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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Es handelt sich um ein Werk Der Ruf, das im Dezember 1932 in Berlin urgesendet wurde<br />

und dessen <strong>Autor</strong> ein junger, damals noch wenig bekannter Schriftsteller namens<br />

Hermann Kasack war; er zeichnete mit dem Pseudonym Hermann Wilhelm. Das Hörspiel,<br />

das von einer heute noch rührenden Bemühung und Redlichkeit des Fragens zeugt,<br />

schildert ein Elend, von dem wir uns allerdings keine Vorstellung mehr machen können.<br />

Der erzwungene Müßiggang von sieben Millionen Arbeitslosen war für die Betroffenen<br />

nicht einmal so sehr eine wirtschaftliche als vielmehr eine psychische und moralische<br />

Katastrophe. Deshalb reicht, um sie darzustellen, bloßer Reportage-Realismus nicht aus,<br />

sondern Kasack bemüht sich, mit Hörspielmitteln in Form von Gewissens- und<br />

Versucherstimmen die innere Öde und Hoffnungslosigkeit deutlich zu machen. Schließlich<br />

meint er, nach getreuer Schilderung der äußeren und inneren Not, sich auch der Frage<br />

stellen zu müssen, wie die Bedrängnis ein Ende finden könne. Und dies ist nun der »Ruf«,<br />

um den es geht. Seine Naivität und seine scheinbare Harmlosigkeit sind typisch für die<br />

Haltung, die vielen Deutschen, dem ganzen Volk, später als Schuld ausgelegt wurde – mit<br />

Recht, wenn in der strengen Bedeutung, die »Schuld« theologisch besitzt, auch das<br />

Unzureichende der menschlichen Natur mit diesem Namen bezeichnet wird, mit Unrecht,<br />

wenn man die Erkenntnis des Fehlers und der Folgen voraussetzt.<br />

Bei der Lauterkeit Kasacks kann niemand daran zweifeln, daß er in jener Zeit die Leiden<br />

der Ratlosen und Verzweifelten wirklich mitgelitten hat und daß er sich etwas Vernünftiges<br />

und Richtiges vorstellte, als er an einem Höhepunkt seines Hörspiels schrieb:<br />

»(Ausbruch) Es geschieht ja nichts!! Es muß einmal irgendetwas geschehen, ganz gleich<br />

was, nur damit wir überhaupt spüren, daß wir leben! Wenn einer aufsteht und erklärt:<br />

Wir machen das so nicht länger mit, dann müssen doch alle mit ihm rufen: Wir wollen<br />

keine Unterstützung, wir wollen eine Existenz haben! Du Staat, Du Vaterland, glaube an<br />

uns, damit wir wieder an Dich glauben können! (Musik, Glocken ähnlich) ... Dein Leben<br />

gehört nicht Dir. Dein Leben gehört der Gemeinschaft. Hörst Du die Stimmen, das<br />

Stöhnen und Klagen und Geschlagensein der Massen? Denke an Deine Heimat! Glaube<br />

an die Zukunft ... Fühle die Erde ... das Wachstum! Und wenn Du dann immer noch<br />

meinst, alles sei sinnlos – dann geh unter. Dann gehen wir eben alle unter! Wir sind ein<br />

Schicksal! Wir sind ein Wille. Durch Gemeinschaft zur Arbeit.« (Hervorhebungen und<br />

Interpunktion nach dem Text des Funkmanuskripts von 1932.)<br />

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