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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Am Ende jedes Hörspiels aber muß dann, wenn alles gelingt, wieder eine Entscheidung<br />

des Zuhörers stehen. Und wenn manchmal auch innerhalb des Stücks eine Entscheidung<br />

fällt (die Entscheidung der Hauptfigur etwa), so ist das nur das Zeichen eines sehr<br />

bedeutenden Selbstvertrauens beim <strong>Autor</strong>. Dieses Zeichen des Selbstvertrauens wird erst<br />

zum Zeichen des Könnens, wenn es ihm gelingt, die Entscheidung der Hörspielfigur in der<br />

gleichen Sekunde mit der des Hörers vonstatten gehen zu lassen. Sonst ist dieser Mut<br />

zum »Positiven« nur auf jene Art Selbstvertrauen gegründet, das Dilettanten<br />

kennzeichnet.<br />

Wer über die »leidend-dramatische« Form der Darstellung genauer nachdenken will, der<br />

vergleiche die beiden Schlüsse, die Eich einem seiner bedeutendsten Hörspiele Die<br />

Andere und ich im Urtext und dann in einer Neufassung gegeben hat. ∗ Zuerst hatte er da<br />

die tote Camilla in prunkvoller Aufbahrung mit Kerzen, Sumpfdotterblumen und Litaneien<br />

als Schlußbild vor den Hörern stehen lassen; Ellen, die vierzig Jahre von Camillas<br />

Lebensschicksal am eigenen Leibe erfahren hat, verläßt sie, um zu ihrer saturierten<br />

Familie zurückzukehren. Der neue Stückschluß aber enthält nichts von solchem<br />

rhetorischen, opernhaften Aufwand; ohne Gesten und ohne ein anderes Bild als das der<br />

»mageren« amerikanischen Familie, die zum <strong>Baden</strong> geht – Eich läßt sie, fast zynisch, von<br />

hinten sehen –, entscheidet sich Ellen gegen sich selbst und für Camilla.<br />

Es gibt im Hörspiel kein Überzeugen durch rhetorische Technik und darstellerische<br />

Virtuosität. Und wenn von der Intensität der Darstellung die Rede war, die den Hörern die<br />

Entscheidung abzwingen muß, so ist damit wirkliche Intensität gemeint, nicht<br />

Expressivität. Unsere heutigen Schauspieler haben meist erst im Hörspiel wirklich<br />

»unterspielen« gelernt. Die es beherrschten, wurden große Hörspieler – so wie Gisela von<br />

Collande, die auf der Bühne nie ganz erreicht hat, was ihr am Mikrophon wie<br />

selbstverständlich zugänglich war. Wem das aber nicht lag, dem blieb – wie etwa Werner<br />

Krauss – trotz aller mimischen Genialität jede Hörspielentwicklung versagt.<br />

Ich habe ein wenig den Verdacht, daß auch Hans Paeschkes Meinung über das leidende<br />

Weltverhältnis und die scheinbare Aktivitätslosigkeit mit diesem Zwang zum Unterspielen<br />

und mit der Notwendigkeit, im Hörspiel ohne Nachdruck glaubwürdig zu sein,<br />

∗ Hörspielbuch III des Süddeutschen Rundfunks (Europäisches Verlagsanstalt, Frankfurt) und Stimmen<br />

(Suhrkamp)<br />

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