitzung - Deutscher Bundestag
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2586 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode — <strong>33.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1991<br />
Norbert Geis<br />
der geredet hat vom Absolutismus des repräsentativen<br />
parlamentarischen Systems.<br />
(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Sie haben<br />
ihn vorher falsch zitiert!)<br />
— Das ist genau das, was der vormalige Bundesrichter<br />
gesagt hat. Genau das habe ich zitiert.<br />
(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Herr Geis,<br />
das trifft doch nicht zu!)<br />
Ich habe ihn damit nicht verleumdet. Stimmen Sie da<br />
mit mir überein?<br />
Dr. Wolfgang Ullmann (Bündnis 90/GRÜNE): Sie<br />
haben ihn verleumdet mit Ihrer Interpretation;<br />
(Beifall bei der SPD)<br />
denn Herr Simon hat den Absolutismus angegriffen,<br />
aber nicht die repräsentative Demokratie.<br />
(Norbert Geis [CDU/CSU]: Er hat den Abso<br />
lutismus des repräsentativen parlamentari<br />
schen Systems genannt!)<br />
Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Dann<br />
möchte ich den Dialog beenden, Herr Abgeordneter,<br />
und Sie können in Ihrer Rede fortfahren.<br />
Dr. Wolfgang Ullmann (Bündnis 90/GRÜNE): Ich<br />
komme zu meinem zweiten Punkt: Die Anhörung hat<br />
ergeben, daß der Appell an die verfassunggebende<br />
Gewalt, das Volk, den Souverän, in der Form, wie der<br />
SPD-Gesetzentwurf ihn vorsah, keine Präjudizierung<br />
enthält, meine Damen und Herren von der Koalition,<br />
wie man in der Verfassung das Verhältnis von Parlament<br />
und Plebiszit sieht. Trotzdem wird von Ihnen<br />
und einem Teil der deutschen Rechtsgelehrsamkeit<br />
immer nur darüber geredet, ob Plebiszit, Bürger- und<br />
Bürgerinnenbeteiligung, wünschbar sei. Die Frage ist<br />
aber, ob es notwendig ist und ob es hilft zur Lösung<br />
der Probleme, die wir vor uns haben. — Es ist nötig zur<br />
Lösung der Probleme der deutschen Vereinigung, und<br />
es ist nicht die Frage, ob bestimmte konservative Juristen<br />
das für wünschbar halten oder nicht.<br />
Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Abgeordneter<br />
Ullmann, ich muß Sie noch einmal unterbrechen,<br />
weil eine weitere Bitte wegen einer Zwischenfrage<br />
vorliegt.<br />
Dr. Wolfgang Ullmann (Bündnis 90/GRÜNE): Ja.<br />
Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Abgeordneter<br />
Krey.<br />
Franz Heinrich Krey (CDU/CSU): Herr -<br />
Kollege, Sie<br />
übersehen sicher mit mir nicht den zeitlichen Zusammenhang<br />
einer Sachfrage der deutschen Politik, nämlich<br />
ob Bonn oder Berlin Regierungssitz sein soll, mit<br />
dem Thema, das wir heute behandeln? Wir haben im<br />
Einigungsvertrag den Ort der Entscheidung festgemacht.<br />
Der Ort ist das Parlament und nicht das Volk.<br />
Das ist doch mit großer Mehrheit von uns allen so entschieden<br />
worden. Glauben Sie nicht, daß es auch viele<br />
gute Gründe für die Vermutung gibt, daß das Volk von<br />
uns erwartet, daß wir diese Frage hier in Wahrnehmung<br />
unserer Pflichten entscheiden und nicht vertrösten<br />
auf eine Veränderung in unserer Verfassung,<br />
über die ich im übrigen gerne mit Ihnen weiter diskutieren<br />
möchte?<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP —<br />
Detlev von Larcher [SPD]: Sehen Sie sich<br />
doch die Befragungen an!)<br />
Dr. Wolfgang Ullmann (Bündnis 90/GRÜNE): Das<br />
Volk hat gewiß diese Hoffnung, aber ich nehme an, es<br />
wird mittlerweile Zweifel haben, ob wir dazu in der<br />
Lage sind.<br />
Was den Einigungsvertrag anbelangt, so verlangt<br />
der, das Parlament solle darüber befinden.<br />
(Johannes Gerster [CDU/CSU]: Eben, aber in<br />
der Sache befinden!)<br />
Wir sind ja gerade dabei. Ich versuche, Ihnen klarzumachen,<br />
daß Sie unsere Möglichkeiten, die uns hier<br />
von der Verfassung gegeben sind, einengen wollen.<br />
Dagegen geht meine Rede.<br />
Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Frau<br />
Däubler-Gmelin möchte auch noch einmal das Wort.<br />
Aber ich möchte Sie herzlich bitten, keine weiteren<br />
Zwischenfragen mehr zu stellen. Sonst kommen wir<br />
heute wirklich in Zeitprobleme. Bitte, Frau Däubler-<br />
Gmelin.<br />
Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD): Danke schön, Kollege<br />
Ullmann.<br />
Ich habe mich zu einer Zwischenfrage gemeldet,<br />
weil ich es furchtbar gern hätte, daß Sie als ein Vertreter<br />
der Menschen in den neuen Ländern den Kollegen<br />
einfach noch einmal sagen, ob Sie es überhaupt<br />
für möglich gehalten hätten, daß eine solche Frage,<br />
die in der Protokollnotiz angesprochen wurde, gegen<br />
die Bevölkerung, gegen die Bürgerinnen und Bürger<br />
interpretiert und ausgelegt werden darf. Das ist meine<br />
Bitte.<br />
(Norbert Geis [CDU/CSU]: Sagen Sie doch<br />
nicht, daß das gegen die Bevölkerung ist!)<br />
— Die CDU sagt das offensichtlich anders.<br />
Dr. Wolfgang Ullmann (Bündnis 90/GRÜNE): Die<br />
Frage ist natürlich zu verneinen, und zwar aus folgendem<br />
Grund, Herr Geis: Natürlich haben wir uns unter<br />
das Dach des Grundgesetzes gestellt. Ich habe, denke<br />
ich, sehr viel dazu beigetragen, daß das geschehen ist,<br />
aber eines Grundgesetzes, in dem auch der Art. 146<br />
steht, den Sie merkwürdigerweise für verfassungswidrig<br />
halten.<br />
Ich wundere mich, wenn ich Sie und auch die von<br />
Ihnen benannten Rechtsgelehrten höre, was Sie dem<br />
Volk unterstellen: Es ist aufgeregt, es ist zur Feindseligkeit<br />
geneigt,<br />
(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das hat doch kei<br />
ner gesagt!)<br />
es hat die schlechte Absicht, wahrscheinlich die Todesstrafe<br />
wieder einzuführen.<br />
(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das hat keiner<br />
gesagt!)<br />
Welche Meinung haben Sie eigentlich von dem Volk,<br />
von dem laut unserer Verfassung die Staatsgewalt