28.02.2014 Aufrufe

Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

http://www.mediaculture-online.de<br />

den Individualisten zugute und verwandelte, ohne grundsätzliche Änderung der<br />

Thematik, schließlich auch die formalen Grundlagen. An die Stelle dramatischer Effekte<br />

trat der mehr epische Bericht: als poetische Reportage mit eingeblendeten Dokumenten<br />

– meist Texten, die aus direkter Rede bestanden. Der Kontrapunkt zwischen Bericht<br />

und Rede (Szene) erlaubte Ironie und tiefere Bedeutung. Es entstand eine Form, die<br />

später ›Feature‹ hieß.<br />

3. Das oratorisch-balladeske Hörspiel. Die Mischform der Ballade, die lyrische, epische<br />

und dramatische Elemente in sich vereinigt, ist der Mischform des Hörspiels verwandt.<br />

Von Brechts Flug der Lindberghs (1929) bis zu Weyrauchs Totentanz (1961) und<br />

wahrscheinlich noch weit in die Zukunft wirkt die Balladentradition, aus der eine<br />

Hörspielform entstand, der man ihre Berechtigung nicht absprechen, ihre Wirkung nicht<br />

bestreiten kann. Aber nicht nur in den durchweg balladesken Hörspielen zeigen sich<br />

Formelemente der Ballade, man kann sie in den sprachlichen Strukturen von Kessers<br />

Straßenmann (1930) und Kysers Napoleon-Hörspielen (1931) ebenso nachweisen, wie<br />

ein Vierteljahrhundert später in Ingeborg Bachmanns Gutem Gott von Manhattan.<br />

3 a. Eine der oratorisch-balladesken Form verwandte Sendungsart bilden daneben die<br />

Kantaten, hymnisch-deklamatorische Versgebilde ohne eigentlichen Handlungsvorgang,<br />

bei denen das Lyrische überwiegt, aber eine Lyrik mit starkem, fast dramatischem<br />

Pathos. In einem Werk wie Leo Weismantels Totenfeier ist der Typus 1931 bereits<br />

vollständig ausgeprägt. Vielleicht gibt es noch frühere Beispiele, viel bessere und<br />

redlichere kaum. Die späteren sind unzählbar, da die Form dann im Dritten Reich<br />

politisch ausgemünzt wurde. Unter den Gattungsbegriff Hörspiel wird sie heute kaum<br />

jemand subsumieren wollen.<br />

4. Dramatische Reportagen und Zeithörspiele. Der Übergang vom Typus 2 zu diesem<br />

Typus ist fließend. Er ist dadurch gekennzeichnet, daß in ihm entschieden zur<br />

Problematik der Zeit Stellung genommen wird, doch treten dabei keine prägnanten<br />

historischen Persönlichkeiten oder Vorgänge in den Mittelpunkt der Handlung. Der<br />

künstlerische Wert solcher Stücke hängt davon ab, ob sie, ähnlich wie z. B. Ernst<br />

Johannsens Brigadevermittlung, das Zufällige ins Objektive, das Zeitgebundene ins<br />

Zeitlose erhöhen. Auch unter den heutigen Hörspielen gibt es noch bedeutsame<br />

Arbeiten dieses Typus’: Hubaleks Festung oder Ahlsens Philemon und Baucis – beide<br />

in ihrem Realitätsgrad um Nuancen verschieden, beide immerhin Belege für die vitalen<br />

Wirkungen, die mit solchen Formen stets möglich sein werden.<br />

5. Das Hörspiel als dialogisierte Novelle. Diese Kategorie geht, wie alle bisher genannten<br />

(außer der unter 3), nicht eigentlich von einem genauen Stilprinzip aus. Der Akzent liegt<br />

vielmehr auf Handlung und Handlungsinhalten, auf der novellistisch pointierten Story.<br />

Vom Zeithörspiel gibt es wiederum fließende Übergänge zu dieser Gattung. Aber die<br />

Aktualität des Stoffes ist nicht Bedingung, z. B. sind Hoerschelmanns Frühwerk Flucht<br />

vor der Freiheit, Ehrensteins Mörder aus Gerechtigkeit, Rothes Verwehte Spuren nicht<br />

aktuell gebunden. Aber auch Döblins Alexanderplatz-Hörspiel gehört in diese Kategorie.<br />

Darüber hinaus die meisten Unterhaltungshörspiele, wenn man sie in unser Schema<br />

einordnen will. Die Hörspielart, von der hier die Rede ist, hält sich aus<br />

Zweckmäßigkeitsgründen, um des »Ankommens« willen, durchaus an die Faustregeln<br />

der Hörspieldramaturgie, ja, sie hat sogar besondere Verdienste um deren Erprobung<br />

und Anwendung. Doch liegt ihr, über das Handwerkliche hinaus, nicht viel an der<br />

50

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!