28.02.2014 Aufrufe

Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

http://www.mediaculture-online.de<br />

Individualbefragung über den 29. Januar unmittelbar fort. Das Jahr 1947 brachte eine<br />

Fülle von Hörerpost, wie wohl kein anderes Jahr der Rundfunk- und Hörspielgeschichte.<br />

Sie war kaum zu bewältigen, zumal es um Briefe ging, die man nicht einfach beiseite<br />

schieben konnte: brüderliche Schreie als Echo des Borchertschreis, verzweifelte, oft ganz<br />

persönliche Fragen als Echo jener Fragen, die die Featureschreiber über den Äther<br />

hinausgeschickt hatten.<br />

Die Hamburger Hörspieldramaturgie fühlte sich in der zweiten Hälfte 1947 bei soviel<br />

Kontakt mit der Außenwelt stark genug für ein erstes Hörspielpreisausschreiben.<br />

Vorsichtig war man noch immer, es wurde nach Kurzhörspielen, nach<br />

Halbstundenstücken gefragt. Fünf Preise wurden ausgesetzt und schließlich auch verteilt.<br />

Im Februar 1948 begannen die Sendungen der preisgekrönten Arbeiten in wöchentlicher<br />

Folge. Es kann nicht verschwiegen werden, daß das Ergebnis mager war: nur eines der<br />

Werke konnte sich – gerade eben – im Repertoire halten. Dabei befanden sich unter den<br />

fünf Preisträgern drei Namen, von denen man einen schon kannte, während zwei bald<br />

darauf bekannt wurden – immerhin ein Zeichen für den guten Instinkt der Jury, die nach<br />

anonymen Texten entschied.<br />

Oskar Wessel mit seinem Hörspiel Hiroshima wurde erster Preisträger. Zwei Jahre nach<br />

dem Abwurf der unmenschlichen Bombe war dies einer der frühesten literarischen<br />

Reflexe. Wessels Stück ist aber auch deshalb rühmlich, weil der <strong>Autor</strong> mit genauem<br />

Kunstverstand nicht in jenen Fehler verfiel, den später fast jeder Bearbeiter des Stoffes<br />

machte. Die Frage nach der Sittlichkeit oder Unsittlichkeit der Technik, wie sie Zuckmayer<br />

und außer ihm tausend andere wohlmeinende <strong>Autor</strong>en stellten, ist überhaupt nicht zu<br />

beantworten, auf alle Fälle hat sie keine literarische Chance. Wessel hatte einen<br />

besseren Entwurf, denselben, den sich Eich später (56) im Letzten Tag von Lissabon<br />

vornahm: die Momentaufnahme der Stadt und ihrer Menschen, deren Leben im<br />

Augenblick der Vernichtung stehengeblieben war wie eine Uhr, die man zertrümmert, oder<br />

wie im wirklichen Hiroshima die Schatten der Fliehenden, die, vom Hitzstrahl in Stein<br />

gebrannt, noch heute gezeigt werden: ewige granitene Todesstarre aller menschlichen<br />

Hoffnungen, Wünsche und Pläne. Doch ist ein solcher eschatologischer Schnappschuß<br />

nicht einmal Eich ganz geglückt, obwohl für ihn diese Problematik im Mittelpunkt seines<br />

ganzen Dichtens und Denkens steht. Oskar Wessel aber, Jahrgang 1899,<br />

225

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!