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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Inzwischen hat sich Friedrich Knilli, ein junger Grazer des Jahrgangs 1931,<br />

vorgenommen, die Geräuschanwendung auch bei uns zu revolutionieren. In seinem Buch<br />

Das Hörspiel, erschienen im Kohlhammer-Verlag, geht es aber trotz dem Titel keineswegs<br />

um das Hörspiel, sondern um das »totale Schallspiel«. Außer einem einzigen großen<br />

Mißverständnis sei seit 1927, also seit die Geräusch- und Lärmexperimente eingestellt<br />

wurden, in der Hörspielgeschichte nicht das geringste geschehen, »heute nicht, während<br />

der NS-Zeit nicht und nicht im ersten Rundfunkjahrzehnt«. Heute, »1961, ist es im<br />

Hörspiel finster wie am ersten Tag«. Genau genommen sind für Knilli alle Hörspiele –<br />

außer den frühesten, von denen keine kontrollierbaren Reste mehr vorhanden sind, die<br />

man also, wie alle Vorgeschichte, zum Mythos erheben kann – »herkömmlich«. Ionescos<br />

Automobilsalon bildet möglicherweise eine kleine Ausnahme und ferner ein eigenes<br />

unaufgeführtes Werkchen Knillis, das die Senderlektorate großenteils kennen. Alles<br />

übrige sind »Worthörspiele«, »Phantasiehörspiele«, angekränkelt durch den Prozeß der<br />

»Vergeistigung« und »Verwortung«. Beweis: in allen Hörspielen wird etwas imaginiert, sie<br />

bedeuten immer etwas, und zwar etwas anderes, als sie sind, etwas anderes als Schall.<br />

Nun gibt es aber nach Knilli (und Professor Max Bense) eine »Eigenwelt« und eine<br />

»Außenwelt« auch beim Hörspiel. Nur die »Eigenwelt«, nur das rein Klangliche zählt,<br />

alles, was über das Akustische hinaus sonst noch gemeint oder bewirkt werden könnte,<br />

ist werkfremd und unerwünschte »Außenwelt«. (Knilli behauptet in schöner<br />

erkenntnistheoretischer Naivität, daß Sprache Außenwelt »abbilde«.)<br />

Um nun gleich mit dem Automobilsalon zu exemplifizieren: ungut muß wohl nach Knilli<br />

daran sein, daß man sich, durchs Wort angeregt, beim Hören einen Automobilsalon<br />

vorstellt.<br />

Doch müßte eigentlich jeder begreifen, daß dies die Hauptsache dabei ist, weil das Spiel<br />

mit den seltsamen Geräuschen und Lauten nämlich um seine Pointe gebracht wird, wenn<br />

man die Laute, die »Außenwelt«-Vorstellungen wie Hühner, Kühe, Schweine und<br />

menschliche Liebesseufzer hervorrufen, nicht auf die vorher durch das Wort imaginierten<br />

Autos bezieht.<br />

Knillis eigenes Hörspiel Krikerikik stellt dar – eigentlich darf man ja überhaupt nicht<br />

formulieren können, was dargestellt wird, aber es stellt dennoch dar -, wie ein Mensch das<br />

Wort »Krieg« über die Zunge bringen soll und bloß ein vielfältiges Krähen erzeugt, erst<br />

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