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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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wie der Zug der Atomverseuchten mit Frauen und Kindern im brennenden Wald den Tod<br />

sucht, um die Welt von sich zu befreien und um Gott zu fragen, »ob er mit dem<br />

einverstanden ist, was die Menschen aus den Menschen machen«. Ich kenne keine<br />

ergreifendere und wahrhaftigere Darstellung atomarer Zerstörung, die so sehr darauf<br />

verzichtet, mit Greuelvorstellungen zu wirken, die so überzeugend in Sprache übersetzt.<br />

Dem steht, gleichermaßen gelungen, Weyraudhs 1961 mit dem Kriegsblindenpreis<br />

ausgezeichneter Totentanz gegenüber, in dem man den Tod durch eine moderne<br />

Großstadtstraße gehen und die ihm Verfallenen zeichnen sieht – jeweils danach blendet<br />

dann der zukünftige Augenblick ihres Sterbens auf. Beim Anhören dieses Werks überträgt<br />

sich ebenso das Gefühl der Unentrinnbarkeit wie der Zuversicht, daß eine nicht völlig<br />

sinnlose Vernichtung geschehen wird – nämlich wenn der Tod den General mitnimmt, als<br />

er, in der Meinung, der Atomschlag sei ausgelöst, den Gegenschlag auslösen will. »Ihr<br />

wollt mich zu Ursache und Wirkung machen«, sagt der Tod zu ihm. »Komm, ich zeige dir<br />

etwas, einen Regenbogen. Es steht geschrieben: ›Meinen Bogen habe ich gesetzt<br />

zwischen mir und der Erde. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte,<br />

Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.‹«<br />

Auch Weyrauch gehört zu der Generation, die schon vor dem Krieg mit ersten Hörspielen<br />

auftrat. 1932 wurde nach einem Manuskript, das er mit Ernst Glaeser gemeinsam<br />

geschrieben hatte, in Berlin Anabasis gesendet. Weyrauch hat – nach mindestens einem<br />

Dutzend dazwischenliegenden Hörspielen – den Stoff 1959 allein neubearbeitet.<br />

Vergleicht man beide Fassungen, von denen die alte im Jahrgang 31/32 von Rufer und<br />

Hörer als Teilabdruck erhalten ist, dann kommt man auf den Verdacht, daß jene<br />

zwanziger und frühen dreißiger Jahre ihren Ruhm auch der Tatsache verdanken, daß sie<br />

es leichter hatten als wir, Lösungen zu finden. Damals schien das Ideal eines<br />

großzügigen Pazifismus noch ausreichend, ein positives Heldenideal noch möglich zu<br />

sein; heute, da wir unter den kreisenden Atombombern zu leben gezwungen sind, ist<br />

schon der kleinste menschliche Irrtum tödlich. Weyrauchs neue Anabasis rühmt den<br />

Schriftsteller Xenophon gegenüber den Militärs als den geeigneteren Führer deshalb, weil<br />

er nicht an konventioneller Denkart hängt, sondern mit größerem Ernst überlegt: wie man<br />

es anstellt, daß man die Waffen, die man trägt, nicht benutzen muß.<br />

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