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Autor: Tilmann P - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Es ist ein billiger Stolz, sich solchen Zitaten heute überlegen zu fühlen, und es gehört viel<br />

Naivität dazu, zu glauben, es sei niemand mehr anfällig, weil wir wissen, was damals<br />

noch nicht im Bereich der Erfahrungen lag: daß alle politischen Schlagworte, daß selbst<br />

Worte, die durch Jahrtausende eindeutig waren, wie »Friede« und »Freiheit«, in den<br />

Dienst von Unfriedfertigen und Unterdrückern und in den Mund von spät erkennbaren<br />

Lügnern geraten können. Aber es geht hier nicht darum, dies zu zeigen, so lehrreich der<br />

Mißbrauch der Sprache und damit der Menschlichkeit damals und immer wieder ist. Es<br />

geht hier um Hörspielgeschichte, und Kasacks Stück steht genau an dem Grenzpunkt, wo<br />

die Sprache aufhört, Sprache des Hörspiels sein zu können, wo sie Proklamation wird.<br />

Genau deshalb hat der Dichter damals erleben müssen – ein für immer denkwürdiger<br />

Vorgang –, daß er seinen mit redlicher Gesinnung niedergeschriebenen Text nur zwei<br />

Monate später, im Februar 1933, kaum verändert, mit »Führer«worten durchsetzt, über<br />

den gleichen Sender (Deutschlandsender) zum zweiten Male hörte, wobei dieser Text<br />

dann etwas ganz anderes aussagte. Kasack hat vergeblich öffentlich gegen diese<br />

Umdeutung protestiert.<br />

DAS HÖRSPIEL ALS DIALOG-NOVELLE: DAS SPIEL MIT DER<br />

UNKONTROLLIERBAREN WIRKLICHKEIT<br />

Mit dem Gebrauchshörspiel und dem Zeithörspiel sind wir bei jener Gattung von Stücken,<br />

deren <strong>Autor</strong>en es nicht so sehr darauf anlegen, eine neue funkeigene Form zu entwickeln,<br />

als vielmehr die Möglichkeit szenischer Sendungen im Rundfunk ganz einfach zu<br />

benutzen – gelegentlich, wie wir sahen, für durchaus außerkünstlerische Zwecke. Es gibt<br />

aber natürlich auch Hörspieldichter, die zwar künstlerische Absichten, aber weniger Formals<br />

Erzählleidenschaft besitzen. Auch in ihren Funkarbeiten werden die inhaltlichen<br />

Ambitionen gegenüber den formalen überwiegen. Es entsteht dann etwas, was damals<br />

wie heute und in Zukunft Berechtigung besitzt, ja höchst respektgebietend sein kann:<br />

jener Hörspieltypus, der in unserm Schema mit dem Begriff »dialogisierte Novelle«<br />

umschrieben wurde. Ihm geht es mit Vorrang um die pointierte Story. Um formale und<br />

handwerkliche Gesetze kümmert er sich nur aus ganz praktischen Gründen: nur soweit<br />

sie unbedingt gebraucht werden, um Handlung und Gestalten zur Geltung zu bringen.<br />

Stilistisch bleibt er in den Grenzen eines episch-dramatischen Realismus.<br />

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