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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Rolle. Auch konnte sich zu dieser Zeit ein Rundfunkintendant, wenn er wollte, noch<br />

wirklich mit seinem Programm befassen, er wurde nicht politisch absorbiert und zerrieben.<br />

Hardt sah seine wichtigste Programmaufgabe in der Hörspielarbeit. Er hat<br />

u. a. einen eigenen, sehr charaktervollen Inszenierungsstil entwickelt. Zwei erhaltene<br />

Plattensätze, nämlich der von ihm aus dem Manuskript neuentzifferte, wiedererweckte<br />

Woyzeck ∗ mit Mathias Wieman in der Titelrolle (1930) und Don Carlos (1932), zeugen<br />

davon, daß Hardt mit feineren Strichen zeichnete als die Regisseure der übrigen heute<br />

vergleichbaren Aufnahmen jener Zeit. Vor allem aber scheint er sich darum bemüht zu<br />

haben, <strong>Autor</strong>en für die funkeigene Form zu gewinnen. Daß er mit Hoerschelmann<br />

verständnisvoller umging als Bronnen in Berlin, wurde schon gesagt. Ein Dichter, den er<br />

zuerst herausbrachte, war Albert Ehrenstein. Vielleicht aber ist Ehrenstein auch von<br />

Reinacher, während dessen dramaturgischer Tätigkeit, gewonnen worden. Ehrensteins<br />

Mörder aus Gerechtigkeit (1932) wirkt jedenfalls, von heute aus gesehen, fast wie ein<br />

Vorgänger zu Reinachers berühmtem Narren mit der Hacke, obwohl das Reinacher-<br />

Hörspiel mehr als zwei Jahre früher entstand. Beide Handlungen geschehen im Fernen<br />

Osten – nicht zufällig, denn das ergibt eine distanzierende Stilisierung, die im Hörspiel<br />

sonst schwer erreichbar ist. Ehrenstein behandelt aber – im Gegensatz zu Reinacher –<br />

keinen eigenen Stoff, sondern die Geschichte der Frau Wu Ta, Goldlotos, aus dem Kin<br />

Ping Meh. ∗ ( Sie ermordet, nachdem sie vom reichen Si Men mit Hilfe einer raffinierten<br />

Kupplerin verführt wurde, ihren Mann und wird dann von seinem Bruder, dem<br />

martialischen Hauptmann Wu Sun, als Rächer umgebracht. Eine wilde, blutvolle<br />

Geschichte, die im chinesischen Roman mit mitleidloser Bilderbogengenauigkeit erzählt<br />

wird. Schicksalsfrömmigkeit oder auch nur menschliche Anteilnahme gibt es höchstens<br />

als klischeehafte Redefloskel, ein hämisches Vergnügen an Indiskretionen und Intrigen,<br />

bei denen es um nichts geringeres geht als um das Leben, scheint vorzuherrschen; wer<br />

umkommt, hatte Pech, er hätte geschickter sein sollen. Daß man tödliche Intrigen spinnt,<br />

geschieht in jener »Gesellschaft« aus derselben gelangweilten Neugier heraus, aus der<br />

man sie auch weitertratscht.<br />

∗ Text mit Hardts Erläuterung in den Vorkriegs-Inselbändchen.<br />

∗<br />

Ehrenstein hat den berühmten Roman der Mingzeit nach seiner Chinareise als erster in deutscher<br />

Nacherzählung herausgegeben.<br />

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