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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Balken und einem andern aus naturgewachsenen Stämmen. Der gewachsene Stamm<br />

kann nicht nur geglättet und zur Zweckform reduziert, »bebeilt«, wie die Holzarbeiter<br />

sagen, in den Zusammenhang des Baues eingefügt werden, er kann auch seine Urform<br />

behalten. Er ist dann Balken bloß durch die Funktion. Er behält dann – und mit ihm der<br />

Bau – etwas Lebendiges und Improvisiert-Fragmentarisches. Statt daß durch die<br />

intellektuelle Gestalt, durch Plan und Absicht, alles wie durch Mörtel und Putz zugedeckt<br />

ist, bleiben in einem solchen Bauwerk sowohl das ursprüngliche Material als auch das<br />

Konstruktive und die Idee nebeneinander erkennbar. Nichts scheint in ihm perfekt, alles<br />

wie im Zustand des Werdens; die Gesamtform und die Naturform der Einzelteile scheinen<br />

miteinander im Kampf zu liegen.<br />

Diese Beschreibung gilt auch für den Hörspieldialog, der freilich nicht ganz so breite<br />

Fugen zwischen den Repliken wie der Theaterdialog nötig hat. Die sichtbaren Mittel der<br />

Darstellung, die so viel Entfaltungsraum brauchen, Gänge und Gesten, fehlen dem<br />

Hörspiel ja, es wird in ihm nur mit den Mitteln akustischen Ausdrucks gespielt. Diese Mittel<br />

nehmen etwas weniger Raum zwischen den Worten in Anspruch, ohne indes – in der<br />

quasi Nahaufnahme durch das Mikrophon – weniger prägnante<br />

Interpretationsmöglichkeiten zu bieten.<br />

Doch geht es, wenn man Form und Charakter des Hörspiels aus der Tatsache des<br />

Dargestellt-Werdens, des Gesprochen-Werdens ableitet, durchaus nicht nur um die<br />

lockere Struktur des Dialogs, die es – annähernd – mit dem Drama gemeinsam hat,<br />

sondern es geht mehr noch um etwas, was sich im Gesamtduktus eines Hörspiels<br />

ausdrückt: um die epische Gelassenheit, mit der es sich und seine Inhalte ausbreitet und<br />

darbietet. Eine solche Gelassenheit ist auf der Bühne, auch beim epischen Theater,<br />

undenkbar. Dort muß der Erzähler immer in erhöhtem Ton zu einem Publikum und über<br />

eine Rampe hinweg demonstrieren, er wird nie identisch mit dem, was gezeigt wird, bleibt<br />

stets mehr Arrangeur und Erklärer, wird nie Erzähler im Sinne von Erzeuger. Der<br />

Sprechende am Rundfunkmikrophon aber ist dem Hörspielhörer auf Atemhauchdistanz<br />

nahegerückt, und handelt es sich um den Erzähler, so steht er nicht neben den Szenen,<br />

die sich aus seinen Worten entwickeln, sondern sozusagen vor ihnen: sie sind nur durch<br />

ihn, indem er sie erzeugt und bezeugt.<br />

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