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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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bestenfalls angedeutet werden. Andererseits aber ist es scheußlich, keineswegs heilsame<br />

Askese, sondern peinigend, wenn sich das Wort zurückhalten muß, in einer Hörszene den<br />

ganzen Vorgang, das ganze Bild auszudrücken. Wir müssen mindestens einmal<br />

imaginativ, durch das Wort, das Innere des Flugzeugs »gesehen« haben, dann darf<br />

vielleicht – vielleicht! – ein sehr leises Motorensurren uns daran erinnern, daß die<br />

Imagination während der weiteren hörbaren Vorgänge immer noch gilt, daß wir uns immer<br />

noch im Flugzeug befinden.<br />

Die fast visionäre Welt, die durch die Suggestionskraft der Sprache in uns ersteht, ist<br />

zwingend und stark, sie ist allerdings auch höchst feinkörnig und verletzbar. Daten der<br />

äußeren Wirklichkeit – das gilt für photographierte Geräusche wie für photographierte<br />

Bilder – können uns niemals so bis ins Innerste durchdringen, wie diese<br />

Sprach»visionen«, aber die äußeren Daten sind gleichwohl kompakter und robuster.<br />

Darum geschieht es stets auf Kosten der imaginären Anschauung, wenn Sprache und<br />

äußere Realität künstlerisch nebeneinander verwendet werden und miteinander<br />

konkurrieren; immer ist bei solcher Kombination der Verlust bei der Sprache.<br />

Jeder Sachverständige weiß, wie weit z. B. in Film und Fernsehen wegen der<br />

photographierten Bildrealität das Wort sich freiwillig an Macht und Umfang reduzieren<br />

lassen muß, will es nicht töricht und geschwätzig wirken: das geht bis zur sprachlichen<br />

Banalisierung. Aber man muß nicht einmal sachverständig, muß nur als Hörer ein wenig<br />

feinfühlig sein, um hundertmal erlebt zu haben, wie die Anwendung von grob-realem<br />

Lärm, von Schritten und klappenden Türen im Hörspiel als scheußliche Stilwidrigkeit wirkt,<br />

weil damit materielle Wirklichkeit das höchst empfindliche Gewebe der<br />

Phantasiewirklichkeit schmerzhaft zerreißt.<br />

Hier ergibt sich eine Reihe von handfesten Erfahrungssätzen, die alles, was grundsätzlich<br />

bereits gesagt worden ist, nachdrücklich bestätigen, und die immer wieder die gleiche<br />

fundamentale Einsicht in Anspruch und Wirkung der Sprache vermitteln:<br />

Dem bei Dilettanten und schlechten Hörspielschreibern so beliebten Begriff<br />

»Geräuschkulisse« entspricht nichts oder nur äußerst wenig künstlerisch Brauchbares. Im<br />

Grunde ist ihre Anwendung auf realistische Hörspiele beschränkt, auf solche also, die<br />

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