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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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den Menschen versteckt, sie nur mit dunklen Augen aus dem Heckengebüsch anglüht. Mit<br />

Laparte beginnt die Reise zur zweiten Assonanz »Laertes« (Vater des Odysseus), Symbol<br />

für den Arzt Dr. Bayard, der auf seinen in der Welt umhergetriebenen Sohn wartet und der<br />

die erste Begegnung Pauls mit seinem späteren Schicksal bedeutet. Dann die Version<br />

»Lazarus«: Paul pflegt im Urwald den leprakranken Richards und geht offenen Auges<br />

dem Geschick entgegen. »Gibt es Wörter, die nicht die Welt enthalten?« Bleibt nur noch<br />

»La certitude«: die Gewißheit, daß sich Paul angesteckt hat. Bleibt nur noch, daß der<br />

Verdacht falsch war, daß er gesund ist. Doch da hat ihn schon »La Certosa«, die<br />

Kartause, das brasilianische Leprosenheim, in dem er um der Kranken und um Manuelas<br />

willen bleibt. Danach läßt Eich die letzte Assonanz nur noch erraten, spricht sie nicht aus:<br />

»Caritas«. Sie gehört noch zur Wortreihe – und gehört auch schon nicht mehr dazu. Denn<br />

Paul hat die Serie der Assonanzen, denen er ahnungslos-zwanghaft folgte, unterbrochen,<br />

indem er ausruft: »Es war ein falsches Wort, das mich hierhergeführt hat, ... das falsche<br />

Wort an den falschen Ort«, und indem er Anstalten macht, zu gehen. Doch dann bleibt er<br />

gerade, wie er glaubt: trotz des Worts. Er hat im Blick auf die Kranken erkannt, daß seine<br />

Entscheidung nicht aus Opfermut erfolgt ist: »Sie konnten alle auch ohne mich sterben,<br />

aber ich konnte nicht ohne sie leben.«<br />

Die Brandung vor Setúbal scheint demgegenüber eine privatere, eine wesentlich weniger<br />

metaphysische Reise zu beschreiben: Catarina, die altgewordene Geliebte des an der<br />

Pest gestorbenen Dichters Camões, wird in ihrer Verbannung nach fast zwei Jahrzehnten<br />

auf einmal von Zweifeln an der Wirklichkeit überfallen. Die törichte, aber unvermutete<br />

Geschichte einer Schokoladentasse bewirkt das. Nun macht sich die alte Frau auf, ihren<br />

Geliebten zu suchen, dessen Tod ihr vor allem anderen zweifelhaft wurde. Es geht ihr um<br />

das Kriterium der Wirklichkeit. Was ist wirklich? Sie findet die Antwort nach einer Audienz,<br />

die ihr der tote König im Sarg gewährt, derselbe, der sie einst verbannte. Plötzlich<br />

beschaut sie ihre Fingernägel – und siehe, sie verfärben sich. Nun aber geht ihr alles auf:<br />

»Seitdem ich die Pest habe, weiß ich, daß es die Pest gibt. Und da es die Pest gibt, gibt<br />

es auch das andere. Da es wahr ist, daß Camões gestorben ist, so ist es auch wahr, daß<br />

er nach mir verlangt hat. Seine Liebe, das ist die Wahrheit, und die Pest hat sie mir<br />

zurückgegeben. Welch schöner Zirkel, würdig den Bahnen des Mondes und der Sonne!<br />

Die Pest gab mir die Jugend zurück.« Eich stellt dem Stück als Motto die Jargon-<br />

Wendung »daran glauben müssen« voran. In ihr sind Sterben- und Glaubenmüssen<br />

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