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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Damals aber verfingen sich erst einmal fast alle Hörspielbeflissenen in diesen<br />

Hindernissen. Die Gescheitesten unter den Gescheiterten rafften sich jedoch bald wieder<br />

auf. Sie begannen Umwege zu suchen, auf denen man das Ziel besser erreichte. Es gab<br />

auch einige, die die Fehler gar nicht erst selbst begingen, die vom Lehrgeld der anderen<br />

zehrten. Hier müssen vor allem zwei gerühmt werden, deren Namen schon mehrfach<br />

genannt wurden: Kesser und Reinacher. Mit ihren Hörspielen schien der neue, endgültige<br />

Anfang gemacht zu sein. Daß es im Grunde nur eine letzte Notblüte war, die zustande<br />

kam, daß die Fortsetzung und Erfüllung der langen Bemühungen zwölf Jahre auf sich<br />

warten lassen würde: wer konnte es damals ahnen!<br />

Wellershoff, einer der jüngeren Hörspielautoren, ist hier zitiert worden. Es gibt eine<br />

Parallele, die sehr aufregend ist, von der Wellershoff aber zweifellos nichts ahnte, als er<br />

sein erstes Hörspiel Die Sekretärin schrieb: Hermann Kesser hat unter Verwendung<br />

desselben Kunstmittels, mit der gleichen Spielart des Inneren Monologs, in einem<br />

Hörspiel schon 1929 dasselbe Thema behandelt: die Einsamkeit einer Frau, deren Dasein<br />

in vergeblichem Warten auf ein menschliches Echo vergeht. Kessers Schwester Henriette<br />

ist entwicklungsgeschichtlich noch bei weitem bedeutender als sein Straßenmann. Es ist<br />

wiederum die sehr frühe, aber zugleich bis heute exemplarische Ausprägung einer<br />

bestimmten formalen Möglichkeit des Hörspiels. Zwar einer vielleicht nicht zentralen; aber<br />

wie für Schäfer Schnabel, so beweist für Kesser Wellershoff, daß es sich um keinen<br />

zeitbedingten, sondern wahrscheinlich um einen für immer gültigen Formtypus handelt.<br />

Fast unbegreiflich, daß der Text des Stückes nicht mit dem Blick auf die<br />

Hörspielverwirklichung, sondern zuerst als Novelle (Die Schwester, Rütten und Loening,<br />

Frankfurt 1926) geschrieben wurde. Für die Hörspielfassung waren nur unwesentliche<br />

Kürzungen nötig. Offensichtlich nahmen Kessers Novellen unter den Händen des <strong>Autor</strong>s<br />

unabsichtlich die Form des gesprochenen Wort-Werks an. Dergleichen lag damals in der<br />

Luft: Grenzfälle zwischen Erzählung und psychodramatischer Selbstdarstellung einer<br />

erfundenen Figur wie Schnitzlers Fräulein Else, nur daß keine von diesen Dichtungen, die<br />

natürlich alle am Mikrophon erprobt wurden, die Funkeignung von Kessers Werk<br />

erreichte.<br />

Aber wie man sich den Sachverhalt auch erklären mag: Schwester Henriette ist deshalb<br />

so wichtig, weil daran zum erstenmal klar wurde, daß der Innere Monolog im Hörspiel eine<br />

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