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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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inzwischen Siebzigjährige die Ergänzung vorzunehmen und auf den eigenen Ton von vor<br />

drei Jahrzehnten »einzusteigen« versuchte, kam er auf rührende Weise mit dem Atem ins<br />

Gedränge. Gleichwohl hielt er durch, und es ergab sich die einzigartige Begegnung eines<br />

Mannes, der schon Hörspielgeschichte war, mit sich selber als überlebendem.<br />

Kesser hat später eingesehen, daß mit einer solchen Reporterstimme das Problem der<br />

Hörspielform keine annehmbare Lösung findet, – nicht etwa wegen der Mischung von<br />

Bericht und Szene, sondern aus anderen Gründen. Die Rolle wirkt unweigerlich als die<br />

vordergründigste und wichtigste, nämlich die des Gewährsmanns aller unsichtbaren<br />

Vorgänge; dem aber widerstreitet die Unpersönlichkeit, die auch durch die Bezeichnung<br />

als »Stimme des <strong>Autor</strong>s« im Personenregister nicht aufgehoben wird.<br />

Vermutlich um diesen Fehler etwas zu verbessern, hat Kesser für eine weitere Aufführung<br />

einen (gereimten) Dialog, eine Art Vorspiel am Mikrophon, vor das Ganze gesetzt. ∗ Der<br />

»Ansager« wendet sich darin an den »Generaldirektor« als an den Adressaten des<br />

Stücks: »Sie sind gemeint« – und kündigt am Ende deutlich an: »Aufgepaßt! Hermann<br />

Kesser beginnt zu erzählen!« Viel bringt das nicht ein, es ist auch in den weiteren<br />

Jahrzehnten der Hörspielentwicklung aus dem anonymen Erzähler, selbst wenn er (wie<br />

noch oft) als <strong>Autor</strong> firmierte, nie ein gescheites Stilmittel geworden.<br />

Dennoch wurde immer wieder einmal überlegt, ob man Kessers Straßenmann nicht neu<br />

inszenieren soll. Man kann im Zweifel sein. Die Generaldirektoren sind jedenfalls seither<br />

nicht ausgestorben, sie leben heute noch, nur haben sie in unserer perfekten und<br />

glatteren Wirtschaftswelt nicht mehr jenen fast romantischen Talmiglanz der damaligen<br />

Schieber. Ausgestorben ist dagegen jenes Kleinbürgertum, das um den reichen Mann<br />

herum sein sparsames Leben führte; es führt heute ungefähr das Leben des damaligen<br />

Generaldirektors. So ist also zu fürchten, daß uns die Möglichkeit fehlt, die Relation<br />

nachzufühlen, aus der das Stück seine eigentliche Spannung bezieht. Im übrigen ist nach<br />

Auffindung eines weiteren, wohlerhaltenen und vollständigen Plattensatzes eine<br />

Neuaufnahme ohnehin vorerst überflüssig.<br />

∗ Es sind zwei äußerlich verschiedene Manuskripte erhalten, von denen nur eines, vermutlich das jüngere,<br />

das »Vorspiel« enthält. Meine Annahme wurde mir von Alfred Braun bestätigt, der sich an mehrere<br />

Inszenierungen ab 1930 erinnern zu können glaubt.<br />

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