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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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In den Schützengräben des ersten Weltkrieges, bei Freund und Feind, ist der Rundfunk<br />

zum ersten Mal in Gebrauch gekommen; die englischen und ebenso die deutschen<br />

Soldaten haben ihn sich seit 1917 da und dort zu Unterhaltungssendungen ausgebaut. Im<br />

gleichen Jahr hat ihn die russische Revolutionsregierung zu einem Rundspruch »an alle«<br />

benutzt. Die beiden Vorgänge zeigen zwei verschiedene, doch einander nicht<br />

ausschließende Möglichkeiten des Instruments und des Begriffs »Programm«:<br />

Verbreitung von Parolen im Interesse einer Ideologie, eines Parteiprogramms, einer<br />

Machtzentrale – und harmlose, ja gemeinnützige Musikdarbietung, durch die sich<br />

Menschen, die mit sich sonst nichts anzufangen wissen, die Wartepausen verkürzen. Daß<br />

es noch eine dritte Möglichkeit gibt: den Versuch eines Gesprächs mit dem einzelnen<br />

unsichtbaren Partner, bei dem dieser Partner in seiner Urteils- und Entscheidungsfreiheit<br />

ganz ernst genommen wird, ahnte man damals noch nicht.<br />

1917 in den Schützengräben verstand man unter »Programm« nicht etwas Ideologisches,<br />

allerdings auch nicht Hörspiel; Musik war die einzige Sendegattung. Auch als 1923 die<br />

ersten offiziellen Rundfunksender in Deutschland tätig wurden, ahnte man noch nicht, daß<br />

einmal der Anspruch erhoben werden könne, in dem neuen Instrument eine eigene<br />

Kunstform des gesprochenen Worts zu entwickeln. Wort gab es vorerst als Ansage, d. h.<br />

als Ankündigung von Musik und anderen Programmteilen, als Vortrag, als literarische<br />

Vorlesung, als Nachricht.<br />

Am 29. Oktober 1923 begann die »Radio-Stunde-AG« in Berlin, die sich bald darauf in<br />

»Funkstunde-AG« umtaufte, ihre Ausstrahlungen. Schnell folgten in den anderen<br />

Großstädten Deutschlands weitere Sendegesellschaften ∗ . Wenn in den ersten<br />

Programmen etwas Programmatisches zum Ausdruck kam, dann nur der fast unbegrenzte<br />

humanistische Bildungsoptimismus jener zwanziger Jahre. Die junge deutsche Republik<br />

versuchte im Rundfunk ihre Selbstdarstellung, indem sie dort alle Freiheit gelten ließ, zu<br />

der sie sich bekannte. Und das war, obwohl am Ende tragisch, anfangs grandios und<br />

verdiente, als glanzvolle Illustration zur sonst ärmlichen Geschichte der demokratischen<br />

Bemühungen in Deutschland, einmal genauer nachgezeichnet zu werden.<br />

∗ März 1924 Leipzig und München, April 1924 Frankfurt (Main), Mai 1924 Hamburg, Stuttgart und Breslau,<br />

Juni 1924 Königsberg (Pr.), später Münster – für Köln, wo im »besetzten Gebiet« Sendeanlagen nicht<br />

errichtet werden durften -, dann Köln selber und schließlich im Januar 192.6 als Langwellensender die<br />

»Deutsche Welle«, später »Deutschlandsender« genannt.<br />

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