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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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AM ANFANG WAR DAS FEATURE<br />

Der Stand von 1955 ist natürlich nicht der Stand von 1945 und 46. Doch sind viele dieser<br />

erstaunlichen Zahlen noch durch die besondere Situation zu erklären, die seit dem ersten<br />

Nachkriegstag latent und offen vorhanden war, durch jenes dynamische Verhältnis<br />

zwischen dem damaligen Rundfunk und den damaligen Menschen. Einstweilen saß man<br />

freilich noch an den elenden Volksempfängern Goebbelsscher Provenienz und konnte vor<br />

der Währungsreform nicht daran denken, sich bessere Geräte anzuschaffen.<br />

Bis ins Jahr 1948 hinein mußte man auf allen Gebieten, wenn nicht Import half, vom<br />

Bestand zehren, auch im Rundfunkprogramm, auch im Hörspiel. Die stürmische<br />

Aneignung der unbekannten ausländischen, vor allem angelsächsischen Literatur des<br />

letzten Jahrzehnts, das Nachholen dessen, was seit 1933 versäumt worden war, geschah<br />

auch mit Hörspiel- und Funkbearbeitungen. Neben Werken wie Wilders Kleiner Stadt,<br />

Helmut Käutners erster Hörspielinszenierung nach dem Krieg, konnten die originalen<br />

deutschen Rundfunkarbeiten sowieso künstlerisch nicht ins Gewicht fallen. Sie waren<br />

auch an Zahl sehr spärlich.<br />

Im Jahre 1945, in den sieben Monaten nach der Kapitulation, wurde überhaupt kein<br />

wirkliches Hörspiel gesendet. Das erste Originalhörspiel kam 1946 im Januar: Der Held<br />

von Volker Starcke. Es war ein handfestes Zeitstück ohne literarischen Ehrgeiz, das –<br />

keineswegs mit dem Fanatismus einer Ideologie, sondern sachlich-vernünftig – zum<br />

erstenmal das Problem militärischen Ungehorsams aufwarf, ein Offizier der<br />

zusammengebrochenen Ostfront beging ihn aus Verantwortung gegenüber anvertrauten<br />

Menschen. Das bereits zitierte Stück von Renate Uhl, das früheste Hörspiel über die<br />

Fragwürdigkeit wirtschaftlichen Erfolgs, Vorläufer der Wirtschaftswunderstücke, Parallele<br />

zum Kriegsgewinnlerhörspiel Straßenmann von 1930, war das zweite. Das dritte und für<br />

1946 letzte war Akazienallee 4. Sein <strong>Autor</strong>, Eberhard Wiese, versuchte eine politischgeschichtliche<br />

Bilanz noch größerer Spannweite: die Geschichte eines Hamburgischen<br />

Großbürgerhauses – als Darstellung aller politischen Anfälligkeiten seit der<br />

Jahrhundertwende und als Voraussetzung des bitteren Endes. Ordentlich gebaut, aber<br />

ohne poetische Intensität: das ist das Kennzeichen der drei Arbeiten. Die Verfasser waren<br />

in ihrem braven bürgerlich-sittlichen Wollen wohl selbst nicht weit entfernt von jenem<br />

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